Vom PV-Boom profitieren
Eine Nische für MetallbauerDen boomenden PV-Markt, der Unterkonstruktionen und Befestigungssysteme braucht, besetzen im Gros Solarteure an der Schnittstelle von Mechanik und Elektrik. Und doch behaupten sich in dem Segment Metallbauer, die etwa eigene Befestigungssysteme wie Dachhaken entwickelt haben und hier bis zu 90 Prozent ihres Umsatzes erzielen. Ein kleiner Rundgang durch die Branche.
Dachhaken für PV-Anlagen so anzubringen, dass dadurch die Gewährleistungspflicht des Dachdeckers nicht erlischt, war lange schwierig. Der Grund: Um die Haken zu montieren, mussten einzelne Ziegel bearbeitet werden, was die Dichtigkeit des gesamten Gewerks mindern kann. Die Firma Varista aus Unterthingau im Allgäu hat deshalb im Herbst 2020 einen Dachhaken serienreif entwickelt, der diesen gravierenden Mangel in Verbindung mit Metall-Dachplatten vom Betrieb Marzari Technik aus Leutkirch behebt.
Bei einer typischen privaten 10-kWp-Anlage muss der Installateur, je nach Neigungswinkel des Daches und zu erwartender Schneetraglast, demnach 50 bis 80 Haken setzen. Normalerweise muss für die Montage eines Hakens jeweils der unmittelbar darüber- und der darunterliegende Dachziegel mit einem Winkelschleifer bearbeitet werden. Varista-Inhaber Walter Fleschhutz hat mit Marzari eine Lösung für den oberen Ziegel entwickelt, was allerdings eine gesamte Erneuerung des Haken-Designs erforderte. Der Industriemeister Metall hat den 20 Zentimeter langen Haken von acht auf sechs Millimeter Stärke reduziert, sowie dessen Form komplett überarbeitet. Das Ergebnis: Ein Dachhaken, der durch entfallende Flexarbeiten am Ziegel eine deutlich schnellere Montage ermöglicht.
Die Kooperation Varista & Mazari Technik
Im Jahr 2000 sei das Unternehmen in den PV-Markt eingestiegen, der von 2004 bis 2012 kontinuierlich wuchs, um nach Wegfall der Förderung bis 2014 massiv einzubrechen. Seither habe sich das PV-Segment kontinuierlich erholt und trage aktuell bei einem Jahresumsatz von 22 Millionen Euro 70 Prozent zu diesem Ergebnis bei. „Hätten wir Platz zum Erweitern und würden die Mitarbeiter finden, könnten wir unseren Ausstoß vermutlich verdoppeln,“ sagt Ringer, der seit zehn Jahren bei Marzari ist und seit gut 20 Jahren in der PV-Branche.
Aktuell produzieren die Leutkircher aus zwei Tonnen schweren Coils in unterschiedlichen Breiten auf drei Anlagen 50 verschiedene Metallplatten. Diese im Schnitt 1,2 Kilogramm schweren und acht Millimeter dicken Platinen werden unter den Dachziegeln auf die Sparren geschraubt, die die Dachhaken halten, mit denen die PV-Module befestigt werden. Top-Seller ist die „Frankfurter Pfanne“, die 2022 knapp eine Million Mal an Solarteure und Großhändler verkauf wurde. Allein für diese Metallunterlegplatte hat Mazari aktuell 300.000 Bestellungen. Zum Vergleich: Im Ein-Schicht-Betrieb können pro Tag insgesamt 21.000 Platten gestanzt, umgeformt, mit Bleilaschen versehen und verpackt werden.
Ringer: „Wir sitzen hier im Mischgebiet, weshalb unsere Anlagen nur in einer Schicht laufen dürfen.“ Für weitere Linien fehlt in der 3.500 Quadratmeter großen Halle aber der Platz und letztlich fänden sich auch keine weiteren Produktionshelfer. Der Anlagenmechaniker-Meister und Kaufmann: „Wir haben im Allgäu faktisch Vollbeschäftigung, da sind wir schon froh über unsere 18-köpfige Belegschaft.“ Seit Anfang 2020 habe Marzani die Preise um rund 30 Prozent erhöht, um Mehrkosten im Einkauf weiterzugeben. Trotz der Lieferengpässe sei die Branche sehr preissensibel, weshalb der Betrieb extrem automatisiert ist, und das Unterangebot locke neue Mitbewerber in den Markt. Die Leutkircher liefern 60 Prozent innerhalb Deutschlands aus, je 18 Prozent gehen nach Österreich und die Schweiz, der Rest entfällt auf Frankreich, Italien oder Dänemark.
