Das Regelwerk für KiTa
Kindergärten und Kinderkrippen entwickeln sich angesichts staatlicher Vorgaben und Förderprogramme auch für Metallbauer zu einem lukrativen Markt. Ihr Bau und Betrieb unterliegen allerdings umfangreichen Anforderungen der Gesetzlichen Unfallversicherung (GUV), und die muss jeder kennen und umsetzen, der sich in diesem Segment erfolgreich betätigen will.
Staatliche Vorgaben wie die, bis 2013 für jedes dritte Kind unter drei Jahren einen Krippenplatz zu schaffen, und entsprechende Förderungen im Rahmen des Konjunkturprogramms führen dazu, dass in diesem Bereich stark investiert wird. Deshalb ist es für alle Beteiligten wichtig, die aktuellen Anforderungen an den Bau und Betrieb von Kindertageseinrichtungen (KiTa) zu kennen, die in diesem Beitrag speziell betrachtet werden sollen.
Für Kindergärten und Kinderkrippen bestehen mit geringen Änderungen seit 1981 „Sicherheitsregeln: Kindergärten – Bau und Ausrüstung“ der gesetzlichen Unfallversicherungsträger. Diese wurden fortgeschrieben durch die GUV-V S2 Muster-UVV „Unfallverhütungsvorschrift Kindertageseinrichtungen“ vom Mai 2002, die mit der „Regel: Kindertageseinrichtungen“ vom April 2009 eine detaillierte Konkretisierung erfahren hat.
Die GUV-V S2 aus dem Jahr 2002 enthielt – anders als die vorher bestehenden „Sicherheitsregeln“ – eher sehr allgemein formulierte Anforderungen:
* Wände und Stützen müssen so beschaffen sein, dass Verletzungsgefahren durch scharfe Kanten und spitzig-raue Oberflächen vermieden werden;
* in Aufenthaltsbereichen müssen zugängliche Verglasungen so beschaffen sein, dass Verletzungsgefahren bei Glasbruch vermieden werden;
* Aufenthaltsbereiche für Kinder, bei denen Absturzgefahren bestehen, müssen altersgerecht gesichert sein;
* Treppen und Rampen müssen so beschaffen sein, dass sie von Kindern sicher benutzt werden können;
* Fenster müssen so gestaltet sein, dass sie beim Öffnen und Schließen sowie im geöffneten Zustand Kinder nicht gefährden.
Aktuelle Regeln. Die mit einigen Jahren Abstand veröffentlichte „Regel: Kindertageseinrichtungen“ brachte wieder sehr konkrete und greifbare Vorgaben, die als „Maßnahmen zur Verhütung von Gefahren für Leben und Gesundheit beim Aufenthalt in Kindertageseinrichtungen“ seit dem 1. April 2009 verlangt werden. Danach ist im Hinblick auf Sicherheit und Gesundheit der Kinder dafür zu sorgen, dass alle baulichen Anlagen, Aufenthaltsbereiche und Ausstattungen nach den Bestimmungen zu den nachfolgend genannten Bereichen errichtet, beschafft, instand gehalten und betrieben werden.
Wänden und Stützen: Verletzungsgefahren bei Wänden und Stützen bis 2,0 m Höhe werden beispielsweise vermieden durch
* Abrundungsradien ≥ 2 mm oder entsprechende gebrochene oder gefaste Kanten;
* ebene Holzverschalungen mit gerundeten oder gefasten Kanten.
Verglasungen: Zur Vermeidung von Verletzungsgefahren sind für Verglasungen oder sonstige lichtdurchlässige Flächen bis zu einer Höhe von 2,0 m bruchsichere Werkstoffe zu verwenden, oder die Verglasungen sind ausreichend abzuschirmen.
* Bruchsicherheit bei Stoß und Biegebeanspruchung bieten Einscheibensicherheitsglas (ESG), auch heißgelagertes ESG (ESG-H) und Verbundsicherheitsglas (VSG);
* Gestaltungsmerkmale für wirksame Abschirmungen sind zum Beispiel mindestens 800 mm hohe Fensterbrüstungen mit mindestens 200 mm tiefen Fensterbänken im Innen- und/oder Außenbereich, die beiden äußeren Sicherheitsglas-Scheiben von 3-fach-Wärmedämmglas verhindern eine Gefährdung durch die mittlere Floatglas-Scheibe;
* Anpflanzungen im Außenbereich mit einer Tiefe von mindestens 1,0 m.
