Fenster und Außentüren
Unter Federführung des Handwerks wurde DIN 18055 vollständig überarbeitet und ist mit Ausgabedatum 15. August zunächst als Entwurf 2011-10 erschienen. Sie ist kein eigenständiges Regelwerk, sondern soll Planern und Bauausführenden das Umsetzen der Produktnorm DIN EN 14351-1 „Fenster und Außentüren“ erst ermöglichen beziehungsweise erleichtern.
Seit 1981 galt für die Gebrauchstauglichkeit von Fenstern DIN 18055 „Fenster - Fugendurchlässigkeit, Schlagregendichtheit und mechanische Beanspruchung“. Für die in dieser Norm beschriebenen Bereiche wurden bereits im Jahr 2000 drei europäische Klassifizierungsnormen veröffentlicht:
* DIN EN 12207 „Fenster und Türen - Luftdurchlässigkeit“
* DIN EN 12208 „Fenster und Türen - Schlagre-gendichtheit“
* DIN EN 12210 „Fenster und Türen - Widerstandsfähigkeit bei Windlast“
Diese Papiere stellen wichtige Teilbereiche für Leistungsmerkmale von Fenstern und Außen-türen dar. Die seit Februar 2010 harmonisierte Produktnorm DIN EN 14351-1 „Fenster und Außentüren“ beschreibt jedoch insgesamt 23 und damit wesentlich mehr Merkmale beziehungsweise Leistungseigenschaften dieser Bauteile. Für Praktiker ergibt sich die große Frage: Sind Merkmale in einer bestimmten baulichen Situa-tion überhaupt erforderlich oder gewünscht, und welche Klasse oder Ausprägung ist dann objektspezifisch auszuschreiben oder anzubieten – also umzusetzen?
Dazu gab es bisher in Deutschland seit April 2002 die „Einsatzempfehlungen für Fenster und Außentüren zur Ermittlung der Mindestklassifizierung in Abhängigkeit von der Beanspruchung“ in den Bereichen Windwiderstandsfähigkeit, Schlagregendichtheit und Luftdichtheit. Eine Fortschreibung dieses Papiers im Jahr 2005 berücksichtigte immerhin die neuen „Einwirkungen der Tragwerke“ gemäß DIN 1055-5:2005-03. Diese Einsatzempfehlungen des Institutes für Fenstertechnik (ift), Rosenheim, unterlagen auch der Zustimmung der Fachverbände und waren lange Zeit allgemein anerkannte Regel der Technik.
Hilfe zur Umsetzung. Um die Produktnorm DIN EN 14351-1 „Fenster und Außentüren“ verstehen und anwenden zu können, wurde als passendes Gegenstück zu ihr DIN 18055 komplett neu bearbeitet. Die Norm erschien mit Ausgabedatum 15. August zunächst als Entwurf 2011-10 und umfasst 14 der 23 in der Produktnorm genannten Merkmale, darüber hinaus beispielsweise mit Hinweisen zur Absturzsicherung auch Anforderungen, die nicht in der europäischen Produktnorm enthalten sind.
Die überarbeitete DIN 18055 ist kein eigen-ständiges Regelwerk, das neue Sachverhalte beschreibt. Sie stellt vielmehr als Hilfe für Planer, Bauherren und Ausführungsfirmen eine Auswahl geeigneter Fenster- und Türeigenschaften auf der Basis bestehender Regeln bereit. Das Aufarbeiten und Kommentieren der in der Produktnorm genannten Merkmale sowie Beispiele hierzu sollen den Anwender in die Lage versetzen, DIN EN 14351-1 in Anlehnung an bisher bekannte und praktizierte Vorgehensweisen richtig anzuwenden.
Damit erfolgt eine Verknüpfung der im CE-Zeichen erklärten Leistungseigenschaften mit der konkreten baulichen Situation. Und genau das lag den Handwerksverbänden besonders am Herzen, die das Überarbeiten dieser Norm fe-derführend gemeinsam mit Vertretern von Instituten und aus der Industrie begleitet haben.
