Walter Heinrichs, Unternehmer
„Für kleine Metallbaubetriebe läuft es gut!“Metallbaumeister Walter Heinrichs führt einen Betrieb in Simmerath, erstellt als ö.b.u.v. Sachverständiger für das Metallbauerhandwerk Schadensgutachten und leitet die Deutsche Metallbau Akademie. Wegen seines umfassenden Einblicks in die Branche haben wir ihn während der Treppenbautage bei Würth in Künzelsau zum Interview getroffen.
metallbau: Herr Heinrichs, Sie sind Sachverständiger…
Heinrichs: Ja, mit der Erstellung von Gutachten verbringe ich etwa die Hälfte meiner Zeit. Gestritten wird heute so viel wie nie zu vor, mit den Nachfragen könnte ich mich gut und gerne Vollzeit auslasten. Aber unsere handwerklichen Leistungen im Betrieb sind sehr gefragt, private Kunden suchen händeringend Handwerker – in diesem Segment ist noch Geld vorhanden und für uns ist die Preisgestaltung viel offener als früher. Diese Situation spielt Kleinstbetrieben in die Karten.
metallbau: Wie erklären Sie sich die wachsende Streitlust der Baubeteiligten?
Heinrichs: Diese Entwicklung zeigt sich, seit im Jahr 2022 die Baupreise angezogen haben. Die Akzeptanz von Fehlern schwindet mit ständiger Teuerung. Und dann kommt den Kunden das Widerrufsrecht zupass, das es ihnen erleichtert, aus bereits geschlossenen Verträgen und nach Start der Auftragsarbeit wieder auszusteigen.
metallbau: Sie waren gutachterlich mit den Schäden der Juli-Flut 2021 im Ahrtal beschäftigt?
Heinrichs: Ja, damals hatte ich sehr viel als Sachverständiger in Eschweiler und Schleiden zu tun. Es war schnelle Expertise gefragt, damit die Versicherungen möglichst schnell ihre Zahlungen geleistet haben.
metallbau: Halten Sie neue, klimaresiliente Bauelemente für Gebäude in Gegenden wie dem Ahrtal für eine Lösung?
Heinrichs: Fenster oder Eingangstüren, die bei Hochwasser dichthalten sollen, brauchen ein völlig anderes Beschlagssystem – das wird teuer. Ich glaube nicht, dass es sich bei dem Bedarf um mehr als um einen Nischenmarkt handelt. Wenn Wohneigentümer durch ein Extremwetter geschädigt werden, verstehen sie das meist als Jahrhundertereignis. Befürchten sie ernsthaft, dass sie so ein Unwetter nochmal erleben müssen, dann suchen sie sich einen anderen Wohnstandort. Üblich ist, für ein eventuelles zweites Mal eine entsprechende Versicherung abzuschließen. Meiner Ansicht nach ist das Thema momentan ein Hype.
metallbau: … und dann leiten Sie noch eine Akademie für Sachverständige?
Heinrichs: Auch das, aber die Anfragen an die Akademie haben während Corona stark nachgelassen. Ich lege Wert auf Seminare in Präsenz und habe erst kürzlich wieder die Website nach einem Hackerangriff mit Totalschaden an den Start gebracht. Nächstes Jahr werde ich die Seminarangebote für die Sachverständigen des Metallbauerhandwerks wieder forcieren.
metallbau: Nun nochmal zurück zu Ihnen als Unternehmer. Ist Ihr Betrieb krisenfest, Herr Heinrichs?
Heinrichs: Ich habe seit 2021 meinen Betrieb in Simmerath von zehn Mitarbeitern auf vier verkleinert – sozusagen gesundgeschrumpft. Zunächst wollte ich durch den Kauf anderer Betriebe mein Unternehmen erweitern, aber die Versuche sind immer an zu unterschiedlichen Preisvorstellungen gescheitert.
metallbau: Welche Entwicklung werden wohl die großen Metallbauunternehmen bei der rückläufigen Konjunktur machen?