Solateur Hoffmann Metallbau
Die 1955 gegründete Firma Hoffmann Metallbau in Meerbusch hat sich seit bald 20 Jahren zum Solarteur weiterentwickelt, der mit zwölf Leuten zuletzt zwei Millionen Euro Nettoumsatz mit PV-Anlagen machte. Das waren 90 Prozent des Umsatzes. Nur noch ein Zehntel entfällt demnach auf Türen und Fenster und teils unterstützt der Metallbau, dem der Handwerker stets treu geblieben ist, die PV-Sparte bei Sonderkonstruktionen, wenn es pragmatische Lösungen braucht, etwa einen Speicher im Keller wegen Hochwassergefahr 50 Zentimeter höher gesetzt werden soll oder spezielle Befestigungen an Sonderkonstruktionen für PV zu ermöglichen.
„Wir sind über eine Anfrage von Schüco vor bald 20 Jahren zur PV gekommen,“ sagt Ute Hoffmann. Die 68-jährige Mathe-Lehrerin hatte 1982 in den Betrieb eingeheiratet, während der Familienphase in der Buchhaltung ausgeholfen und als Beamtin interessenhalber die PV-Schulung besucht. In dieser saß ein befreundeter Elektriker, mit dem sie die erste PV-Anlage mit neun KW auf dem eigenen Eigenheimdach realisierte. Danach hörten die Anfragen von Freunden und Kunden, die auch eigenen Sonnenstrom produzieren wollten, nicht mehr auf.
2008 kündigte Hoffmann den Schuldienst, führte EDV ein und baute im Betrieb die PV-Sparte aus. Seit gut zehn Jahren ist der Handwerksbetrieb Kooperationspartner der Stadtwerke Neuss, die ihm Anfragen vermitteln. 2022 installierten zwei Montageteams 120 Anlagen mit gut 900 KW Gesamtleistung. Und im Büro organisiert ein vierköpfiges Team, darunter ein Techniker, ein Elektriker und ein Metallbauer, Einkauf, Beratung und Umsetzung. „Viele Kunden wollen vor allem mich in der Beratung, weil ich nicht diese Elektrikersprache spreche, sondern mehr von dem rede, was die Anlage für den Kunden und für eine Einsparung an CO2 für die Umwelt und den Geldbeutel bringt,“ lacht die Chefin.
Lagen die Vorlaufzeiten 2022 bei neun Monaten, geht es nun Richtung zehn. Und: Statt Kommissionsware wie früher geht heute alles nur noch mit Lagerhaltung. „Lange bleibt hier nichts, wenn die Komponenten vollständig sind,“ sagt Hoffmann, die die Module vor allem bei Viessmann und bei einem anderen Großhändler bestellt. Letzterer liefere bis zum Mikrowechselrichter für jedes einzelne Modul alles. 98 Prozent aller Anlagen würden mit Speicher verkauft. Das Gros bilden Privatleute mit drei bis zehn KW je Kraftwerk, die ihre Häuser nachrüsten. Vereinzelt plant und installiert Hoffmann Metallbau Anlagen bis 100 KW, etwa für Lebensmittelhändler, Autohäuser und kleinere Betriebe.
Tipp für Metallbaukollegen
Was Hoffmann anderen Metallbauern empfiehlt? „Man muss schon ein bisschen verrückt sein für dieses Geschäft“, sagt sie. „Ihr stifte es aber hohe persönliche Zufriedenheit, die Kunden seien glücklich und die Dienstleistung passt sehr gut in diese Zeit.“ Das Business sei nahezu selbsterklärend, leiste einen Beitrag zum Klimaschutz und die Aussichten seien glänzend, wenn mit E-Mobilität und Haustechnik weitere Sektoren zeitnah CO2-frei werden müssen. Ihr Problem sei, für sich eine Nachfolgerin zu finden.