Wie es übrigens im Entwurf ausdrücklich heißt, kann ein pauschaler Hinweis auf die Norm keinesfalls als qualifizierte Ausschreibung angesehen werden. Anforderungen ergeben sich aus der Einbausituation, beispielsweise durch die regionale Lage, die Geländekategorie, die Gebäudegeometrie, die Einbauhöhe und auch durch staatliche Vorgaben (etwa die EnEV) oder durch Kundenwünsche. Diese Anforderungen müssen planerisch berücksichtigt werden – eine Aufgabe, die immer mehr dem Handwerksbetrieb zufällt.
Beziehungsgeflecht. Die Beziehung zur Produktnorm DIN EN 14351-1 wird hergestellt mit einem Verweis auf die dort enthaltenen Tabellen mit Leistungsmerkmalen, in deren Reihenfolge auch die neue DIN 18055 gegliedert ist.
DIN EN 14351-1 kann als europäische Norm nicht auf die Situation in den einzelnen Mitgliedsstaaten eingehen. Weil sie deshalb so gut wie keine wirklichen Anforderungen stellt, leistet die unter Federführung des Handwerks erarbeitete neue DIN 18055 die Umsetzung auf die deutschen Verhältnisse und Bedürfnisse: Sie soll es – so die Absicht – überhaupt erst ermöglichen beziehungsweise erleichtern, Anforderungen festzustellen und mit den Leistungsmerkmalen in Deckung zu bringen.
Anders als in den früheren Normen machen die Europa-Normen keine Vorgaben für den Einsatz von bestimmten Merkmalen oder Klassen. Im Prinzip führen sie wertneutral verschiedene Eigenschaften auf. Der Planer kann und muss nun die für sein spezifisches Bauvorhaben geltenden und erforderlichen oder auch gewünschten Anforderungen ermitteln, und der Fensterbauer muss sein Bauteil mit den Merkmalen und Eigenschaften ausstatten, die diesen Anforderungen entsprechen.
Zu diesem Zweck beschreibt beziehungsweise definiert die Norm in ihren einzelnen Abschnitten zu jeweils einem bestimmten Leistungsmerkmal regelmäßig zuerst die Eigenschaften. In einem zweiten Schritt gibt sie Hilfestellung zum nationalen Umgang. Abschließend trifft sie eine klare Aussage dazu, ob es sich um eine bauaufsichtliche – also verbindliche - Anforderung handelt oder beispielsweise um ein Komfort-Merkmal, das als Empfehlung freiwillig vereinbart werden kann.
Die neue DIN 18055 ist – wie die Produktnorm DIN EN 14351-1 – material-unabhängig und gilt somit für alle Fenster und Außentüren, die in beheizte Bereiche eingebaut werden. Sie regelt Anforderungen für
* (Rahmen-)Durchbiegung,
* Wärmedämmung,
* Luftdurchlässigkeit,
* Schallschutz,
* gefährliche Substanzen,
* Tragfähigkeit von Sicherheitsvorrichtungen,
* Strahlungseigenschaften,
* Brandverhalten,
* Stoßfestigkeit,
* Absturzsicherung.
Darüber hinaus beschreibt die Norm Empfehlun-gen für
* Widerstandsfähigkeit gegen Windlast,
* Schlagregendichtheit,
* Bedienkräfte,
* Dauerfunktion,
* Differenzklimaverhalten,
* Einbruchhemmung.
Merkmale. Nachfolgend werden die Merkmale beschrieben, die ein Fenster beziehungsweise eine Außentür erfüllen muss.
1. Widerstandsfähigkeit bei Windlast
Die Windbeanspruchung ergibt sich aus der Einwirkung von Wind auf das Bauwerk, die sich aus Winddruck, Windsog und Zuschlagswerten zusammensetzt. Die Windlasten sind darüber hinaus abhängig von Gebäudehöhe, Gebäudelage (Windzone, Geländekategorie) und Gebäudeform.
