Interview

Patrick Fus, Leiter Metaltec Suisse

„Mit ‚grünem Strom‘ ist Metall nicht mehr im Nachteil!“

Das Pendant zum Bundesverband Metall in Essen ist in der Schweiz mit Standort Zürich der Fachverband Metaltec Suisse, angesiedelt bei der AM Suisse. Patrick Fus leitet den Fachverband, bei dem über 1.100 Unternehmer der Metall-, Stahl-, Fenster- und Fassadenbranche Mitglied sind.

metallbau: In Deutschland sind die Stahlpreise wieder gesunken, allerdings immer noch doppelt so hoch wie vor der Corona-Krise, zugleich sind Stahlwerke wieder in Kurzarbeit. Wie ist die Lage in der Schweiz?

Patrick Fus: Die Stahlpreise in der Schweiz sind den europäischen gleichgesetzt. Wir befinden uns diesbezüglich im gleichen Wirtschaftskreislauf. Die Verfügbarkeit von Stahl ist zufriedenstellend. Standardprofile aus Aluminium stehen ebenfalls in ausreichender Anzahl zur Verfügung. Anders präsentiert sich die Situation bei Sonderprofilen aus Aluminium. Diesbezüglich sind die Lieferzeiten immer noch unüblich lang. Da der Krieg in der Ukraine noch länger anhalten wird, gehen wir davon aus, dass sich die Lage bis Ende des Jahres nicht grundlegend verändern wird.

 

metallbau: Mit welchen Knappheiten hat die Schweizer Branche im September zu kämpfen?

Fus: Die Gesamtwirtschaft der Schweiz ist viel weniger abhängig von Gas als Deutschland. Der Bedarf an Energie ist bei uns kleiner. Unsere Stahlindustrie ist vergleichsweise klein. Der Staat hält sich, wie allgemein gewollt, noch zurück. Die Situation ist bezüglich Strompreisentwicklung jedoch besorgniserregend und für einige energieintensive Betriebe existenzbedrohend. Hier zeigen sich erste Lösungsansätze ab, wie der Staat die Firmen unterstützen will. Die Metallbaubetriebe erarbeiten Massnahmen zum Einsparen von Energie. Die Zielgröße beträgt bei Strom 10% und bei Gas 15%. Der Verband unterstützt die Betriebe mit Checklisten, einem Energiedossier mit «Best Practice Beispielen» und individuellen Beratungen.

metallbau: Inwiefern beeinflussen allgemeine Lieferverzögerungen die Abläufe auf den Baustellen/Fertigung und in Konsequenz die Zahlungseingänge bei den Metallbauern? Sind Insolvenzen bereits ein Thema?

Fus: Die Lieferverzögerungen haben zu einer Verlangsamung geführt. Die Planung wird schwieriger. Bezüglich Zahlungseingängen ist es schwierig, eine Aussage zu machen. Die Konkurse sind im Jahr 2022 um 40% angestiegen. Welche Gründe, sei es Corona, sei es die allgemeine Teuerung, sei es der Krieg in der Ukranine, in welchen Prozentanteilen zu diesem Anstieg geführt haben, kann nicht gesagt werden.

metallbau: Corona-Krise, Klima-Krise, Ukraine-Krise — auf welche Stellschrauben sollten die Unternehmen aktuell achten?

Fus: Unserer Meinung nach sind unsere Mitgliedsbetriebe krisenresistent. Offenbar können die meisten von ihnen mit diesen Schwierigkeiten umgehen. Die Stellschrauben sind am ehesten im Bereich der Verträge mit der Teuerungsverrechnung zu suchen. Fixpreise einzugehen ist nicht mehr zeitgemäß. Auf Grund der agilen Materialpreise bedarf es der Anbindung der Preise an einen Index.

metallbau: Auf welche Themen sind Sie im vergangenen Jahr am häufigsten von den Branchenunternehmen angesprochen worden — was brennt den Unternehmern unter den Nägeln?

Fus: Nach wie vor besteht das Hauptproblem darin, unseren Berufsstand zu wahren und den Nachwuchs an Fachkräften zu sichern. Als Berufsverband nehmen wir uns dieses Themas an und arbeiten mit diversen Projekten daran, die Situation zu verbessern. Dies tun wir immer in Zusammenarbeit mit den Unternehmern. In Zeiten der Pandemie haben wir uns stark dafür engagiert, dass der Staat unsere Betriebe arbeiten lässt und die Baustellen nicht schließt. Bis auf wenige Ausnahmen ist uns dies auch gelungen. Wir unterstützen die Betriebe auch, wie diese mit der Teuerung umgehen sollen. Sei es in Seminaren oder mit Beratungen.

metallbau: Hinsichtlich welcher Unterstützung ist Metaltec Suisse im Gespräch mit der Politik — um welche Änderungen zugunsten der Branchebetriebe kämpft der Verband?

