Fachkräfte im Metallbau (5)
Jeder Mitarbeiter ist wichtig. „Das ist doch klar“, sagen die einen und gehen zum Tagesgeschäft über. „Für meine Mitarbeiter muss ich was tun“, sagen die anderen und haben Erfolg. Die Wurst Stahlbau GmbH hat sich für den zweiten Weg entschieden.
Unter dem Schlagwort „Betriebliches Gesundheitsmanagement“ bündelt Stahlbauer Wurst im niedersächsischen Bersenbrück ein ganzes Paket an Maßnahmen, das dem Wohlergehen der Belegschaft dient. Selbstlose Nächstenliebe ist allerdings nicht das Motiv für das Engagement der Geschäftsführer Michael, Thomas und Christian Wurst. Auch sie verfolgen das Ziel, ein wirtschaftlich erfolgreiches Unternehmen aufzubauen und zu führen. Nach ihrer Erfahrung ist das freilich nur möglich, wenn die Mitarbeiter ihr ganzes Potenzial und ihre Kreativität einbringen. Und deshalb steht das Gesundheitsmanagement in engem Zusammenhang mit der Firmenphilosophie, für die die drei Brüder stehen und die mit dem 2004 eingeleiteten Generationswechsel Einzug in das Traditionsunternehmen halten konnte. Aber auch wirtschaftliche Notwendigkeiten haben damals gezeigt: Es ist Zeit für einen neuen Weg. Die Fluktuationsrate lag vor zehn Jahren bei rund acht Prozent. „Das bedeutet, dass man alle zwölf Jahre einmal die ganze Belegschaft austauscht - das kann man sich heutzutage nicht leisten“, nennt kaufmännischer Geschäftsführer Thomas Wurst das Kind beim Namen.
Dazu kommt ein weiterer Aspekt: „Wir sind hier nicht in der Großstadt, sondern auf dem Land. Die großen Unternehmen strecken ihre Finger nach Fachkräften bis hierher aus. Deshalb müssen wir attraktiv sein“, beschreibt Personalleiter Thomas Sperveslage das Problem. Er arbeitet seit 25 Jahren bei dem Stahlbauer und kennt die Situation bestens.
Rat von außen. Um herauszufinden, wo der Schuh drückt, setzten die Verantwortlichen im Jahr 2005 auf externe Kompetenz. Ansprechpartner war jedoch keine Unternehmens- oder Personalberatung, sondern die AOK. „Seit vielen Jahren bieten wir in der Firma eine Grippeimpfung an. Es kam die Frage auf: Was kann man noch machen im Bereich Gesundheit?“, schildert Thomas Wurst die Vorgeschichte. Die Antwort der Krankenkasse lautete „Betriebliches Gesundheitsmanagement“. Auf diesem Feld bietet die AOK zahlreiche Maßnahmen und Programme an, darunter die „Initiative Neue Qualität der Arbeit“, kurz INQA. Teilnehmer sind Firmen aus den verschiedensten Branchen, die das Angebot und die daran angeschlossenen Netzwerke nutzen. Wie Thomas Wurst beobachtete, hatten die Unternehmer-Kollegen ähnliche Beweggründe wie er, bei INQA mitzumachen. Dazu gehörte vor allem, Mitarbeiter länger zu halten und besser zu motivieren.
Unabhängige Umfrage. Erster Schritt war eine Mitarbeiterbefragung, die die AOK ausgearbeitet hatte und auch in der Firma umsetzte. Durchführung und Auswertung erfolgten also unabhängig von der Unternehmensführung, die Chefs bekamen keinen Einblick in die Einzelergebnisse. Sie erhielten eine ausgewertete Fassung, die klar die Probleme aufzeigte. Ganz oben auf der Liste standen Kommunikation und Information. „Wir kriegen immer nur Anweisungen und hören: Das war nicht richtig. Keiner sagt: Das war gut“, fasst der Personalleiter die Kritik der Mitarbeiter zusammen. Unzufriedenheit herrschte auch beim Thema Anreizgestaltung. Schon damals wurde den Geschäftsführern klar: Monetäre Anreize wirken nur kurz und nicht nachhaltig. Folglich galt es, neue Ansätze zu finden. Verbesserungsvorschläge gab es auch zum dritten von den Mitarbeitern häufig genannten Thema, der Arbeitsorganisation. Das Führungstrio ging offensiv mit der Umfrage um, „denn wir wollten ja schließlich Verbesserungen“, sagt Thomas Wurst.