Wie hoch der Staudruck bei der Dimensionierung von Pfosten und Riegeln oder bei Rahmenteilen, die nicht direkt am Bauwerk zu befestigen sind, anzusetzen ist, kann für den Regelfall einer Tabelle der Norm entnommen werden. Seine Werte liegen zwischen 0,5 und 1,55 kN/m2. Sie gelten nicht für Rand- beziehungsweise Eckbereiche von Gebäuden und nur bis zu einer Geländehöhe des Bauwerksstandortes von 800 m über NN.
Im Eck- und Randbereich müssen die Windlasten erhöht werden. Für die in der Norm dargestellten Beispiele wurde der entsprechende cpe,10-Wert von 1,4 angesetzt. Damit sind praktisch alle vorkommenden Verhältnisse von Breite zu Höhe des Gebäudes erfasst. Der Randbereich ist definiert als ein Fünftel der Gebäudebreite, geltend für alle Seiten.
Bei bekannten Bauwerksdaten darf natürlich trotzdem „gerechnet“ werden, das heißt: Ergeben sich nach den genannten Normen günstigere Verhältnisse (kleinere cpe,10-Werte), dürfen diese angesetzt werden. Für Fragen zur Dimen-sionierung von Pfosten und Riegeln oder auch von freien Blendrahmenteilen geben die Ein-satztabellen eine „Windlast zur statischen Bemessung“ an.
Zum Umgang mit dieser Anforderung wurden fol-gende Angaben in die Norm selbst mit aufgenommen.
* Die Einbauhöhe des Fensters ist definiert als Höhenunterschied zwischen der Geländehöhe und der Oberkante des Fensters.
* Das „neue“ Kriterium Windzone steht in DIN 1055-4 und zwischenzeitlich auch im Eurocode DIN EN 1991-1-4 und berücksichtigt regional unterschiedliche Windgeschwindigkeiten und damit Windlasten. Charakteristische Werte der mittleren Windgeschwindigkeit und des zugehörigen Geschwindigkeitsdruckes sind:
Windzone vm[m/s]
I 22,5
II 25,0
III 27,5
IV 30,0
* In Abhängigkeit von den Windprofilen und damit der Windgeschwindigkeit wurden gemäß DIN 1055-4 beziehungsweise DIN EN 1991-1-4/NA (nationaler Anhang des Eurocode EN 1991) folgende vier Geländekategorien (vereinfacht und bis zu einer Einbauhöhe von 25 m) gebildet:
Geländekategorie
I Inseln der Nordsee
II Küste der Nordsee
III Küsten und Inseln der Ostsee
IV Binnenland
2. Schlagregendichtheit
Die Schlagregendichtheit bezeichnet die Widerstandsfähigkeit eines geschlossenen und verriegelten Bauteils bei gegebener Windstärke, Regenmenge und Beanspruchungsdauer gegen das Eindringen von Wasser. Dabei darf kein dauerndes oder wiederholtes Benetzen der raumseitigen Oberfläche oder an Teilen auftreten, die nicht für eine Befeuchtung vorgesehen sind. Wasser darf also nur in Bereiche eindringen, in denen es schadlos nach außen abgeführt werden kann.
Der Prüfdruck einer bestimmten Klasse ist wie bei den Vorhangfassaden mit dem Faktor 0,25 direkt aus dem zugehörigen Winddruck abgelei-tet und entspricht als gefühlter Wert durchaus der Realität.
3. Luftdurchlässigkeit
Der durch ein geschlossenes und verriegeltes Bauelement stattfindende Luftaustausch ist als Luftdurchlässigkeit (früher: Fugendurchlässigkeit) bei einer bestimmten Luftdruckdifferenz definiert. Für die Klassifizierung ist die Referenzdurchlässigkeit bei 100 Pa maßgebend. Diese kann auf die Fläche (m3/hm2) oder auf die Fugenlänge (m3/hm) bezogen werden. In Deutschland ist bisher die auf die Fugenlänge bezogene Angabe üblich. Für Fenster besteht eine ausdrückliche Anforderung in der EnEV.
