Neues Sälzer Kompetenzzentrum
„We never failed!“„Wir schützen Menschenleben und unsere Elemente haben bislang immer gehalten, was wir versprechen“, konstatierte Sälzer-Geschäftsführerin Doreen Krob in ihrer Eröffnungsrede. Im Grunde genommen ist das neue Kompetenzzentrum in Marburg ein freistehender Bunker, dem man die extremen Sicherheitsfunktionen wegen seiner großformatigen Glasfassaden nicht auf den ersten Blick ansieht.
Dank der Glasfassaden und transparenten Türen sind die Test- und Schulungsräume offen und lichtdurchflutet. Highlight des 430 m² großen Sicherheitstrakts ist eine Hochdruckkammer mit einem Multifunktionsprüfstand, der bis zu 200 kPA abgesichert ist. Es ist davon auszugehen, dass es die einzige Indoor-Hochdruckkammer in Europa ist. Tests für Explosionsschutz mit ähnlichen Druckwellen führt in Deutschland nur noch das PfB-Rosenheim im Außenbereich durch. Weshalb auch PfB-Geschäftsführer Matthias Demmel die Spreng-Vorführungen in der Hochdruckkammer während der Marburger Sicherheitstage leitete. Allerdings können nun bei Sälzer die Auftraggeber der Hochsicherheitselemente auch bei schlechtem und kaltem Wetter sehr komfortabel durch ein großformatiges, hochsicheres Schaufenster bei den Tests ihrer Elemente zuschauen.
Kompetenzzentrum ist Showroom
Der Neubau ist als Showroom umgesetzt; Fassaden, Türen, Fenster und Tore sind allesamt spezielle Bauelemente aus der Fertigung von Sälzer, die sich ebenfalls auf dem Gelände befindet. „Maßgabe war, dass die Sicherheitsfeatures nicht sichtbar sind“, erklärte Thomas Pregla, bei Sälzer zuständig für Engineering & Product Development. Beispielsweise ist die zweiflüglige Glas-Alu-Eingangstür als RC4-Antipaniktüre gestaltet, die nahtlos und in eine hochsichere SG-Fassade integriert wurde. Die höchste Sicherheitsklassifizierung, die in Deutschland möglich ist, bildet beispielsweise eine großformatige Glasfassade ca. 4 x 3 m als RC6-Element mit einer FB7-NS-Verglasung (2,5 t Gewicht/ca. 15.000 Euro) und aktuellen Wärmeschutzstandards (GEG) ab. Konkret: Solange nicht mehr als 500 kg Sprengstoff in weniger als 29 Meter Entfernung zu dieser Glasfassade in die Luft gehen, sind die Menschen im Kompetenzzentrum sicher. Kostenpunkt ca. 35.000 Euro.
Das Unternehmen
Seit den 1970er Jahren – anlässlich des RAF-Terrors — beschäftigt sich der Metallbaubetrieb mit Gebäudesicherheit und hat sich einige Patente für durchschuss- und sprenghemmende Bauelemente gesichert. Die inzwischen 100%ige Schüco-Tochter beschäftigt ca. 150 Mitarbeiter. Durch die Übernahme im Jahr 2018 profitieren heute die Verarbeiter des Bielefelder Systemhauses bei der Umsetzung von Gebäudehüllen, in die einzelne hochsichere Elemente integriert werden; die Bauelemente der beiden Zulieferer sind exakt aufeinander abgestimmt. Auf dem Markt agiert Sälzer zugleich wie ein Metallbaubetrieb mit Fertigung, Monteuren und einem Bereich für Servicetechnik; ca. zwei bis drei Metallbauer verarbeiten die Elemente als Lizenznehmer – darunter die Firma F.R. Hauk Stahl- und Leichtmetallbau in Berlin.
Wachsender Markt
Zunehmender Terror, Risiken durch den Klimawandel, eine höhere Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft, EU-Gesetze zur Sicherung von kritischen Anlagen – all diese Faktoren schaffen einen wachsenden Markt; es gibt immer mehr schutzbedürftige Menschen und Institutionen. Prof. Dr. Peter R. Neumann, Professor für Sicherheitsstudien am King’s College London, stellte bei den Marburger Sicherheitstagen fest: „Sicherheit hat heute eine viel zentralere Bedeutung als noch vor fünf oder zehn Jahren. Gebäudesicherheit ist u.a. dann entscheidend, wenn es um den Schutz vor Sabotageakten oder gezielten Angriffen auf kritische Infrastruktur geht.“ (siehe Beitrag Seite 10)
Als Visitenkarte kann Sälzer auf Polizeipräsidien, JVAs, Flughäfen, Banken, chemische Anlagen, Botschaften und jüdische Einrichtungen, Gebäude- und Fahrzeugschutz verweisen. Ob Sicherheitstechnik von Türen, Metallrahmen oder Glasscheiben halten, was Sälzer verspricht, wird auf dem betriebsinternen Schießstand getestet. Auf dem Firmengelände, einer ehemaligen militärischen Liegenschaft, gibt es drei Meter unter der Bodenfläche einen ballistischen Prüfstand. Die Patronen kann Sälzer nach Normvorgaben selbst herstellen. Die Herstellung, der Besitz und der Verbrauch von Hartkerngeschossen für Kriegswaffen muss dokumentiert werden und die Patronenstände müssen regelmäßig bei staatlichen Stellen wie BKA, BAFA und Bundesministerium für Wirtschaft gemeldet werden.
Mitarbeiter, die die Tests mit den firmeneigenen Schusswaffen ausführen, haben einen Waffensachkundeschein und einen Ladeschein; machbar in zwei Wochenendkursen. Bei den internen Tests handelt es sich um sogenannte Vorabprüfungen, damit dann beim zertifizierten Prüfinstitut gleich der erste offizielle Test erfolgreich absolviert werden kann. Das spart Entwicklungszeit und Kosten.
Ferner befindet sich im Firmenkeller eine Ausstellung für spezielle Sicherheitselemente im Privatkundensektor. Dort wird gezeigt, wie der Spagat zwischen Wohnlichkeit und Sicherheit versucht wird. Beispielsweise ist eine schwere Stahlinnentüre mit ca. 500 kg Gewicht zu sehen. Auf der Außenseite kommt die Wohnzimmertüre im optisch unauffälligen Holzdekor daher, wobei die dicken Türbänder verräterisch wirken; auf der Innenseite im Wohnzimmer verfügt der Privatier dann über eine Schließtechnik, die man von Schranktresoren kennt. Wer hier nicht auf dem Sofa entspannen kann, wo dann?! In einem weiteren Raum werden hochsichere Profile in Alu und Stahl mit entsprechend dicken Glasscheiben ausgestellt sowie Hafttüren für JVAs. Derlei Türen erfüllen komplexe Anforderungen, beispielsweise müssen sich die Türen je nach Bestimmung der Landesbauordnung nach einem 15-minütigen Brand regulär aufschließen lassen können, wie Michael Müller, Gesellschafter der DHBT Architekten bei den Marburger Sicherheitstagen berichtete. Er veranschlagte für eine RC4 Hafttüre einen Preis von ca. 8.000 Euro; allerdings müsse nach seinen Erfahrungen so eine Türe bereits nach vier Jahren wegen Verschleiß ausgetauscht werden – ein enormer Kostenfaktor in den Justizvollzugsanstalten. „Aktuell werden viele JVAs saniert; die Nachfrage nach Stahlhafttüren ist groß“, so Thomas Pregla.