ift-Expertentag Sicherheit

Ein Markt mit wachsenden Aufgaben

Am zweiten Tag des Expertentags traf die Nachricht über den Anschlag in der Nähe der deutschen Botschaft in Kabul ein. Franz Hauk, dessen Betrieb dort immer wieder mit Metallbauarbeiten beschäftigt ist, atmet durch: Zumindest die Tore aus seiner Werkstatt haben der Autobombe widerstanden. Gewiss keine gute Nachricht, indes, die Nachfrage nach Sicherheitstechnik steigt.

Mit circa 80 Teilnehmern ist die Veranstaltung in Rosenheim gut besucht. Über die aktuelle Kriminalstatistik berichtete Josef Moosreiner vom Bayerischen Landeskriminalamt. Die Häufigkeit von Wohnungseinbrüchen lag im Jahr 2016 in Bayern bei 58 Einbrüchen pro 100.000 Einwohnern. In Nordrhein-Westfalen lag das Einbruchsrisiko allerdings fünfmal höher. Moosreiner weist darauf hin, dass ein Standardfenster ohne Einbruchhemmung im Regelfall innerhalb von zehn bis zwanzig Sekunden aufgebrochen ist. Hauptangriffspunkt bei Einfamilienhäusern ist die Terrassentür beziehungsweise das Erdgeschossfenster im rückwärtigen, nicht so gut einsehbaren Bereich der Häuser. Bei Mehrfamilienhäusern wird am häufigsten durch die Wohnungseingangstür eingebrochen. Fenster mit einer Ausstattung nach RC 2 bieten für Wohnungen den größten Schutz. Damit das Fenster bzw. die Fenstertür dieser Widerstandsklasse entspricht, muss das Element an jeder Schwachstelle mindestens drei Minuten einem Einbruchversuch standhalten: Es darf keine durchgangsfähige Öffnung (Rechteck: 400 mm x 250 mm; Ellipse: 400 mm x 300 mm; Kreis: Durchmesser 350 mm) erreicht werden. Bei RC 3 muss das Fenster fünf Minuten standhalten.

Nachrüstung will gelernt sein

Aber schon eine Nachrüstung beispielsweise mit Pilzzapfenbeschlägen kann für mehr Sicherheit sorgen. Die Siegenia-Gruppe ist im Markt für Nachrüstung gezielt aktiv. So ist das Tochterunternehmen Siegenia-Aubi Sicherheits-Service auf Reparatur und Nachrüstung von Fenstern und Fenstertüren spezialisiert. Die Siegenia Mitarbeiter Roland Schöler und Werner Schommer führten in Rosenheim vor, wie Kunststoff- beziehungsweise Holzfenster sich mit einem Nachrüstset für verdeckt liegende Fensterbeschläge innerhalb von 30 Minuten sicherer machen lassen. Eine Umfrage unter den Teilnehmern zeigte jedoch, dass sich die Branche im Allgemeinen noch nicht allzu sehr um die Nachrüstung kümmert. Von den 80 Teilnehmern meldeten nur  fünf Erfahrungen mit sicherheitstechnischer Nachrüstung.

Sichere Fenster brauchen sichere Wände

Geht es um Sicherheitsstandards von Fenstern, denken Metallbauer zuvörderst an den Rahmen, die Beschläge und das Glas. Die Wand, in die das Fenster eingebaut ist, wird eher selten unter dem Aspekt Sicherheit betrachtet. Dr. Jürgen Küenzlen von Würth wusste aus einem laufenden Forschungsprojekt: „­Werden die Randabstände des Dübels mit 60 mm gesetzt, dann ist ein Fenster in drei Minuten demontiert. Bei einem Randabstand von 100 mm können 15 Minuten Widerstand eingehalten werden. Als einfaches Mittel gegen Einbruch gilt: „Je mehr Befestiger in kürzeren Abständen in die Wand gesetzt werden, desto länger braucht der Dieb für den Bruch“, so Dr. Küenzlen.

Die Sicherheitstechnik moderner Ziegelstoffe prüft ein Forschungsprojekt, das seit 2016 läuft. Nach diesen Untersuchungen erfüllt eine Wand um das Fenster RC 2, wenn die Fassade verputzt ist. Im Rohbau, auch mit Eckschienen, wird keine RC 2 Widerstandsleistung erreicht.

Laut Dr. Küenzlen wird ein RC 3 Standard mit einem Ziegelstein plus Putz nicht erreicht. Fenster in dieser baulichen Situation hätten sich in fünf Minuten ausbauen lassen. Eine Lösung für einen höheren Sicherheitsstandard kann eine Gewebespachtelung auf die Wand sein. Der Forschungsbericht verweist darauf, dass RC 3 so erreicht werden kann. Die Gewebespachtelung bietet den Vorteil, dass sie sich sowohl im Neu- als auch im Bestandsbau anwenden lässt. Ein doppeltes Armierungsgewebe zeigt eine noch günstigere Widerstandsleistung.

Für Informationen zu Sicherheitsstandards von Ziegelsteinen empfahl Dr. Küenzlen das Programm www.montagetool.de, das Ziegelsteine listet, die geprüft wurden. Der Anwender gibt zunächst das gewünschte Sicherheitsniveau ein, dann werden die Ziegelsteine angezeigt, die beispielsweise RC 3-geprüft wurden. Ferner sei eine ift-Richtlinie geplant, wie Wände unter sicherheitstechnischem Aspekt gebaut werden sollten. In jedem Fall sind solche bautechnischen Fragen frühzeitig mit den Planern anzusprechen, wie der Experte hervorhob.

Die Mitarbeiter der Normenausschüsse forderte der Befestigungsexperte von Würth auf, über das Werkzeug nachzudenken, das aktuell für die normativen Prüfungen vorgegeben wird. „Nutzen Einbrecher nicht inzwischen modernere Werkzeuge?“

Referent Jörg Johannsmeyer vom ift Rosenheim gab einige Beispiele für typische Fehler bei der Umsetzung von Sicherheitstechnik. So ist häufig in Ausschreibungen zu lesen „Sicherheitsbeschlag nach DIN 1627“ oder „Beschlag RC 2“ — diese Formulierungen sind gegenüber dem Auftraggeber nichtssagend. Richtig ist, dass die relevanten Normen DIN 1627, DIN 18104‑1 und DIN 18104-2 ein System beschreiben, keinen Beschlag, und die RC-Standards sich auf ein Fensterelement beziehen und nicht allein auf den Beschlag. Ebenso Nonsens ist die Aussage: „In Anlehnung an RC 2“, weil sich mit dem Begriff „Anlehnung an …“ keine definierten Sicherheitsstandards verbinden.⇥ma ◊

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