Marktpotenzial Smart Home

„Alexa, fahr‘ mal die Markise aus!“

Vom Sofa aufstehen, auf den Schalter an der Wand drücken und die Markise fährt aus: das war vorgestern. Heute zücken Eigenheimbesitzer ihr Handy und steuern den Rollladen per App oder rufen nach Alexa. Noch smarter ist es, wenn man seinen Sonnenschutz oder die Heizung aus der Ferne steuern kann oder die Markise selbst „weiß“, wann sie einfahren muss, weil ein Sturm im Anzug ist. Wir haben Metallbauer gefragt, wie sie ihre Kunden für ein intelligentes Zuhause unterstützen.

Für so manchen Eigenheimbesitzer ist es schon „smart“, wenn er oder sie die Markise mit dem Handsender bedient. So richtig smart wird es allerdings erst, wenn die Besitzer die vorhandenen Sonnenschutzsysteme, die Lüftung oder Beleuchtung per App steuern, auch dann, wenn sie im Urlaub sind. Es gibt vielfältige Varianten des Smart Home. „Die Ausstattung mit Funkmotoren ist der Einstieg in die Smart-Home-Technik“, sagt Jörg Pieper, Inhaber von Pieper Profilbau aus Herne. Sein Rat an Kunden lautet: „Wachsen Sie mit der Anlage.“ Es mache keinen Sinn, gleich mit einer Allround-Lösung einzusteigen. Das würde viele überfordern.

Auch für die Kunden der Firma Tor-+Sonnenschutztechnik Nickl-bauer in Kirchheim bei München führt der erste Schritt hin zum Smart Home über funkgesteuerte Markisen, Rollläden und Raffstores. Geschäftsführer Tim Lindenhahn: „Zu 95 Prozent bauen wir bei der Installation von unseren Sonnenschutzprodukten Funkmotoren ein. Somit sind sie smart-home-ready und unsere Kunden haben später immer die Möglichkeit, nachzurüsten.“ Voraussetzung ist eine Smart-Home-Hardware, die mit den Antrieben „sprechen“ kann und weiß, in welcher Position der Rollladen sich befindet oder ob die Markise oder das Lamellendach ganz ausgefahren ist. Mehr dazu später.

Smart Home für Fortgeschrittene

Die Markise einzufahren, während man gemütlich auf dem Sofa sitzt, ist eine einfache Übung. Dazu gebe ich den Befehl an Alexa, tippe auf meine App oder nehme ganz traditionell den Funksender in die Hand. Smart wird das Home eigentlich erst, wenn das Ganze aus der Ferne gesteuert wird oder ganz autonom, ohne Zutun des Menschen. Bei Letzterem überwachen Sensoren, wie warm es ist, ob es regnet oder zu windig ist. Sind die Windböen zu stark und droht Gefahr, registriert das ein Windwächter und ordnet an, dass die Markise automatisch eingefahren wird. Tim Lindenhahn fragt im Kundengespräch nach, ob der Besitzer schon mal vergisst, die Markise einzufahren, wenn er abends ins Bett geht oder wegfährt. „Mit einem Raffstore mit Windwächter nimmt mir die Technik es ab, darüber nachzudenken, ob er oben oder unten ist. Und den Sonnensensor kann ich so programmieren, dass die Markise nur dann ausfährt, wenn ein Mindestwert an Lux überschritten ist, aber nur zwischen 1. Mai und 30. September“, erläutert Lindenhahn. Das Unternehmen mit drei Mitarbeitern im Münchner Osten ist spezialisiert auf den Einbau von Markisen, Rollläden, Toren und Sonnenschutz und verbaut die Steuerungen von Somfy und Elero.

