Normen

DIN 18008 als Weißdruck

Teile 1 und 2 jetzt veröffentlicht

Mit Ausgabe Januar 2020 werden die Teile 1 und 2 der DIN 18008 (endlich) als Weißdruck veröffentlicht. Fragwürdige Interpretationen zu Geltungsbereich und Verbindlichkeit – insbesondere zu Abschnitt 5.1.4 (Gläser bis Brüstungshöhe) – sorgen für Unsicherheit, seriöse Sekundärliteratur bietet Hilfestellung. Die Überarbeitung der Teile 3, 4 und 5 hat vielversprechend begonnen, und wird trotz parallel laufender europäischer Normungsarbeiten nicht überflüssig.

Nach letzten redaktionellen Änderungen wird die Veröffentlichung der überarbeiteten Teile 1 und 2 von DIN 18008 mit Datum Januar 2020 (endlich) erfolgen. Die Überarbeitung bringt eine Vielzahl kleinerer und größerer Verbesserungen, über die auch in metallbau (6/2017, 5/2018) bereits ausführlicher berichtet wurde. Insofern sollen diese nur nochmals kurz zusammenfassend aufgezählt werden.

Vielzahl technischer Änderungen

Erläuterungen verwendeter Begriffe und Bezeichnungen sowie redaktionelle Aktualisierungen sollen Fehlinterpretationen vermeiden helfen. Der vergrößerte Anwendungsbereich berücksichtigt die Entwicklung der Baupraxis: Neu aufgenommene Glasdicken von 2 mm erlauben leichtere Konstruktionsformen, während 25 mm Glasdicke eher der Vollständigkeit halber aufgenommen wurde. Die Ermöglichung von nicht nur gegenüberliegenden zweiseitigen Lagerungen bringt bei Balkon-trennwänden häufig ausgeführte Lagerungen über Eck in den Regelungsbereich. Eingespannte Vertikalverglasungen waren bislang indirekt durch Teil 4 beinhaltet – nunmehr eindeutig auch in anderen, nicht absturzsichernden Anwendungen. Die Bemessung gebogener Gläser ist zukünftig durch DIN 18008 abgedeckt, für das Bauprodukt „gebogenes Glas“ stehen normative Regelungen jedoch noch aus.

Die mehrstufige Nachweisführung für kleinformatige, bei sog. Klimalasten häufig kritische Mehrscheibenisoliergläser erleichtert zukünftig, die Nachweise zu erbringen; in der Praxis wurde dies im Rahmen von Einzelfällen bereits vorteilhaft angewendet. Präzisierungen einerseits und eine Öffnungsklausel andererseits erlauben hierbei eine praxisgerechte, breite Anwendung: sofern die Schadensfolge gering ist, auch für Größen über 2m² — diese Einschätzung ist von den jeweiligen Randbedingungen abhängig und liegt im Verantwortungsbereich der Planenden. Die Festschreibung der versuchstechnischen Nachweise der Resttragfähigkeit schaffen klar definierte Bedingungen, wenn von bereits nachgewiesenen Konstruktionen abgewichen werden soll.

Um bewährte Anwendungen und Bauarten – insbesondere auch in DIN 18008 enthaltene Tabellen mit bereits nachgewiesenen Konstruktionen – auch zukünftig mit europäisch harmonisierten (CE-gekennzeichneten) Bauprodukten umsetzen zu können, sind die entsprechenden bauartspezifischen Regelungen in DIN 18008 aufgenommen worden. Damit kann zukünftig Einscheibensicherheitsglas in Fassaden auch bei über 4 m Einbauhöhe wieder Verwendung finden. Die dafür erforderlichen Nachweise können baupraktisch beispielsweise durch Verwendung von ESG-Gläsern mit RAL Gütezeichen 525 ESG-HF umgesetzt werden. Und nicht zu vergessen ist die im Anwendungsbereich erfolgte klare Abgrenzung zum Anwendungsbereich der DIN EN16612 – ein entscheidender Beitrag zur Sicherstellung wirtschaftlichen Bauens.

Glas unterhalb Brüstungshöhe

Diskutiert wurde und wird nach wie vor über den Absatz 5.1.4 von Teil 1. Die finale Fassung unter Berücksichtigung länderspezifischer Umsetzung des Baurechts lautet: Werden auf Grund gesetzlicher Forderungen zur Verkehrssicherheit Schutzmaßnahmen für Verglasungen erforderlich, kann dies beispielsweise durch Beschränkung der Zugänglichkeit (Abschrankung) oder Verwendung von Gläsern mit sicherem Bruchverhalten erfüllt werden.

Anmerkung: Es wird z.B. auf § 37 Abs. 2 Musterbauordnung (MBO) bzw. die entsprechende Umsetzung in Landesrecht verwiesen.

Die angesprochenen Diskussionsbeiträge und Interpretationsversuche enthalten nach Einschätzung des Autors zum Teil Fehlinterpretationen. Um dies zumindest bezüglich Gläsern mit sicherem Bruchverhalten zu begrenzen, ist in DIN 18008 die folgende Definition aufgenommen worden:

Bei einem Bruch werden die Bruchstücke zusammengehalten und zerfallen nicht oder ein Zerfall erfolgt in eine große Anzahl kleiner Bruchstücke

Anmerkung zum Begriff: Das Bruchverhalten von Glas gilt als sicher, wenn es die Normen für Sicherheitsglas erfüllt. Drahtglas besitzt kein sicheres Bruchverhalten.

