Veranstaltung

Brandschutztagung Düsseldorf

Irritationen durch EN-Normenstau, MBO & MVV TB

Das für Europa geplante vereinfachte Normenverständnis, zu dem die Harmonisierung der EN-Normen und die Einführung der EU-Bauproduktenverordnung (BauPVO) beitragen sollen, funktioniert realiter nicht so wie geplant. Was das Thema Brandschutz betrifft, referierten darüber Thomas Krause-Czeranka und Andreas Matschi.

Über Aktuelles zum Bauproduktenrecht referierte bei der Düsseldorfer Brandschutztagung Thomas Krause-Czeranka vom Materialprüfungsamt NRW in Erwitte. Das Mitglied im Prüfungsausschuss für öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige (Brandschutz) bei der Ingenieurkammer-Bau NRW und Mitglied im Normungsausschuss NA 005-52-04 AA (DIN 4102-4) stellte fest: Seit Anfang 2019 gibt es einen Normungs-/Reformstau; im Official Journal of the European Union wurde nur eine hEN veröffentlicht. Krause-Czeranka monierte: „Der Prozess ist zu langsam, um mit den Entwicklungen in der Branche Schritt zu halten. Aus dieser Situation resultieren Standards, die möglicherweise nicht marktrelevant sind und die regulatorischen Anforderungen der Mitgliedstaaten nicht erfüllen.“ Durch den Normungsstau wird das zur CE-Kennzeichnung alternative Normungssystem mit EAD bzw. ETAG überstrapaziert.

Sogenannte Normungslücken ergeben sich, wenn beispielsweise die Normen den Anforderungen der BauPVO widersprechen, den Geltungsbereich des Normungsauftrags überschreiten oder sich wegen des unterschiedlichen Ansatzes von Bauproduktenrichtlinie und BauPVO auftun. Diese Lücken schließen die Mitgliedsländer durch zusätzliche Anforderungen an Bauprodukte. Der Lückenschluss wird derzeit über freiwillige Herstellerangaben geregelt. Deren Korrektheit soll über Technische Dokumentationen sichergestellt werden. Die Technische Dokumentation wird in der Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) D3 beschrieben. Mit der Prioritätenliste existiert eine Auflistung der wesentlichen defizitären Normen mit Benennung der Lücke und Hinweisen zum möglichen Lückenschluss (www.dibt.de/de/service/listen-und-verzeichnisse).

Dass die BauPVO überarbeitet werden musste, daran bestand kein Zweifel. Seit 30.3.2022 liegt der Entwurf vor. Aber auch das weitere Prozedere mit der neuen BauPVO wird Verwirrung stiften. Denn vor 2025 wird diese nicht in Kraft treten, wie die Europäische Kommission schätzt. Die Ablösung der derzeitigen BauPVO sieht der Entwurf erst für das Jahr 2045 vor. Als eine der wesentlichen Änderungen nennt Krause-Czeranka die Einführung der Konformitätserklärung für weitere Produkteigenschaften (z.B. Produktsicherheit); diese soll künftig zusätzlich zur Leistungserklärung ausgewiesen werden. Ferner berücksichtigt die neue Fassung wesentliche Punkte zu Klima, Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft und Ressourcen. Und schlussendlich geht es um eine Überarbeitung des Anwendungsbereichs der BauPVO.

Die Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB 2023/1) greift die Grundanforderungen an Bauwerke der europäischen Bauproduktenverordnung (BauPVO) auf. Einmal jährlich wird der Entwurf einer MVV TB vom DIBt und der Bauminister-Konferenz Kammern, Verbänden, Herstellern, PÜZ-Stellen etc. in einem nationalen Anhörungsverfahren vorgelegt. Nach ca. 4–8 Wochen schließt sich das Notifizierungsverfahren der Europäischen Kommission an, nach einer Stillhaltefrist von mindestens drei Monaten wird die MVV TB vom DIBt veröffentlicht. Dann ist es Sache der Länder, diese in Landesrecht zu überführen. Die Umsetzung dauert unterschiedlich lang. So gilt derzeit in Sachsen noch die MVV TB 2019/1, in vielen anderen Bundesländern die MVV TB 2021/1 und in Mecklenburg-Vorpommern, Bremen und Brandenburg bereits die MVV TB 2023/1 (-> Stand der Umsetzung in den Bundesländern) Das sorgt unter den Baubeteiligten für Verwirrung, ist sich Krause-Czeranka sicher. Die wesentlichen Änderungen der MVV TB für Brandschutz seit 2017 finden Sie im Schaubild auf S. 18 beschrieben.