Der „fortgeschrittene“ Smart-Home-Nutzer steuert seine Systeme nicht nur ad hoc übers Handy, sondern konfiguriert Szenarien und lässt dann das smarte Haus sich selbst steuern. Der Geschäftsführer erläutert, wie sich die Technik am besten nutzen lässt, wenn man nicht zuhause ist: „Die Nutzerin löst beispielsweise das Szenario „Heimkommen“ aus, wenn sie in der U-Bahn sitzt. Dann gehen in einer Viertelstunde die Rollladen hoch, die Kaffeemaschine springt an und die Heizung schaltet sich ein. Beim ‚Szenario Urlaub‘ kann der Besitzer einstellen, dass die Rollladen zu gewissen Uhrzeiten herunterfahren. Wichtig ist, dass es keine Regelmäßigkeit gibt und das System von sich aus variiert. Jemand, der das Haus beobachtet, soll nicht feststellen können, dass immer zur gleichen Uhrzeit das Licht angeht und die Rollladen herunterfahren. Eine sogenannte ‚Sicherheitsschaltung‘ sorgt dafür, dass die Rollladen mal um 17:30 Uhr geschlossen werden, mal um Viertel nach sechs. Man hat unendlich viele Möglichkeiten, das zu konfigurieren.“

Seit Corona steigt das Interesse

Die meisten Eigenheimbesitzer haben allerdings noch Respekt vor dem „Allround-Smart-Home“. Von den befragten Unternehmen verzeichnet der Betrieb im Münchner Osten noch die meisten Anfragen.  Lindenhahn berichtet, dass die Nachfrage seit zwei Jahren steige. „Wir haben zwischen 10 bis 20 Anfragen im Monat. Davon besitzen etwa 30 Prozent der Interessenten bereits ein Smart-Home-System, 70 Prozent haben noch keines.“

Hepro Metall aus Nordhausen übernimmt hauptsächlich Aufträge von öffentlichen Einrichtungen. Aus diesem Grund kann das Metallbauunternehmen aus Thüringen die Anfragen der letzten drei Jahre nach einer „smarten“ Bedienung an einer Hand abzählen. Zwei Hauseigentümer wollten die Haustüre mit dem Fingerabdruck öffnen; ein Kunde in einer Wohnanlage wollte seinen Raffstore in der Wohnung über das Handy steuern. Da sieht es ganz am westlichen Zipfel der Republik nahe der holländischen Grenze besser aus. Kris Hendricks erhält zwei bis drei Anfragen im Monat. Der Geschäftsführer von Metallbau Hendricks erlebt, dass das Interesse seit Beginn der Corona-Pandemie gestiegen ist, gerade bei Neubauten seien Smart-Home-Systeme immer gefragter: „In neuen Gebäuden wird das Smart Home direkt mit eingebaut, in Bestandsimmobilien ist es eher noch eine Nische.“ Der Metallbaubetrieb in Kleve montiert hauptsächlich Produkte für den Outdoor-Bereich, also Terrassenüberdachungen, Wintergärten und Sonnenschutzsysteme. Eingebaut werden die Systeme von Warema. Der Hersteller sei einer der wenigen Sonnenschutzanbieter auf dem Markt, die über ein komplett eigenentwickeltes Steuerungssystem verfügten.

Die Bedienung per App

Kris Hendricks erzählt von einem Unternehmer in Kevelaer, der sich einen Freisitz mit Lounge-Ecke als zweite Terrasse im Garten wünschte. Für ihn baute Hendricks Metallbau Ende letzten Jahres ein Lamaxa L50 Lamellendach auf. „Das haben wir komplett ins Smart Home eingebunden“, so der Geschäftsführer. „Das Smartphone habe ich immer dabei“ – diese Aussage trifft nicht nur auf einen Großteil der Bevölkerung zu, sondern auch auf den technikbegeisterten Eigenheimbesitzer. Ihm war es ein Anliegen, seine neue freistehende Lamellenüberdachung per App zu steuern und nicht dauernd die Fernbedienung suchen zu müssen. Sowohl die Lamellen als auch das Licht und die Senkrecht-Beschattung lassen sich nun per App steuern; der Kunde sei „super zufrieden, denn nun muss er keine Fernbedienung suchen oder diese vor Regen in Sicherheit bringen“, berichtet Hendricks und fügt hinzu: „Den Smart-Home-Baustein kann man an eine 2.000-Euro-Markise genauso ankoppeln wie an ein Terrassendach mit einem Investitionsvolumen von 50.000 Euro. Der Baustein Smart Home macht dann hier nur einen Bruchteil der Mehrkosten aus.“

