Gassert

Der Preis der Nachhaltigkeit

„Der politische Druck wird der wichtigste Faktor sein, um wirklich nachhaltig zu bauen.“ Das sagt Matthias Kunze, geschäftsführender Gesellschafter der Firma Gassert. Er ist der Meinung, dass nur konkrete Quoten dazu führen werden, dass der Gedanke der Kreislaufwirtschaft – zumindest in Bezug auf Aluminium – in größerem Maßstab umgesetzt werden wird. Der Türenspezialist arbeitet ausschließlich mit Profilen von Wicona, die zu mindestens 75 % aus recyceltem Aluminium bestehen.

Seit das Systemhaus Wicona 2019 Hydro Circal 75R in den Markt eingeführt hat, gehört der Türenspezialist aus Schriesheim an der Bergstraße im Rhein-Neckar-Kreis zu den Verarbeitern. Für seine Türen und Fenster verwendet das Unternehmen das Aluminium, das zu mindestens 75 % aus recyceltem End-of-Life-Material bzw. Aluminiumschrott besteht. Wicona wirbt für seine Aluminiumlegierung damit, dass sie einen sehr niedrigen CO2-Fußabdruck besitzt, nämlich 1,9 kg CO2/kg Aluminium. Seinen Kunden stellt es jährlich ein Zertifikat aus, das die CO2-Ersparnis belegt. Basis für die Berechnung ist die Tonnage an Aluminium-Profilen, die das Unternehmen bestellt. Die Zertifikate wiederum nutzt Gassert für das Marketing auf seinen Social-Media-Kanälen (#teamgassert). Auf LinkedIn postet der Türenexperte immer wieder den Beleg, dass die Firma seit 2021 153 Tonnen CO2 eingespart habe.

„Für uns ist der grüne Fußabdruck und die Nachhaltigkeit beim Bauen ein großes Thema“, sagt  Matthias Kunze, geschäftsführender Gesellschafter. „Generell ist es für ein Metallbauunternehmen eher schwierig, hier ein Zeichen zu setzen und etwas zu verändern.“ Spezialisiert hat sich Gassert auf Brandschutztüren mit elektrischem Antrieb, wie man sie in den Fluren öffentlicher Gebäude findet. Und zu 90 Prozent bestehen diese aus Aluminium. „Mit Wicona haben wir einen zuverlässigen und tollen Partner und möchten das auch dementsprechend kommunizieren, dass wir hier gemeinsam aktiv sind“, so Kunze.

Schon seit mehr als zehn Jahren arbeiten Gassert und Wicona zusammen. Der Metallbauer war einer der ersten, der das „Vorreiter sucht Mitstreiter“-Konzept von Beginn an aktiv begleitet hat. Auch Olaf Müller, Vertriebsleiter Hydro Building Systems Germany, unterstreicht, dass man die Zusammenarbeit sehr schätze: „Genau wie Wicona hat die Geschäftsführung um die Geschwister Kathrin und Matthias Kunze die Wichtigkeit des Themas Nachhaltigkeit früh erkannt und den Kreislaufgedanken ‚aufgesaugt‘. So arbeiten wir kontinuierlich partnerschaftlich zusammen.“ Das Interview mit Müller lesen Sie Seite 46.

Wicona gehört als Marke Hydro Building Systems und zur norwegischen Hydro Group. Das Systemhaus bietet eigentlich auch eine Aluminiumlegierung an, die zu 100 % aus recyceltem End-of-Life-Aluminium besteht und eine noch niedrigere CO2-Bilanz von weniger als 0,5 kg CO2/kg Aluminium aufweist. Dieses Hydro Circal 100R hat die Firma Gassert bislang noch nicht verarbeitet. Das liegt laut Kunze am höheren Preis.

Preis schlägt Nachhaltigkeit

Von 75 % auf 100 % ist gleich 20 % mehr. Heißt: Das Aluminium aus 100 % Recyclingmaterial ist 20 % teurer als das Hydro Circal 75R. „Momentan sind die Auftraggeber nicht bereit, diesen Mehrpreis zu bezahlen“, so Kunze. Auch aus der Tatsache, dass die Firma ausschließlich auf das zu 75 % recycelte Material setze, kann der Handwerksbetrieb keinen Marktvorteil generieren. Noch nicht. „Die Tatsache, dass wir recyceltes Aluminium verwenden, ist aktuell kein Verkaufsargument“, betont Kunze, „weil am Ende des Tages immer noch der Preis im Vordergrund steht.“

Viele Architekten und Investoren seien zwar auf das Thema aufmerksam geworden und signalisierten Interesse, aber momentan spiele es für den Erhalt eines Auftrags keine Rolle, dass sie Profile aus recyceltem Aluminium einsetzen. Es kommt durchaus vor, dass der Hersteller einen Auftrag nicht erhält, weil er ausschließlich das recycelte Aluminium nutzt und ein anderer Anbieter den Preis unterbietet. Warum die Verwendung des nachhaltigen Aluminiums keinen Marktvorteil generiert?  „Der politische Druck ist einfach noch zu niedrig!“, kritisiert der geschäftsführende Gesellschafter.

