Wie Schweizer ERFA-Gruppen netzwerken

Das Schweizerische Institut für Klein- und Mittelunternehmen an der Universität St. Gallen (KMU-HSG) betreut mehr als 30 verschiedene Erfahrungsaustauschgruppen (ERFA-Gruppen) aus den Bereichen Dienstleistungen, Industrie und Handwerk. Initiiert wurde das bereits in den 1960er Jahren. Für die Metall- und Stahlbau-Branche gibt es zwei Gruppen mit jeweils sieben bis zehn Teilnehmern. Die Unternehmen kommen aus der gesamten Deutschschweiz. Es sind vor allem mittlere, inhabergeführte Firmen mit regionalem Bezug, die in keinem direkten Wettbewerbsverhältnis zueinander stehen. Die erste Metallbau-ERFA-Gruppe wurde 2007 mit tatkräftiger Unterstützung des Arbeitgeberverbandes AM Suisse (ehemals SMU) von Dr. Alexander Fust, wissenschaftlicher Mitarbeiter am KMU-HSG, gegründet.

Der Austausch hat Vorrang

Das universitäre Institut KMU-HSG ist auf KMU-Führungsweiterbildung spezialisiert und bringt eine große Wissensbasis sowie praktische Erfahrungen in die ERFA-Gruppen ein. Dr. Fust und seine Institutskollegen organisieren und leiten die Gruppen, moderieren die Diskussionen und halten je nach Thema Kurzreferate zur Unterstützung der anschließenden Diskussion unter den ERFA-Mitgliedern. Im Mittelpunkt steht der Erfahrungsaustausch der Teilnehmer untereinander. Sie geben ihr Wissen gegenseitig weiter und diskutieren über aktuelle Problemstellungen in ihren Betrieben oder in der Branche. Dr. Fust betont: „Der Austausch geschieht sehr offen und ehrlich, weil sich die Unternehmen nicht direkt konkurrenzieren.“ Im Netzwerk treffen sich ausschließlich die Inhaber und Unternehmer, der Erfahrungsaustausch findet also auf oberster Führungsebene statt. Wenn jemand aus Krankheits-, Urlaubs- oder sonstigen Gründen ausfällt, wird er nicht vertreten.

Ein Netzwerk könnte prinzipiell auch vom Teilnehmerkreis selbst organisiert werden, „die Praxis hat jedoch gezeigt, dass die Selbstorganisation von Netzwerken sehr aufwändig ist und in der von uns angebotenen Tiefe nicht funktioniert respektive nicht realistisch ist. Die Fragen sind immer, wer macht das, wer bereitet sich profund vor, wer strukturiert die Moderation mit den richtigen Fragen, wer hat Lust auf und ist fähig für die Sitzungsführung und -moderation? Die meisten Unternehmer haben dafür keine Zeit“, sagt Dr. Fust.

Unternehmensmanagement

Welche Themen auf die Tagesordnung kommen, wird allein von den Gruppenmitgliedern entschieden. Es gibt zwar einen Jahresplan, für brennend aktuelle Themen bleibt aber immer genügend Spielraum. In der Regel geht es um solche unternehmerischen Themen, für die im Alltag oft nicht viel Zeit bleibt. Dazu gehören Personalführung, Marketing, Nachfolge und strategische Entwicklung, aber auch finanzielle Führung, Innovationen oder neue Geschäftsideen. Und weil diese Themen am Institut für Klein- und Mittelunternehmen außerdem Forschungsthemen sind, fließen theoretische und praktische Forschungsergebnisse in die ERFA-Gruppen mit ein. Für die Unternehmer bietet das großen Mehrwert mit Weiterbildungsaspekt.