Die Technik kann eine Hürde sein

Wie technikaffin ist der Kunde? Das eruieren die Metallbauer in ihren Beratungsgesprächen und raten auch schon mal ab, wenn sie merken, dass die technische Hürde zu groß ist. Hendricks zeigt Interessenten in den Ausstellungsräumen, was alles mit der Smart-Home-Box von Warema möglich ist: Man kann sie ans Handy ebenso koppeln wie an den Sprachassistenten: „Wenn du sagst ‚Alexa, fahr die Markise raus‘, dann fährt die los.“ Dennoch lautet seine Devise: „Man darf nicht auf Teufel komm raus eine digitale Steuerung verkaufen. Wenn man im Verkaufsgespräch merkt, dass der Kunde mit der Bedienung unglücklich wird und vielleicht noch gar kein Smartphone besitzt, versuche ich ihn davon zu überzeugen, dass vielleicht eine Fernbedienung die bessere Wahl ist.“ Darin stimmt er mit Obermeister Jörg Pieper überein. Auch der Inhaber von Pieper Profilbau sagt: „Wenn die Bewohner nicht technikaffin sind oder ein altes Nokia-Handy nutzen, würde ich ihnen immer abraten, ins Smart Home einzusteigen.“

Beide Firmenchefs sind sich darüber im Klaren, dass bei der Beratung oft Spezialwissen gefragt ist und Fragen auftauchen, die über die eigentliche Expertise des Handwerksunternehmen hinausgehen, vor allem dann, wenn die Kunden auch andere Systeme wie Heizung, Lüftung oder Beleuchtung einbinden wollen. Es braucht zudem Fingerspitzengefühl, um herauszufinden, ob der Kunde in der Lage ist, solche Anwendungen zu bedienen. Um das Smart-Home-Portal einzurichten, ist ein grundlegendes technisches Verständnis hilfreich. Jörg Pieper: „Wenn etwas nicht funktioniert, sei es, dass die Internetverbindung zu langsam ist oder Alexa nicht mehr auf einen hört, sollte nicht der erste Impuls sein, jedes Mal den Handwerker anzurufen. Je mehr Technik installiert ist, desto mehr kann auch kaputt gehen kann; darüber muss man sich im Klaren sein.“ Kaufentscheidend sollte auf jeden Fall sein, ob die Konsole bedienfreundlich ist.

Tim Lindenhahn von Tor-+Sonnenschutztechnik Nicklbauer hat im April einen Musterkoffer mit dem neuen Smart-Home-System von Elero bekommen, in das er sich nun einarbeitet. Das bisherige System fand er von der Bedienung her nicht so komfortabel. Was er bislang vom Testsystem sehen konnte, sieht ähnlich aus wie bei Somfy. Wenn er nun Kunden hat, die schon Elero-Motoren installiert haben, kann er in Zukunft dieses System installieren.

Noch: Ein „Flickenteppich“ der Systeme

In der Smart-Home-Welt gibt es momentan noch keinen Standard, warnt der Inhaber von Pieper Profilbau. Wer heute schon bestimmte Dinge wie Rollladen und Raffstores über eine App steuert, und will nun die Heizung und das Licht ans Smart Home anbinden, muss herausfinden, ob die Systeme miteinander kompatibel sind. Das macht die Nachrüstung zur Herausforderung. Hendricks: „Aktuell ist es ein Flickenteppich. Wenn man sich einmal für einen Hersteller entschieden hat, muss man in der Regel dabei bleiben. Schön wäre eine einzige Anlage, mit der man alles verbinden kann.“ Die Tatsache, dass es momentan viele Insellösungen mit unterschiedlichen Funksystemen gibt, ist eine Hürde für die Endkunden. Ärgerlich ist es, wenn ein Kunde feststellt, dass der vor ein paar Jahren installierte Rollo gar nicht mit der neuen Smart-Home-Zentrale kommunizieren kann, also die Rückmeldung fehlt, ob der Rollladen nun geschlossen ist oder nicht.