Fus: Unsere Branche bietet vor allem energieintensive Produkte an. Wenn man von außen gesehen nur diesen einen Punkt betrachtet, besteht die Gefahr, dass Substitutionsprodukten beispielsweise aus Holz der Vorzug gegeben wird. Unsere Produkte haben jedoch, wenn man die «Kreislaufwirtschaft» vollumfänglich betrachten durchaus auch Vorteile. Diese Vorteile müssen wir besser vermarkten. Wichtig ist vor allem, dass wir «grünen Strom» produzieren. Sollten wir dies «schaffen», sind unsere Produkte nicht mehr im Nachteil.

metallbau: Aktuell haben viele Betriebe in Deutschland volle Auftragsbücher, allerdings sollen Mitte nächsten Jahres die Aufträge rückläufig sein, weil die Baupreise so gestiegen sind und viele Projekte für 2023 storniert werden. Wie schätzen Sie die Schweizer Branchenkonjunktur bis Ende 2023 ein?

Fus: Die Situation in der Schweiz präsentiert sich ähnlich wie in Deutschland. Hier sind vor allem die Grundstückpreise in astronomische Höhen emporgeschnellt. Dies erklärt den starken Rückgang für den Bau von Einfamilienhäusern. Wir erwarten auch, dass die Baukonjunktur 2023 leicht rückläufig sein wird.

metallbau: In Deutschland setzen Fenster- und Fassadenbauer auf die Förderungen für energieeffiziente Sanierungen bzw. Neubauten, wie verhält sich der schweizerische Staat hinsichtlich Förderungen (Zuschüsse/Kredite) von klimaneutralen Gebäuden und energieeffizienten Sanierungen?

Fus: In der Schweiz gibt es verschiedene Förderprogramme, welche vor allem energieeffiziente Sanierungen unterstützen. Der Energieausweis ist ein Dokument, welches Daten zur Energieeffizienz und zu den anfallenden Energiekosten eines Gebäudes liefert. Im Neubau sind die Vorschriften bezüglich Energieeffizienz stark erhöht worden. So dürfen in den meisten Kantonen keine Ölheizungen mehr eingebaut werden. Ebenfalls verpflichtend müssen Photovoltaik-Anlagen gebaut werden. Für die Metallbaubranche bedeutet dies, dass die Nachfrage nach hochisolierenden Metallbauprodukten stark angestiegen ist.

metallbau: Die Krisen haben gefordert, die vorhandenen Unternehmenskapazitäten neu zu verteilen. Welche wichtigen Themen wie z.B. BIM sind deshalb etwas in den Hintergrund gerückt?

Fus: Es versteht sich von selbst, dass die Kräfte dort gebündelt werden, wo diese am meisten benötigt werden. So gesehen haben die Krisen zu einer Verlangsamung der Entwicklung der Geschäftsprozesse geführt. Aufgehalten wurden diese jedoch nicht. Wir sind zuversichtlich, dass die Betriebe unserer Branche die zukünftigen Anforderungen meistern können.

metallbau:  Inwiefern profitiert der Fachverband Metaltec Suisse davon, dass die AM Suisse mit Bernhard von Mühlenen einen einschlägigen Metall- & Stahlbauer an der Spitze hat?

Fus:  Wir sind natürlich froh, dass unser Direktor unternehmerische Wurzeln hat und mit den beiden Fachverbänden Metaltec und Agrotec bestens betraut ist. Dies vereinfacht das gegenseitige Verständnis und erleichtert die Arbeit.

Auch AM Suisse — Direktor ist Metall-/Stahlbauer

Mit Bernhard von Mühlenen als Direktor der AM Suisse ist die Metallbaubranche seit Juli 2021 im Züricher Arbeitgeber- und Branchenverband gut vertreten. Der 51-Jährige ist Metallbauer, Bauingenieur und Betriebswirtschaftler. Er besuchte die französischsprachige Handelsschule in La Neuveville. Nebenbei arbeitete er zu dieser Zeit als Hilfskraft bei einem Landmaschinenmechaniker. Es folgte die Berufslehre als Metallbauer. Danach studierte er Bauingenieurwesen an der Ingenieurschule in Burgdorf und schloss mit dem Diplom als Bauingenieur HTL ab. Später erwarb von Mühlenen das Diplom als Betriebswirtschafter NDS FH / executive MBA (eMBA) und als Sicherheitsingenieur EKAS. Zuletzt leitete er acht Jahre lang den Bereich Stahlbau der Senn AG in Oftringen. 24 Jahre lang hat er als Fachlehrer Stahlbau an der Schweizerischen Metallbautechnikerschule — SMT — in Basel doziert.

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