Über ein Thema kann durchaus zwei bis drei Stunden diskutiert werden, jeder soll sich dazu äußern können. Zweck ist, über den Austausch aus den Fehlern der anderen zu lernen, von deren Erfahrungen zu profitieren und genügend Tipps zu bekommen. Es geht immer um die Weiterentwicklung der Unternehmen und der Unternehmerpersönlichkeiten. Vier bis sechs Mal im Jahr kommen die Metallbau-ERFA-Gruppen zusammen — bevorzugt in Zürich als zentralem Ort oder bei den Mitgliedsbetrieben. Ein Tag reicht dafür aus, man trifft sich meist wochentags zwischen ca. 9 und 16 Uhr. Die Agenda wird vorab bekanntgegeben, damit sich alle auf das Thema vorbereiten können. Ab und zu besucht man sich gegenseitig in den Unternehmen und diskutiert Verbesserungsmöglichkeiten. Die Partnerinnen der Unternehmer oder Partner der Unternehmerinnen werden alle zwei Jahre eingeladen, wobei dies je nach Gruppe unterschiedlich gehandhabt wird. Die Regel sind zwar Ein-Tages-Treffen, doch manchmal beginnt das Treffen bereits am Vorabend, zum Beispiel an einem Freitagabend, am Samstag findet die Betriebsbesichtigung mit anschließendem Feedback statt.

Gegenseitige Unterstützung

Obwohl die meisten Unternehmer dem Netzwerk sehr lange treu bleiben, kann es passieren, dass jemand zum Beispiel aufgrund einer Nachfolge ausscheidet. In diesem Fall sucht die ERFA-Gruppe gemeinsam nach Unternehmerpersönlichkeiten und fragt bei diesen an. Natürlich kann sich auch ein Unternehmer von sich aus bewerben. Nach erfolgter Betriebsbesichtigung und Präsentation entscheidet die Gruppe, ob er aufgenommen wird. Denn wichtig ist, dass sowohl die Chemie stimmt, als auch, dass das Unternehmen von seiner Struktur und Größe her in die Gruppe passt und es keine Konkurrenzsituation gibt. Die Entscheidungen werden immer individuell getroffen. Jedes Mitglied hat ein Vetorecht. Aktuell gibt es in beiden ERFA-Gruppen keinen freien Platz, deshalb könnte es sein, dass in absehbarer Zeit eine dritte Gruppe gegründet wird. Interesse ist vorhanden.

Aus dem Netzwerk heraus sind auch überbetriebliche Kooperationen entstanden. Dr. Fust berichtet: „Es haben sich zum Beispiel Arbeitsgemeinschaften gebildet, die gemeinsam Projekte ausgeführt oder sich mit Monteuren ausgeholfen hat. Oder man unterstützt sich gegenseitig, wenn ein Unternehmen bestimmte Anforderungen eines Auftrages nicht erfüllen kann oder ein Unternehmen zu viele Aufträge hat, ein anderes dagegen gerade etwas Luft.“

ERFA-Initiative für Konstrukteure

Hinsichtlich qualifiziertem Nachwuchs hat eine ERFA-Gruppe eine Privatinitiative ergriffen: Sie hat eine (Zusatz-)Ausbildung zum Konstrukteur auf die Beine gestellt (siehe www.metallbau-konstrukteur.ch). Dieses Angebot soll nicht als Konkurrenz zur Weiterbildung über den Metallbauverband AM Suisse gesehen werden, sondern es soll dazu führen, dass mehr Konstrukteure in der Branche ausgebildet werden. Dr. Fust erläutert im Detail: „In der Metallbau-Branche fehlen immer mehr Projektleiter und Konstrukteure. Das hängt einerseits mit immer anspruchsvolleren Aufträgen zusammen, andererseits ist die Anzahl der Absolventen insgesamt nicht besonders hoch. Wir gehen davon aus, dass jedes Jahr 100 bis 200 Konstrukteure zu wenig ausgebildet werden. In kleineren Firmen kommt hinzu, dass die Ausbildung eines Lehrlings zum Metallbaukonstrukteur vom Unternehmer selbst oder seinem Technischen Büroleiter begleitet wird. Bis ein gewisses Level erreicht ist, braucht es sehr viel Zeit, die wiederum dem Betrieb an anderer Stelle fehlt. Um diesen Kreislauf zu durchbrechen, wird seit 2012 eine 24-wöchige Intensiv-Weiterbildung angeboten. Dazu haben die Unternehmen der ERFA-Gruppe die Bildungsgemeinschaft Metallbau mit Sitz in Zürich gegründet. Hier gibt es einen Grundkurs in Konstruktion, der sowohl für Konstrukteur-Azubis als auch für Metallbau-Absolventen mit abgeschlossener Lehre als Zusatzausbildung geeignet ist. Die Bildungsgemeinschaft verfügt mit Glück über einen Seminarleiter, der von der Praxis kommt und über ein sehr großes Wissen in Bezug auf Projektleitung und Konstruktion verfügt.“ Wer nach drei Monaten wieder in den Betrieb zurückkehrt, der ist in der Lage, Zeichnungen selbständig anzufertigen und kleinere Projekte zu betreuen.