Künftig: Kompatible Smart-Home-Geräte

Eine Lösung der Insel-Problematik ist allerdings in Sichtweite: mit dem neuen Verbindungsstandard Matter soll eine hersteller-übergreifende Basis geschaffen werden, um alle Smart-Home-Geräte miteinander zu vernetzen. Momentan gibt es homee, an dem auch Warema beteiligt ist. Die Smart-Home-Zentrale homee ist eine Art Würfelsystem. „Mit dem roten Warema-Würfel lassen sich alle Sonnenschutzprodukte von uns steuern“, erläutert Stefan Ruf, Produktlinienmanager Funksysteme von Warema und ergänzt: „Das System lässt sich um Würfel für weitere Funkstandards wie Z-Wave oder ZigBee erweitern und dann Geräte steuern, die mit diesem Funksystem arbeiten.“

Doch auf einen Verbindungsstandard, der wirklich alle Geräte am Markt miteinander kompatibel macht, warten Smart-Home-Besitzer natürlich sehnlichst. Schon letztes Jahr sollte Matter eigentlich veröffentlicht werden, doch die Einführung verzögerte sich aufgrund der Pandemie. Die großen drei – Amazon, Apple und Google – und andere Unternehmen arbeiten an dem offenen, herstellerübergreifenden Schnittstellenstandard. Blogger Frank-Oliver Grün schreibt auf matter-smarthome.de, wenn Matter Erfolg habe, „könnten sich die Kompatibilitätslisten der IoT- und Smarthome-Hersteller irgendwann erledigen“.

Stefan Ruf versichert, dass dieser Standard auch für Warema interessant wäre, denn damit würde die Schnittstellenproblematik behoben werden. „Wir schauen uns an, ob und wie wir das integrieren können. Ich gehe davon aus, dass sich Matter in zwei bis drei Jahren auf dem Markt bewährt hat“, so der Produktlinienmanager Funksysteme von Warema. Für Smart-Home-Fans, die gerne ihr ganzes Haus automatisch steuern möchten, wäre diese Entwicklung begrüßenswert.

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 02/2013 Automatisierung für Sicherheit und Komfort

Technik fürs Smart Home

„Moo, louermol die Rollo noorolln loun!“ Das ist schlichtes Fränkisch und bedeutet so viel wie: „Liebster, machst Du mal bitte das Rollo runter?“ Diese regionalen Feinheiten einer nett gemeinten...

mehr
Ausgabe 12/2020

Rademacher

Smart Home Bridge

Bridge soll einen einfachen Einstieg in die Smart-Home-Welt ermöglichen. Die Steuerungszentrale ist  geeignet für Personen, die ihre Smart-Home-Komponenten wie Rollläden, Markisen, Heizung und...

mehr
Ausgabe 1-2/2024

Warema

Wintergarten-Verschattung

Die Wintergarten-Markise Climara W19 im Einstiegssegment und W20 als Premiumlösung sind außenliegende Markisen. Sie fangen den größten Teil der Strahlen schon vor dem Glas ab, sodass die Wärme...

mehr
Ausgabe 11/2023

Warema

CO2-Reduktion mit Sonnenschutz

Warema hat den CO2-Fußabdruck seiner drei gängigsten Produkte – Fenster-System Raffstore, Vorbau-Rollladen und die Vorbau-Markise – analysieren lassen. Durchgeführt wurden die Berechnungen mit...

mehr
Ausgabe 7-8/2020

Warema

KNX Sonnenschutzaktoren

Alle von Warema entwickelten Komponenten entsprechen den geforderten Normen und Standards, sodass sie problemlos herstellerübergreifend mit weiteren Produkten der Haustechnik kombiniert werden...

mehr