Heinrichs: Aktuell haben vor allem die Betriebe Probleme, die in große Objekte involviert sind; sie müssen sich neu aufstellen. Nächstes Jahr läuft in punkto Aufträge vielleicht noch das erste Halbjahr, dann werden wir sehen, wohin die Reise geht. Prinzipiell werden die größeren Betriebe im Laufe der schwachen Konjunktur kleiner, die kleinsten Betriebe bis zehn Mitarbeiter haben weiter einen goldenen Boden.
metallbau: Wie sollten sich Betriebe jetzt aufstellen?
Heinrichs: Zuerst geht es um einen Stopp der Investitionen – kein Kauf mehr von neuen Maschinen, bis wieder Sicherheit in großen Objekten besteht. Im zweiten Schritt wird man sich konjunkturbedingt von Mitarbeitern trennen. Eine kleinere Belegschaft beschert dem Unternehmer wieder einen ruhigen Schlaf. Allerdings muss bei weniger Personal auf flexiblere Liefertermine geachtet werden, sonst holen einen die Maßnahmen in anderen Geschäftsbereichen wieder ein.
metallbau: Viele setzen auf Zuwachs bei Sanierungen, wie schätzen Sie diesen Markt ein?
Heinrichs: Ich glaube nicht, dass die Fördermaßnahmen für die Sanierung kurzfristig in Fluss kommen und das wird die Konjunktur für Maßnahmen im Bestand bremsen.
metallbau: Ist die schwache Konjunktur für den Metallbau bereits spürbar?
Heinrichs: Ich will nichts schwarzmalen, aber eine gewisse Krise ist im Metallbau angekommen – vor allem für Betriebe, die größere Wohnbauprojekte umsetzen. Wegen der schwierigeren Finanzierungslage ist inzwischen schon das eine oder andere bereits beauftragte Projekt eingestellt worden. Im Neubau ist unsere Branche ebenfalls mit rückläufiger Tendenz konfrontiert. Eine steigende Nachfrage gibt es vor allem im privaten Kundensegment für Bestandsbauten.
metallbau: Wie spielt die Krise mit dem Fachkräftemangel zusammen – wird es in der Branche Entlassungen geben?
Heinrichs: Natürlich stehen Entlassungen im Raum. Unternehmer werden sich von Mitarbeitern trennen, die nur mitgelaufen sind. Fachkräfte bleiben und sind weiterhin gesucht. Leider sind die Fachkräfte meist im vorgerückten Alter und Nachwuchs zu rekrutieren ist weiter schwierig.
metallbau: Was macht eine Fachkraft aus?
Heinrichs: Eine Fachkraft arbeitet selbständig. Etwa auf der Baustelle – da passt ja nie etwas; eine Fachkraft übernimmt vor Ort Verantwortung und entscheidet, mit welchen Maßnahmen die Herausforderungen dort fachlich zu bewerkstelligen sind. Wenn sie die Baustelle verlässt, sind alle Aufgaben erledigt.
metallbau: Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass die Mitarbeiter nicht mehr verantwortungswillig sind?
Heinrichs: Meiner Ansicht nach ist das meistens eine Frage der Persönlichkeitsentwicklung. Früher wurden Azubis vom Lehrmeister und dem Umfeld zuhause geformt. Das hat einen persönlich weitergebracht. Aber wenn ich mir jetzt zum Beispiel die Bundesjugendspiele anschaue, bei denen es nicht darum gehen soll, zu gewinnen … – was wird denn, wenn in einem Land keiner mehr gewinnen will. Die Jugendlichen verinnerlichen solche Erfahrungen mental und verhalten sich im Unternehmen genauso. Irgendwer wird das schon machen, heißt dann die Devise.
metallbau: Von Work-Life-Balance halten Sie nicht so viel?!