4. Weitere Anforderungen
Anders als im Vorläufer-Papier, den Einsatzempfehlungen des ift, beschreibt die Norm zahlreiche weitere Anforderungen, die an Fenster und Haustüren gestellt werden können. Allerdings kann eine solche Norm etwa bei der Wärmedämmung keine absoluten Werte enthalten, da diese vom jeweiligen Stand der Verordnungsgebung (EnEV) und auch von speziellen Kundenwünschen abhängig sind. Gleiches gilt für die Strahlungseigenschaften des eingesetzten Isolierglases, die ebenfalls regelmäßig zu beachten und im CE-Zeichen zu dokumentieren sind.
Für weitere Merkmale wie etwa Bedienungskräfte, mechanische Festigkeit, Dauerfunktion, Differenzklimaverhalten oder Einbruchhemmung, die allesamt in Deutschland nicht bauaufsichtlich eingeführt sind, gibt es erläuternde Hinweise auf geltende Normen und Empfehlungen für dann anzuschreibende Klassen. Die Normer haben allerdings bewusst vermieden, auf diese Weise Mindestklassen als in jedem Fall zu erbringende Merkmale festzulegen – dies hätte für die betroffenen Produkte unweigerlich eine Verteuerung bedeutet.
Tabellen. Die zentralen Aussagen zu Beanspruchungsklassen für Fenster und Außentüren werden in den Tabellen der Norm getroffen, die jeweils für eine bestimmte Geländekategorie angelegt sind. Sie enthalten für die Anforderungen Windwiderstand, Schlagregendichtheit und Luftdurchlässigkeit in den verschiedenen Einbauhöhen-Bereichen die erforderlichen beziehungsweise empfohlenen Klassen oder Werte für die genannten Merkmale. Dazu gibt es auch Erläuterungen, wie die einzelnen Werte zustande kommen.
Die Anwendung dieser Einsatz-Tabellen (ein Beispiel aus dem Norm-Entwurf findet sich unten) geschieht in folgenden Schritten:
* Bestimmen der Geländekategorie
* Bestimmen der Einbauhöhe
* Bestimmen der Windzone anhand der Gebäudelage und der Windzonenkarte
* Bestimmen der Klassifizierung mittels angegebener Tabelle, getrennt nach Gebäudemitte beziehungsweise Gebäuderand
* Zusammenstellen der Leistungsstufen
In Situationen mit besonders hoher Belastung – beispielsweise bei einer Geländehöhe von mehr als 800 m über NN oder stets bei Einbauhöhen über 25 m – muss der Planer die Anforderungen gesondert ermitteln und vorgeben.
Zusammenfassung. Die Produktnorm DIN EN 14351-1 „Fenster und Außentüren“ beschreibt zahlreiche mögliche Leistungseigenschaften von Bauelementen. Angesichts dieser Vielzahl und der Notwendigkeit, diese Norm national umzusetzen, wurde der Entwurf zur DIN 18055 in grundlegend überarbeiteter Form herausgebracht.
Diese Unterlage wendet sich an die ausschrei-benden Stellen, an die Planer und an die Bauausführenden, die speziell im Altbau Planungsaufgaben wahrzunehmen haben. Sie soll in ihrer Endfassung als neue DIN 18055 die Umsetzungsarbeit der europäischen Produktnorm hin zu den nationalen Anforderungen leisten.
Künftig soll es noch weniger möglich sein, einfach die höchsten Anforderungsklassen auszuschreiben, weil hohe Klassen konstruktiven Aufwand bedeuten und damit Geld kosten. Man wird folglich dazu kommen müssen, anforderungsgerechte Bauteile auszuschreiben beziehungsweise anzubieten. Für diesen Zweck ist die Neuausgabe der DIN 18055 vorgesehen. Sie darf - nach ihrem Erscheinen im Weißdruck – in keinem Betrieb des Fenster- und Haustürenbaues und natürlich auch in keinem Architekturbüro fehlen.