Absturzgefahren: Vorkehrungen für die Sicherung bei Absturzgefahren bis 1,0 m Höhe können beispielsweise sein:
* als Barrieren aufgestellte Pflanztröge oder bepflanzte Schutzstreifen;
* Geländer oder Brüstungen als Umwehrungen (auch mit Füllungen aus Sicherheitsglas);
* für Aufenthaltsbereiche, die mehr als 1,0 m über einer anderen Fläche liegen, sind Umwehrungen nach Landesrecht und Arbeitsstättenverordnung anzubringen, die jedoch eine Mindesthöhe von 1,0 m haben müssen;
* bei Krippenkindern darf die Öffnungsweite von Absturzsicherungen maximal 89 mm betragen.
Umwehrungen: Kindersicher sind Umwehrungen gestaltet, wenn sie beispielsweise
* eine Begrenzung der Öffnungsweite für mindestens eine Richtung von maximal 110 mm (bei Krippenkindern von maximal 89 mm) aufweisen;
* einen Abstand von maximal 40 mm zwischen Umwehrung und zu sichernder Fläche haben;
* bei Treppen Abstände zwischen den Umwehrungen am Treppenauge und den Umwehrungen zu den Treppenhauswänden von nicht mehr als 200 mm haben.
Treppen und Rampen: Beidseitig sind an Treppen und Rampen Handläufe anzubringen, die den Kindern im gesamten Verlauf sicheren Halt bieten und so beschaffen sind, dass ein Hängenbleiben verhindert wird. Dies gewährleisten beispielsweise
* Handläufe, die vom jeweiligen Benutzerkreis gut zu erreichen sind und für Kinder eine Höhe von 800 mm haben (für Krippenkinder ist in mindestens 600 mm Höhe ein zusätzlicher Handlauf anzubringen);
* leicht umfassbare Handläufe;
* Handläufe, die keine frei vorstehenden Enden haben und über Treppenabsätze innen fortgeführt werden.
Türen: Einlässe zu Räumen - insbesondere in Fluren, Eingangshallen und Räumen zur Bewegungserziehung - müssen so angeordnet sein, dass Kinder durch aufschlagende Türen nicht gefährdet werden. Das Schutzziel wird erreicht, wenn beispielsweise
* Türen in die Räume aufschlagen;
* Türen zurückversetzt in Nischen angeordnet sind;
* nach außen aufschlagende Türen in der Endstellung einschließlich Türgriff maximal 200 mm in den Fluchtweg hineinragen;
* Türen am Ende von Fluren angeordnet sind;
* Türen leicht zu öffnen und zu schließen sind;
* Rauch- und Brandschutztüren in Verkehrswegen und Treppenräumen mit Magnethalterung offen gehalten und mit einer Selbstschließfunktion ausgestattet sind;
* Scherstellen an Nebenschließkanten von Türen durch entsprechende Türkonstruktionen bzw. Schutzprofile vermieden werden.
Fenster: Bei der Gestaltung von Fenstern ist darauf zu achten, dass sie beim Öffnen und Schließen sowie im geöffneten Zustand Kinder nicht gefährden. Geeignete Sicherungen können sein:
* Kipp- oder Schwingflügel mit Sicherungen gegen Herabfallen;
* Schwingflügel mit Öffnungsbegrenzern;
* Dreh-/Kippflügel mit Verschlusseinrichtungen für Drehen; die Funktion „Kippen vor Drehen“ kann dazu eingerichtet werden;
* unabhängig davon muss jederzeit eine ausreichende Lüftung sichergestellt sein.
Beschlagteile: Griffe, Hebel, Schlösser oder sonstige Beschlagteile müssen so beschaffen und angeordnet sein, dass durch bestimmungsgemäßen Gebrauch Gefährdungen verhindert werden. Dies ist möglich durch
* gerundete Griffe und Hebel, die mit einem Mindestabstand von 25 mm zur Gegenschließkante angeordnet sind;
* Griffe und Hebel, die so gestaltet sind, dass ein Hängenbleiben vermieden wird;
* Hebel für Panikbeschläge, die seitlich drehbar oder als Wippe ausgebildet sind;
* Hebel für Oberlichtflügel, die zurückversetzt in Fensternischen angeordnet sind.