Verwendung von EN-Normen in MVV TB geregelt

Die MVV TB, die regulär jedes Jahr überarbeitet wird und dann von den Bundesländern mit mehr oder weniger zeitlichem Aufschub in die jeweilige Landesbauordnung übernommen wird, unterscheidet in ihrer jüngsten Fassung (2023/1 steht zum Download unter www.metallbau-magazin.de) die Verwendung mit den nationalen Klassen von harmonisierten Klassen und Bezeichnungen für Feuer- und/oder Rauchschutzabschlüsse. Insbesondere bei den Innentüren, für die keine harmonisierte Produktnorm vorliegt und für die deshalb die DIN EN 16034 nicht greift, kann das in der Handhabung zu Irritationen führen. Darauf machte Andreas Matschi in seinem Vortrag aufmerksam. Er referierte zum Status quo der CE-Kennzeichnung von Türen, Toren und Fenstern mit Feuer- und/oder Rauchschutzeigenschaften. Mit Ende der Koexistenzperiode zum November 2019 müssen diese Produkte nach DIN EN 16034 CE-gekennzeichnet sein. Bei Fenstern, Toren und Außentüren ist die CE-Kennzeichnung unstrittig. So muss auf jedem Element, zusätzlich zur Leistungserklärung und CE-Kennzeichnung, eine leicht lesbare CE-Kennzeichnung (z.B. Aufkleber) mit folgenden Angaben angebracht sein: Herstellerdaten/QR-Code, Produkttyp und/oder -bezeichnung; Serien- bzw. Referenznummer des Produkts sowie Feuerwiderstand- und/oder Klassifizierung der Selbstschließung.

Für Innentüren ist keine CE-Kennzeichnung möglich, da die DIN EN 16034 immer nur in Verbindung mit der Basisproduktnorm gelten kann. Die Produktnorm DIN EN 14351-2:2019-01 für Innentüren ist zwar veröffentlicht, jedoch nicht harmonisiert und kann somit nicht zur CE-Kennzeichnung verwendet werden. Matschi informierte: „Für Stahlblechtüren und Stahl-Rohrrahmen-Türen wurden jedoch zwischenzeitlich gemäß EAD Nr. 020029-00-1102 bzw. EAD Nr. 020062-00-1102 ETAs (European Technical Assessment/Europäische Technische Bewertung) erteilt, sodass diese Innentüren gemäß entsprechender ETA, CE-gekennzeichnet in Verkehr gebracht werden können.“ Weitere EADs sind in Erarbeitung, so dass auch für Innentüren mit Feuer- und/oder Rauchschutzeigenschaften aus anderen Werkstoffen als Stahl, ETAs zu erwarten sind.“

Ferner ist keine CE-Kennzeichnung für kraftbetätigte Türen möglich; die EN 16361 noch nicht im Amtsblatt der Europäischen Union gelistet. Matschi weist darauf hin, dass diese Produkte auch nicht CE-gekennzeichnet werden dürfen, wenn es fälschlicherweise in der Ausschreibung gefordert wird. Produkte mit Feuer- und/oder Rauchschutzeigenschaften, für die eine CE-Kennzeichnung nicht möglich ist, brauchen als Feuerschlussabschluss T eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (AbZ) vom DIBt und als Rauchschutzabschluss RS ein allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis (AbP) von einer anerkannten Prüfstelle.

Da für die Verwendung die Klassen und Bezeichnungen nach der MVV TB 2023/1 zu führen sind, werden zum Teil bereits die Produkte – auch die Innentüren – mit den harmonisierten Kürzeln gehandelt. Über diese Irritation hinaus sorgt unter den Planern und Verarbeitern die MBO für Unklarheiten, die den Bundesländern ermöglicht, dass dort unterschiedliche Fassungen der MVV TB gültig sind.