Beispiel: ESG nach DIN EN 12150-2 und DIN EN 14179-2 oder VSG nach DIN EN 14449 oder Glas, nachgewiesen durch Prüfung nach DIN EN 12600 mindestens Klasse 3 (B) 3 oder 3 (C) 3.

Nachdem zu weiterführenden Rechtsfragen primär Juristen Stellung nehmen sollten (siehe S. 4) und der Umfang des Artikels begrenzt ist, werden hier keine weiteren Interpretationen vorgenommen. Als Basis zur eigenen Meinungsbildung wird verwiesen auf Gesetze wie BGB und MBO sowie juristische Sekundärliteratur wie beispielsweise die rund 9.560 Seiten umfängliche Kommentierung der BayBO von Simon/Busse: Bayerische Bauordnung – Kommentar, 133. Auflage 2019. In Letzterem sind insbesondere die Ausführungen zum Geltungsbereich der Bauordnung und zur Verkehrssicherheit lesenswert. Nach Einschätzung des Autors ist der Spielraum für Interpretationen gering, unstrittig die damit verbundene Verantwortung für die am Bau Beteiligten sehr hoch. Personenschadensereignisse mit grob brechendem Floatglas gibt es nicht nur im Zusammenhang mit Innentüren, sondern auch mit Mehrscheibenisolierverglasung bodentiefer Fenstertüren. Es bleibt zu hoffen, dass nicht erst eine richterliche Klärung im Zuge der juristischen Aufarbeitung von Todesfällen finale Klarstellung der Verantwortung bringt.

Als Hilfestellung und Handlungsempfehlung wurde von mehreren Verbänden das gemeinsame Papier „Verkehrssicherheit bei verglasten Türen und bodentiefen Verglasungen ohne Absturzsicherung“ erarbeitet und mit Datum Oktober 2019 veröffentlicht. Es steht zum kostenlosen Download auf den Internetseiten der beteiligten Verbände bereit.

Überarbeitung Teile 3, 4 und 5

Die nunmehr anstehende Überarbeitung der Teile 3, 4 und 5 ist bereits angelaufen. Um in den Geltungsbereich von Teil 3 auch Punkthalter für konusförmige Bohrungen aufnehmen zu können, sind entsprechende Erweiterungen vorzunehmen. Ob in Teil 3 spezielle Regelungen für kleinere Ganzglasanlagen wie Windfänge oder Trennwände aufgenommen werden, hängt insbesondere auch von der Unterstützung der auf diesem Teilgebiet aktiven Fachwelt ab. Denkbar wären hier eine – ähnlich wie bei kleinformatigen Mehrscheibenisolierverglasungen – in geringerer Schadensfolge begründete alternative Nachweisführung oder Abweichungen von ansonsten einzuhaltenden konstruktiven Regelungen wie beispielsweise Mindestbohrungsabständen.

Die Einteilung in Kategorien und abgestimmte Nachweisführung der absturzsichernden Verglasungen in Teil 4 soll überarbeitet werden, um den zwischenzeitlich erfolgten Entwicklungen der Baupraxis Rechnung zu tragen. Sogenannte „Französische Balkone“ (Glasgeländer vor bodentiefen Fenstertüren) oder unten eingespannte Geländer mit nicht angeschlossenen Holmen oder Kantenschutz werden zunehmend von aktueller Architektur gewünscht – wegen der Abweichung zu geregelten Konstruktionen der DIN 18008 bedürfen diese jedoch baurechtlicher Sonderbehandlungen wie Zulassungen oder Bauartgenehmigungen für den Einzelfall bzw. eine allgemeine Anwendung.

Für die gewünschte Erweiterung der Tabellen mit nachgewiesenen Konstruktionen ist der Arbeitsausschuss ebenfalls auf entsprechende Zuarbeit angewiesen.

Es ist zu hoffen, dass nach umfangreicher konstruktiver Zuarbeit durch die Fachwelt eine Veröffentlichung der überarbeiteten Fassungen der Teile 3, 4 und 5 zügiger erfolgen wird als bei den Teilen 1 und 2.

Europäische Normungsarbeit

Für Bauprodukte scheint ein Fahrplan zur Überarbeitung der für die CE-Kennzeichnung wichtigen Normenteile 2 gefunden zu sein, das heißt, hier kann in absehbarer Zeit mit klaren aktualisierten Regelungen gerechnet werden. Parallel schreiten die Arbeiten für technische Regelungen auch zur Bemessung auf europäischer Ebene fort: Eine sogenannte „Technical Specification” als Vornorm für eine probeweise freiwillige Anwendung ist noch für 2020 zu erwarten. Darauf basierend wird dann ein Eurocode für Glas erarbeitet.

Diese Regelungen bilden den Konsens („kleinsten gemeinsamen Nenner“) aller beteiligten europäischen Staaten ab; dementsprechend ist abzusehen, dass nicht wenige Detailpunkte in nationaler Regelungskompetenz verbleiben werden. Hierzu wird dann sicherlich zurückgegriffen auf den Erfahrungsschatz existierender nationaler Regelungen, das heißt in Deutschland auf die DIN 18008. Insofern sind die aktuellen Überarbeitungen nicht nur kurzfristig zu sehen.

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