Glasdicke zukünftig nach DIN (6)
Bekanntlich wird in Deutschland die Glasdimensionierung seit einiger Zeit auf eine neue Grundlage gestellt. Im sechsten Teil seines Beitrages befasst sich unser Fachautor mit dem letzten bereits veröffentlichten Teil des neuen Normen-Entwurfes, E DIN 18008-5:2011-10.
Etwa ab Mitte des Jahres 2013 wird die aus insgesamt sieben Teilen bestehende Normenfamilie DIN 18008 die bisherigen bauaufsichtlichen Regelungen zu den „linienförmig gelagerten Verglasungen“ (TRLV), zu den „punktförmig gelagerten Verglasungen“ (TRPV) und zu den „absturzsichernden Verglasungen“ (TRAV) sowie Veröffentlichungen des Deutschen Institutes für Bautechnik (DIBt), Berlin, ablösen und einige Regelungsbereiche neu beschreiben. Nachdem die beiden ersten Teile der Normenreihe im Dezember 2010 im Weißdruck erschienen sind, wurde jetzt auch Teil 5 zu begehbaren Verglasungen als Entwurf veröffentlicht. Mit ihm begegnen uns - etwas anders als bei den Teilen 1 bis 4 - nur wenige Inhalte von Unterlagen, die vorher zu diesem Bereich bestanden und sich durchaus bewährt haben. Hier ist insbesondere das DIBt-Arbeitspapier „Anforderungen an begehbare Verglasungen; Empfehlungen für das Zustimmungsverfahren“ zu nennen, das von 2000 bis 2009 mehrere Auflagen erfahren hat. Das dort beschriebene aufwendige Verfahren ist nicht mehr erforderlich, wenn Teil 5 der neuen Norm bauaufsichtlich eingeführt sein wird. Auch wurden Anleihen bei einem Papier der baden-württembergischen Bauaufsicht zu „Freistellungen“ aus dem Jahr 2003 gemacht.
Anwendungsbereich. E DIN 18008-5 beschreibt eine relativ neue Anwendung, nämlich Glas als Treppenstufen, -podeste oder als „Fußboden“ von Stegen sowie als Abdeckung von Lichtschächten – Glas also, das ausschließlich mit planmäßigem Personenverkehr bei üblicher Nutzung mit maximal 5 kN/m² belastet wird. Dieser Normenteil gilt ausdrücklich nicht für Verglasungen, die nur zum Zwecke der Instandhaltung betreten werden. Diese sollen speziell im geplanten Teil 6 der Normenreihe (s.a. Kasten „Die Normen-Familie DIN 18008“) behandelt werden.
Als Bauprodukt darf ausschließlich aus drei Scheiben bestehendes Verbundsicherheitsglas (VSG) verwendet werden. Zu den Anwendungsbedingungen ist eine den örtlichen Gegebenheiten entsprechende Rutschhemmung ebenso gefordert wie eine Lagesicherung durch geeignete mechanische Halterungen, gegebenenfalls auch gegen Abheben. Dazu müssen die Haltekonstruktionen eine zwängungsarme Montage mit ausreichendem Glaseinstand gewährleisten.
Einwirkungen/Nachweise. Gefordert werden ein statischer Nachweis sowie eine Untersuchung der Grenzzustände für stoßartige Einwirkung und der Resttragfähigkeit. Dabei sind Tragfähigkeit und Gebrauchstauglichkeit von Verglasungen und ihren Stützkonstruktionen für die Einwirkungen aus bauaufsichtlich bekannt gemachten Technischen Baubestimmungen rechnerisch nachzuweisen; statische Nachweise der Verglasung sind nach den Teilen 1 bis 3 dieser Normenreihe zu führen.
Zusätzlich ist der Lastfall „Eigengewicht und Einzellast“ mit einer Aufstandsfläche von 50 x 50 mm in ungünstigster Laststellung zu untersuchen. Die Größen der Flächen- und der Einzellasten sind von der jeweiligen Nutzungskategorie nach DIN EN 1991-1-1/NA abhängig. Der Nachweis der Tragfähigkeit ist unter zwei Gesichtspunkten zu führen:
* Alle Scheiben der Verglasung sind intakt.
* Bei dem zusätzlichen Nachweis für die außergewöhnlichen Einwirkungskombinationen ist anzunehmen, dass die obere Scheibe gebrochen ist und nicht mitträgt.