Vortrag Andreas Matschi

Wie Krause-Czeranka wies auch Matschi auf Irritationen hin,  dadurch bedingt, dass in den Bundesländern unterschiedliche Ausgaben der MVV TB gelten: Während in Sachsen beispielsweise noch die MVV TB 2019/1 gilt, ist in Hamburg die MVV TB 2021/1 gültig und in Bremen die jüngste Ausgabe MVV TB 2023/1. „Diese unterschiedliche Handhabe beschert eher Chaos als Überblick“, konstatierte der bayerische Brandschutzexperte mit eigenem Sachverständigenbüro.

Zur Erfüllung der Bauwerksanforderungen von Feuer- und Rauchschutzabschlüssen nach Verwendbarkeitsnachweisen gemäß § 17 MBO sind die mindestens erforderlichen Klassen und Bezeichnungen den Abschnitten 5.1.1 und 5.1.2 der jüngsten MVV TB 2023/1 zu entnehmen. Die europäischen Klassen hingegen sind dem Abschnitt 5.1.4 der MVV TB zu entnehmen. Es ergeben sich folgende Beispiele für künftige Klassifizierungen:

T30-1 Tür  =  EI230-Sa-C5  oder  T30-1 RS Tür  =  EI230-S200-C5

Die Kürzel der Klassifizierungskriterien sind in der MVV TB in der Anlage zu Anhang 4 aufgeführt  (siehe Tabelle unter www.metallbau-magazin.de). Gemäß Produktnorm EN 16034 können maximal sieben Merkmalen/Eigenschaften deklaliert werden:

1. Feuerwiderstand (E/EW/EI1/EI2) mit Feuerwiderstandsklassen. Das Spektrum reicht in den EU-Mitgliedstaaten von E15 bis EI2 240, je nach Vorgabe nationaler baulicher Anforderungen.

2. Rauchschutz (Sa/S200). Das europäische Klassifizierungsverfahren unterscheidet die Klassen Sa (bei Raumtemperatur) und S200 (Rauch bei erhöhter Temperatur von 200°C).

3. Selbstschließung (C)

4. Die Dauerhaftigkeit der Selbstschließung gegen Qualitätsverlust wird in sechs Nutzungskategorien 0 bis 5 angegeben (Schließzyklen von >1 bis 200.000).

5. Die Dauerhaftigkeit der Selbstschließung gegen Alterung wird mit „erzielt“ angegeben. Das Kriterium Alterung bezieht sich auf zu verwendende Beschläge mit einer definierten Korrosionsbeständigkeit.

6. Die Fähigkeit zur Freigabe wird mit „freigegeben“ deklariert. Diese Eigenschaft wird angegeben, sollte der FSA oder RSA eine Feststellvorrichtung haben.

7. Dauerhaftigkeit der Fähigkeit zur Freigabe wird mit „Freigabe aufrechterhalten“ beschrieben und, wenn elektrisch betriebene Feststellvorrichtungen gemäß EN 1155 bzw. EN 14637 verwendet werden, bei Bedarf angegeben werden.

Matschi verwies in seinem Vortrag explizit auf die besonderen Verwendungs- und Ausführungsbestimmungen europäisch harmonisierter Bauprodukte gemäß aktueller MVV TB. So bestehen z. B. im Anhang 4 der MVV TB in den Kapiteln 5.1.6 und 5.5.3 umfassende Verwendungs- und Ausführungsbestimmungen, die bei Planung, Bemessung und Ausführung von europäisch harmonisierten Bauprodukten, wie den Innentüren, Außentüren und Toren mit Feuer- und/oder Rauchschutzeigenschaften, für die Verwendung/Anwendung in Deutschland berücksichtigt werden müssen. Diese Regelungen müssen Architekten, Fachplaner usw. bei Planung und Bemessung einhalten, wie auch Verarbeiter, Monteure, Errichter, Wartungsunternehmen usw. kennen und bei der Ausführung berücksichtigen.

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