Zwei Unternehmer berichten

Die Unternehmer Philipp Blaser von Blaser Metallbau aus Andelfingen und Beat Guhl von Sky-Frame aus Frauenfeld sind seit 2007 in der ERFA-Gruppe Metallbau 1 aktiv und gehören zu den Gründungsmitgliedern. Philipp Blaser berichtet: „Von Beginn an war ich überzeugt, dass es sinnvoller ist, mit den Berufskollegen statt gegen sie zu arbeiten. Wir gehen sehr offen miteinander um, das ist sogar Pflicht. Das Vertrauen innerhalb der Gruppe ist enorm und so groß, dass Betriebsdaten detailliert verglichen und Kostenstrukturen auf Optimierungspotenzial durchleuchtet werden. Wir unterstützen uns gegenseitig und in allen Bereichen. Das ist wohl der Schlüssel für den Erfolg einer ERFA-Gruppe.“ Es werden Probleme diskutiert und Lösungen vorgeschlagen. Wenn es schwierig wird, strukturiert der Gruppenleiter die Thematik, damit gemeinsam und sehr effizient Resultate erarbeitet werden können. Die professionelle Vorbereitung und Leitung der Gruppe mit Gespür für wichtige Themen wird von den Mitgliedern als besonders gewinnbringend gesehen.

Beat Guhl ergänzt: „Der Austausch von Herausforderungen und Erfahrungen im Unternehmeralltag mit Diskussion und Analyse sowie das Finden von gemeinsamen Lösungsansätzen, die dann auch umgesetzt werden – davon profitiere ich am meisten. Auf den Punkt gebracht heißt das: Ich biete Probleme an und erhalte Lösungen.“ Auch für Philipp Blaser ist der Austausch mit den gleichgesinnten Kollegen inspirierend und der Nutzen für ihn persönlich und sein Unternehmen entsprechend hoch. „Profitiert habe ich zum Beispiel von den Betriebsbesichtigungen, weil man sich Verbesserungen und Vereinfachungen abschauen kann. Abläufe und Verfahren werden diskutiert, jeder profitiert von einem Mix von den besten und einfachsten Lösungen. Auch haben wir verschiedene Aus- und Weiterbildungen für Mitarbeiter effizient organisiert. In Summe hat die Arbeit in der ERFA-Gruppe zur Verbesserung unserer Ertragssituation geführt.“

Fazit

Beide Unternehmer hoffen, dass der Geist der ERFA-Gruppe Metallbau 1 auch auf die nächste Generation übertragen werden kann. Denn, so Philipp Blaser, „der Nutzen überwiegt den Zeitaufwand bei Weitem.“ Er beschreibt das Engagement aller Teilnehmer als sehr hoch. Die Themen seien stets so interessant, dass es an den sechs Terminen pro Jahr praktisch keine Absenzen gibt. Die Arbeit im Netzwerk bringt nicht nur die Firmen weiter, „durch den intensiven Austausch sind mittlerweile Freundschaften entstanden“, freut sich Beat Guhl.

Info & Kontakte

Universität St.Gallen

KMU-HSG

Schweizerisches Institut für Klein- und Mittelunternehmen

Dufourstrasse 40 a

CH-9000 St.Gallen

Tel. +41 71 224 7100

www.kmu.unisg.ch



Sky-Frame AG

Langfeldstrasse 111

CH-8500 Frauenfeld

Tel. +41 52 724 9494

www.sky-frame.com

Blaser Metallbau AG

Industriestrasse 7

CH-8450 Andelfingen

Tel. +41 52 305 2666

www.blasermetallbau.ch

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