Erste Signale. Die Ergebnisse der Befragung wurden den Mitarbeitern präsentiert. Entsprechend der Auswertung bildeten sich drei Arbeitskreise, in jedem saß einer der Brüder Wurst. Das war sicher ein wichtiges Signal an die Mitarbeiter, dass Ideen und Vorschläge auch wirklich umgesetzt werden sollen. Seitens der Belegschaft konnte jeder mitmachen, der sich einbringen wollte. Anfangs lag die Moderation in den Händen von AOK-Spezialisten, denn: „Das war für die Mitarbeiter eine völlig neue Situation. Sie mussten erst einmal das Vertrauen bekommen, offen reden zu können“, sagt Thomas Wurst. „Man darf alles sagen“ – der offene Umgang miteinander nach diesem Motto ist der Unternehmensleitung nach wie vor wichtig. Das zeigt zum Beispiel das Chef-Frühstück, das einmal im Quartal im Kalender steht. Die Geschäftsführer setzen sich mit einigen Mitarbeitern zusammen, und dann heißt es „Feuer frei“ für die Werker und Angestellten. Die Teilnehmer wechseln durch, sodass jeder einmal drankommt. Thomas Wurst erinnert sich noch gut an die Anfangsschwierigkeiten, „bis das Vertrauen da war, dass man wirklich ehrlich reden darf“. Fester Bestandteil im Tagesgeschäft ist mittlerweile auch der Arbeitskreis Anreizgestaltung - „weil das eine Daueraufgabe ist“, so Thomas Wurst.
Strategische Arbeit. Früher traf sich eine kleine Runde auf Ebene der Geschäftsleitung zum „Brainstorming“. Jetzt ist es normal, dass auch gelegentlich 25 Mitarbeiter zusammenkommen und ihre Ideen in die Runde werfen. Thomas Sperveslage nennt ein konkretes Beispiel, wie ernst die Sorgen der Mitarbeiter genommen und wie Probleme gelöst werden. „Es kam die Frage auf: Mein Kollege raucht und unterbricht dafür die Arbeit. Wie geht das bei gleicher Arbeitszeit? In den strategischen Gesprächen sprach sich die Belegschaft dafür aus, dass Rauchpausen ausgestempelt werden müssen.“ Diese Lösung wurde gemeinsam erarbeitet und wird jetzt auch von allen mitgetragen. Honoriert wird auch der mittlerweile offene Umgang mit Informationen. „Die Menschen interessiert, ob wir genug Arbeit haben“, sagt Thomas Wurst, „denn daran hängt immerhin die Frage nach der Sicherheit der Arbeitsplätze.“ Wichtig ist den Verantwortlichen auch, dass bei der Arbeit eine Fehlerkultur gepflegt wird. Das heißt: Aus Fehlern kann man lernen.
Messbarer Erfolg. Das Bemühen um die Mitarbeiter trägt inzwischen Früchte, betriebliches Gesundheitsmanagement und Firmenphilosophie sind im Arbeitsalltag aufgegangen. Das lässt sich direkt an den Betriebsergebnissen ablesen, wie die Zahlen zur Fluktuation und den krankheitsbedingten Fehlzeiten zeigen. Bis Mitte 2011 landete eine Kündigung auf dem Schreibtisch des Personalleiters, die Quote liegt quasi bei Null; und der Krankenstand sank von 6,5 Prozent im Jahr 2005 auf 4,0 Prozent. Aber die Geschäftsführung hat bei dem Prozess auch gelernt: Neue Ideen brauchen einen langen Atem. Zu überwinden galt es dabei jedoch nicht finanzielle Hindernisse. Eine Kosten-Nutzen-Analyse des betrieblichen Gesundheitsmanagements bei Wurst zeigt: Die Investitionen pro Kopf und Jahr betragen 235 Euro. Der „Return on Invest“ liegt bei 1:4. Das heißt, ein eingesetzter Euro bringt vier Euro Ersparnis. „Wie so oft bei Neuem überwog auch bei uns im Unternehmen anfangs die Skepsis, und es war viel Überzeugungsarbeit nötig“, erinnert sich Thomas Sperveslage an den mitunter mühsamen Weg. Geschäftsführer Thomas Wurst bringt es auf den Punkt: „Ob Wertschätzung, offene Kommunikation und Information oder der Umgang miteinander: Die Chefs sind Vorbild. Wenn das alles in der Geschäftsführung nicht verankert ist, machen die Maßnahmen keinen Sinn.“
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