Als Grenzwert der Gebrauchstauglichkeit - bisher war das die „zulässige Durchbiegung“ - ist 1/200 der maßgebenden Stützweite anzunehmen.
Stoßsicherheit und Resttragfähigkeit sind durch Bauteilversuche zu belegen, wie in Anhang A der Norm beschrieben. Diese Nachweise sind bei Konstruktionen mit einem lichten Abstand bis 500 mm zu darunterliegenden flächigen tragenden Bauteilen nicht erforderlich. Ebenso sind diese Nachweise bei Einhaltung von Bedingungen erbracht, die im Anhang B beschrieben sind.
Anhang A. Beim Nachweis der Stoßsicherheit und Resttragfähigkeit durch Bauteilversuche wird grundsätzlich verlangt, dass die Versuche an Originalbauteilen hinsichtlich Lagerung und Verglasung durchzuführen sind. Verfälschende, günstig wirkende Einflüsse - zum Beispiel Verklebung der Gläser über die Fugenversiegelung, die bei der Originalausführung nicht dauerhaft sichergestellt ist – dürfen nicht vorhanden sein. Ferner ist dann der Stoßkörper (der bekannte „Torpedo“), der aus 800 mm Fallhöhe auf die Verglasung abgeworfen wird, als Stahlkörper mit 40 Kilogramm Gewicht und M8-Schraube als „Spitze“ beschrieben. Zudem sind weitere Versuchs-Details wie Nutzlasten und – möglichst ungünstige – Auftreffstellen benannt.
Je Variante sind mindestens zwei Probekörper zu untersuchen. Die Stoßversuche gelten als bestanden, wenn die Verglasung nicht von ihren Lagern rutscht, vom Stoßkörper nicht vollständig durchdrungen wird und keine Bruchstücke herabfallen, die Verkehrsflächen gefährden.
Die Resttragfähigkeit wird an Verglasungen untersucht, die durch den Stoßkörper geschädigt sind, und zwar unter Aufbringen der halben Nutzlast zuzüglich dem Gewicht des Stoßkörpers. Dabei ist jedenfalls die eventuell noch nicht gebrochene obere Scheibe der VSG-Einheit durch Anschlagen zu brechen. Sofern die Einzelschichten von besonders gefährdeten Sonderkonstruktionen – zum Beispiel zweiseitig linienförmig gelagerte Verglasungen mit drei Schichten - durch den Stoßkörper noch nicht alle gebrochen sind, ist dieser Zustand durch Anschlagen herzustellen. Der Versuch gilt in der Regel als bestanden, wenn die Standzeit mindestens 30 Minuten beträgt.
Anhang B. Hier geht es um Konstruktionen, deren Stoßsicherheit und Resttragfähigkeit bereits nachgewiesen sind. Dies gilt für allseitig linienförmig gelagerte Verglasungen im Sinne der Norm bei 3-fach-VSG mit Zwischenfolien aus mindestens 1,52 mm PVB und Einhalten der vorgegebenen Bedingungen.
Die Verglasungen müssen entlang aller Ränder durchgehend linienförmig gelagert sein. Zum Schutz vor Stößen müssen die Kanten der Verglasungen durch die Stützkonstruktion oder durch angrenzende Scheiben gesichert sein. In den genannten Glasaufbauten darf bei der oberen Schicht das TVG durch ESG oder ESG-H ersetzt werden; ansonsten darf anstelle von Floatglas auch TVG verwendet werden. Die Auflager-Zwischenlager aus Silikon, EPDM oder Gummi müssen zwischen 5 und 10 mm dick sein.
Bewertung. Sehr positiv ist, dass diese Glas-Anwendung, die sich zunehmender Beliebtheit erfreut, allgemein und bauaufsichtlich beschrieben wird. Leider aber hat den Normenausschuss unterwegs anscheinend der Mut verlassen: In einem Arbeitspapier zu diesem Normenteil war nämlich zusätzlich die für Treppenstufen viel elegantere Möglichkeit der zweiseitigen linienförmigen Lagerung und der Verschraubung durch Bohrungen enthalten - eine Ausführung, die in Baden-Württemberg zuvor schon mehrere Jahre allgemein freigegeben war. Bleibt auch hier wieder die Hoffnung, dass bei den Einspruchsberatungen noch Verbesserungen erreicht werden können.