Politischer Druck fehlt

Im Markt sei das Thema angekommen – auch dank der Marketingmaterialien und nicht zuletzt eben durch die Urkunde, die jedes Jahr die CO2-Ersparnis dokumentiert. Kunze wird seit letztem Jahr immer öfter darauf angesprochen, erzählt er, aber es schwingt ein großes „Aber“ mit. Seine Erfahrung ist: „Jeder findet es gut und jeder sagt, wie wichtig das Thema ist, aber es wird bei weitem noch nicht so umgesetzt, wie man sich das wünschen würde.“ Das liege eben auch an den gestiegenen Baukosten. Kunze ist überzeugt, dass es in Sachen Nachhaltigkeit erst dann Fortschritte geben wird, wenn die gesetzlichen Rahmenbedingungen gesteckt werden. Gerade was die Ausschreibungskriterien angeht, liege noch viel im Argen. Ein Beispiel: Öffentliche Stellen müssen produktneutral ausschreiben, was Kunze als eines der Hauptprobleme empfindet. Denn das bedeutet, es darf in der Ausschreibung zum Beispiel nicht explizit gefordert werden, dass recycelte Profile von Wicona zum Einsatz kommen.

Kunze wünscht sich klare gesetzliche Vorgaben, „so und so viel Prozent muss bei einem Neubau aus recyceltem Material stammen“. Der momentane Stand ist, dass das Bundesumweltministerium im Juli den Entwurf der Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS) zur öffentlichen Stellungnahme veröffentlicht hat. Dieser beschreibt die Vision für eine Circular Economy, wie sie bis 2045 realisiert werden soll, und beinhaltet zum Beispiel die Vorgabe, dass der Einsatz von schadstoffarmen Rezyklaten, d.h. aus Abfällen zurückgewonnenen Sekundärmaterialien, bei der Herstellung neuer Produkte der Standard sein soll.

Matthias Kunze ist der Meinung, dass gesetzliche Vorgaben der wichtigste Hebel sind, um die Nachhaltigkeit im Bausektor zu erhöhen. Zwar gibt es inzwischen immer mehr Vorzeigeprojekte und Investoren legen Wert darauf, ihre Immobilien nach den Nachhaltigkeits-Kriterien der DGNB zu errichten. Auch dank der EU-Taxonomie ist der Bausektor in Bewegung. Allerdings liegt es immer noch am Architekten oder am Bauherren, wie stark der Kreislaufwirtschaftsgedanke umgesetzt wird oder ob sie nach ESG-Kriterien bauen. Auch kritisiert Kunze, dass die öffentliche Hand keine Vorbildfunktion übernehme. Sollte das NKWS im Kabinett beschlossen werden, soll „die Wiederverwendung von Bauteilen und die Verwendung von Recycling-Baustoffen in Baumaßnahmen der öffentlichen Hand stärkere Berücksichtigung finden.“

Nachhaltigkeit auf die Fahne geschrieben

„Es liegt gewiss am Engagement unserer Generation, dass wir uns die Nachhaltigkeit auf die Fahne schreiben“, so Kunze. Er führt das Unternehmen, das von seinem Großvater 1958 gegründet wurde, mit seiner Schwester Kathrin. Beide sind zuversichtlich und davon überzeugt, auf dem richtigen Weg zu sein. In naher Zukunft, sprich vielleicht nächstes Jahr schon, wird die Verwendung von recyceltem Aluminium ausschlaggebend sein, um den Auftrag zu bekommen. Mit der Einschränkung, dass preislich beides ungefähr gleichauf liege.

Gassert sieht sich durchaus als Vorreiter und in der Pflicht, seine Partner zu sensibilisieren und weiterhin darüber zu kommunizieren, wie sich durch den Einsatz von recyceltem Aluminium etwas Positives für die Zukunft und die nachfolgenden Generationen beitragen lässt. Stolz ist er auf ein Projekt, bei dem seine nachhaltigen Profile dort verbaut werden, wo die nächste Generation zur Schule geht. Direkt „vor ihrer Haustür“ in Schriesheim war der Metallbauer bei der Sanierung des Kurpfalz-Gymnasiums involviert. Die Schule wurde kernsaniert, während der Unterricht weiterlief. 40 Brandschutzelemente hat das Unternehmen dort montiert.

Kunze ist sicher, dass das Thema in den kommenden Jahren den Markt durchdringen wird und steht damit nicht alleine da. Das Beratungsunternehmen PricewaterhouseCoopers bescheinigt all jenen, die es schaffen, ihr Geschäftsmodell auf Basis der Circular Economy zu etablieren, dass sie die Gewinner von morgen sein werden. Denn „die Kreislaufwirtschaft wird zur neuen Normalität“ werden, sagt jedenfalls Hendrik Fink, Leiter Sustainability Services bei PwC Deutschland. Kunze betont: „Jeder muss in seinem Rahmen Verantwortung tragen und übernehmen.“ In diesem Sinne zögen beide Partner – Wicona und Gassert – an einem Strang und sehen es als gemeinsame Aufgabe an, „dies in den Markt zu ‚brüllen‘, damit es wirklich jeder mitbekommt.“

www.gassert-design.de

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