In der Regel Kindertageseinrichtungen finden sich schließlich umfangreiche weitere Themenfelder und Anforderungen, beispielsweise an eine natürliche Belichtung bzw. künstliche Beleuchtung, an Böden, Ausstattungen, Spielzeug und elektrische Betriebsmittel bis hin zu den Außenanlagen.
Glaserzeugnisse. In dem genannten Regelwerk werden „Sicherheitsglas“ oder „lichtdurchlässige Kunststoffplatten mit mindestens gleichwertigen Sicherheitseigenschaften“ verlangt. Nach der ebenfalls von der Gesetzlichen Unfallversicherung kommenden Schrift „Mehr Sicherheit bei Glasbruch“ (GUV-SI 8027), in der die einzelnen Produkte sehr gut erklärt sind, gelten Einscheibensicherheitsglas (ESG), zu dem in dem hier interessierenden Zusammenhang auch heißgelagertes Einscheibensicherheitsglas (ESG-H) zu zählen ist, sowie Verbundsicherheitsglas (VSG) als Sicherheitsgläser. Glas mit Drahtnetzeinlage, umgangssprachlich als Drahtglas bezeichnet, erfüllt die Sicherheitsanforderungen nicht.
Lichtdurchlässige Kunststoffplatten sind thermoplastische Werkstoffe, die zum Beispiel als Marken (Plexiglas, Makrolon, Lexan) angeboten werden. Sie sind verhältnismäßig unempfindlich gegen Schlag und Stoß und zählen dank ihrer hohen Bruchfestigkeit zu den bruchsicheren Werkstoffen. Die Kratzempfindlichkeit ihrer Oberfläche ist allerdings weit höher als bei Glas. Speziell im Außeneinsatz muss ggf. ihr hoher Längenausdehnungskoeffizient beachtet werden.
In der genannten GUV-Informationsschrift sind auch Schutzfolien als nachträglich aufzubringender Splitterschutz erwähnt. Zusammen mit der Glasscheibe erfüllen sie die geforderte Verkehrssicherheit, „wenn die Kriterien des Pendelschlagversuches erfüllt sind“. Auch hier ist eine erhöhte Kratzempfindlichkeit und zusätzlich eine eingeschränkte Haltbarkeit beim Außeneinsatz zu beachten.
Fazit. Kindertageseinrichtungen stellen erhebliche (Sicherheits-)Anforderungen an die Planung, Ausschreibung und Ausführung. Dabei sind die Schriften der GUV (zu finden unter www.dguv.de) eine jedenfalls einzuhaltende Vorgabe und eine unerlässliche Hilfestellung.
Bei Verglasungen ermöglichen sie aus Verkehrssicherheitsgründen den Einsatz von ESG, ESG-H und VSG. Da in Kindertageseinrichtungen sehr häufig Scheiben bemalt, beklebt oder hinterlegt werden, besteht bei VSG aus normalem Floatglas oder überhaupt aus Floatglas (wenn dieses dem Zugang entzogen ist) eine relativ hohe Gefahr von thermischen Glasbrüchen. Dies ist bei ESG und ESG-H mit seiner signifikant höheren Temperaturwechselbeständigkeit nicht der Fall.
Da bei ESG und ESG-H ein Restrisiko auf Versagen infolge von Nickelsulfid-Einschlüssen besteht, wäre das optimale – wenn auch vergleichsweise teure – Produkt VSG aus teilvorgespanntem Glas (TVG). Dieses hat kein Problem mit bemalten Scheiben etc. und kennt kein spontanes Brechen. Drahtglas reicht zur Erfüllung der Schutzziele nicht aus.
Eine (Mindest-)Glasdicke wird übrigens in dem gesamten GUV-Regelwerk nicht genannt. Sie ergibt sich aus den Windlasten und der Holmlast als statische Last für „Menschengedränge“.
Für weitergehende Fragen zur Thematik nennt die Internetseite www.dguv.de die regional zuständigen Stellen mit kompetenten Ansprechpartnern.
Auf einen Blick
Regelwerke der GUV
Hier noch einmal kurz zusammengefasst die GUV-Regelwerke, die unser Fachautor in seinem Beitrag beschreibt:
* GUV-V S2 Muster-UVV „Unfallverhütungsvorschrift Kindertageseinrichtungen“; Mai 2002
* BG-GUV-SR S2 „Regel Kindertageseinrichtungen“; April 2009
* GUV-SI 8027 GUV-Information – Sicherheit bei Bau und Einrichtung – „Mehr Sicherheit bei Glasbruch“, März 2005