Heinrichs: Nein, eine Fachkraft hat einen Willen zur Leistung. Oft krankt es doch schon im Elternhaus, wo es heute vielfach keine Werte mehr gibt. Werte haben sich inzwischen so verschoben, dass die Haltung der jungen Menschen nicht mehr so gut mit den Anforderungen im Handwerk zusammengeht. Aber wenn es keine Handwerker mehr gibt, liegt die Nation am Boden.
metallbau: Liegt der Fachkräftemangel nicht teils am Tariflohn für Metallbauer, von dem ein bescheidenes Leben gut möglich ist, der aber im Rentenalter definitiv finanzielle Probleme mit sich bringt? Für viele ist der Ausweg die Weiterbildung zum Techniker oder Meister, aber Unternehmer bemängeln ja vor allem fehlende Gesellen!
Heinrichs: Ja, das ist vernünftig, sich weiterzubilden, wenn jemand im Alter für sich sorgen möchte. Aber inzwischen bestehen selbst unsere Gesellen auf Work-Life-Balance.
metallbau: Aber ein Bürger, der als Metallbauer seinen Lebensunterhalt verdient, ist doch ein integrer Mensch. Für so jemanden sollte doch seine Altersvorsorge keine Frage sein!
Heinrichs: Ja. Ich glaube aber nicht, dass es noch Unternehmer gibt, die ihre guten Metallbauer nicht übertariflich zahlen. Diese Mitarbeiter haben dann ein monatliches Bruttogehalt bis zu 4.500 Euro, müssen aber einen hohen Steuerbetrag an den Staat abgeben. Das führt zum Verdruss und zum Werteverlust. Hier sind Maßnahmen vom Staat gefragt.
metallbau: Aus diesem Blickwinkel hat die Scheu vor dem Handwerk ja nur wenig inhaltlich mit dem Handwerk zu tun – insbesondere wenn dank Digitalisierung und Automatisierung sich körperliche Belastungen reduzieren.
Heinrichs: Wenn Leute sagen, ich lege mich für meinen Betrieb nicht krumm, hat das häufig gar nichts mit dem Handwerk zu tun, sondern vielmehr mit der steuerlichen Situation und mit dem Verdruss über die Ausgabenentscheidungen der Politiker.
metallbau: Sehen Sie Licht am Ende des Tunnels?
Heinrichs: Wir brauchen dringend eine andere Politik, auch eine andere inhaltliche Förderpolitik – dass die Subventionen wieder fließen, das allein ist nicht die Lösung.
metallbau: Nun zur Nachhaltigkeit. Welche Absatzchancen sehen Sie für nachhaltigere Materialien wie „Grünen Stahl“?
Heinrichs: Aktuell lässt sich beim Kauf von Stahl noch nicht nachvollziehen, ob es sich um „Grünen Stahl“ handelt. Ich bin mir nicht sicher, wenn die Transparenz gegeben ist, ob sich „Grüner Stahl“ dann durchsetzt. Für Stahlobjekte werden meist mehrere Tonnen gebraucht, sodass selbst kleine Teuerungen schnell zu Buche schlagen. Wenn der Einsatz nicht staatlich gefördert wird, sehe ich dafür nicht wirklich relevante Absatzchancen. Ein Privatkunde, der seine Gartentüre aus „Grünem Stahl“ bauen lässt – das ist etwas anderes, solche Leistungen sind bezahlbar.
metallbau: Meinen Sie, dass Alufenster im sozialen Wohnungsbau Verwendung finden könnten?
Heinrichs: Vom Material her gibt es nichts Besseres, aber aufgrund der Kosten werden bislang vor allem Kunststofffenster eingebaut. Fordern öffentliche Auftraggeber jedoch eine nachhaltige Bauweise und liegen entsprechende EPDs für Aluminiumfenster vor, haben auch wir Metallbauer Chancen im sozialen Wohnungsbau. Geländer, Treppen, Balkone, Aufzüge oder Vordächer u.a. werden für dieses Segment bereits rege nachgefragt.