Fassadenmontage
Zwei Metallbauer der Lenderoth GmbH, Bremen, reisten kürzlich in die Antarktis, wo sie Fassaden- und Brandschutzelemente für eine indische Forschungsstation verbauten. Hunderte Pinguine sahen ihnen dabei zu – hier der Bericht über einen Auftrag der besonderen Art.
Baustellen in der Fremde gehören für Fachkräfte im Metall- und Fassadenbau zum Alltag. Für Peter Wirtz und Sven Gurka hat dieses Thema aber eine ganz besondere Dimension: Die beiden gelernten Metallbauer waren im Auftrag ihres Arbeitgebers, der Lenderoth Glasfassaden Metallbau GmbH, rund vier Monate in der Antarktis, um dort - 15.000 Kilometer vom Firmensitz Bremen entfernt - in den Larsemann Hills die in der eigenen Werkstatt vorgefertigten Fassaden- und Brandschutzelemente der Bharati Polarstation zu montieren.
Mit der im April 2012 erfolgten Inbetriebnahme der Station endete vorläufig ein Projekt, dessen Anfänge bereits sechs Jahre zurückliegen. Das indische National Centre for Antarctic and Ocean Research (NCAOR) hatte damals einen Wettbewerb zur Planung einer indischen Forschungsstation in der Antarktis gestartet. Aus dem Verfahren ging ein Konsortium als Sieger hervor, bestehend aus der IMS Ingenieurgesellschaft, bof Architekten (beide Hamburg) sowie der Braunschweiger m+p Consulting, zuständig für die Gebäudetechnik. Die Bremer Kaefer Construction GmbH erhielt im weiteren Verlauf den Zuschlag als Generalunternehmer (GU) für die Konstruktion der Station. Als Bremer Unternehmen hatten Kaefer und Lenderoth schon früher für beide Seiten erfolgreiche Geschäftsbeziehungen unterhalten, sodass das Familienunternehmen für die Metall- und Fassadenbereiche dieses ungewöhnlichen Projektes vom GU ebenfalls in die Ausschreibung einbezogen wurde. Hintergrund dazu: „Bei Kaefer war von früheren Projekten her bekannt, dass wir mit unserer hauseigenen Planungsabteilung Vorteile bieten, die dazu beitragen können, das unter starkem Zeitdruck stehende Projekt termingerecht zum Erfolg zu bringen“, erklärt Axel Lenderoth, der zusammen mit seinem Sohn Christophe als geschäftsführender Gesellschafter des Metall- und Fassadenbauunternehmens fungiert.
Entwicklungsdetails. Die gestalterische Planung der Station lag beim Hamburger Büro bof Architekten. Grundidee war ein „Gebäudekern“ aus versetzt gestapelten und technisch modifizierten Containern, umgeben von einer Stahlunterkonstruktion und einer darauf montierten Paneelfassade als Gebäudehülle. Es entstand ein zweischaliger Aufbau mit einem Zwischenraum zwischen der Paneel-Außenhülle und den Containerwänden. Dieser dient nicht nur als Luftpolster zum Temperaturausgleich, sondern auch als Raum für Versorgungsleitungen, als Zugang für Wartungsarbeiten sowie als Fluchtweg.
Die Fassaden-Ausführungspläne von bof Architekten gelangten schließlich zu Lenderoth. Hier entstanden dann zwischen Mai und Juli 2011 die entsprechenden Detailpläne für die Fassadenelemente mit Glasfronten und für die Brandschutzelemente (Fenster und Türen), nach denen zunächst in Bremen gefertigt wurde und später das Montageteam mit Peter Wirtz und Sven Gurka letztlich vor Ort gearbeitet hat.
Eine Herausforderung stellten die außergewöhnlich großen Glasfronten für die Nord- und Südfassade (zusammen rund 90 Quadratmeter) der Polarstation dar. Für die Architekten der Clou ihres Entwurfes: „Wir wollten den Wissenschaftlern die Möglichkeit bieten, das Naturschauspiel Antarktis vor der Tür auch direkt durch Panoramafenster zu bewundern“, sagt Bert Bücking von bof Architekten. Entwicklungsdetails und Konstruktion der Fassade orientierten sich an den extremen Wetterbedingungen in der Antarktis. Windgeschwindigkeiten von 270 km/h, Winterstürme mit riesigen Schneemengen und Temperaturen von -40°C und darunter schaffen thermische und mechanische Belastungen höchsten Ausmaßes für die Gebäudehülle. Das Phänomen drastischer Temperaturwechsel war im Übrigen schon während des Transportes der Fassadenbauteile absehbar, schließlich überquerte das russische Transportschiff auf seinem Weg von Antwerpen über Kapstadt bis in die Antarktis den Äquator mit entsprechend heißen Temperaturen, die dann im weiteren Verlauf der Seereise bis zu den Larsemann Hills wieder drastisch sinken würden. Axel Lenderoth: „Diese Differenzen mussten wir in der Planung berücksichtigen und haben daher schiebende Fugen eingebaut, die die hohen Temperatur-Spannen ausgleichen.“
Die Glasfassade. Auf spezielle technische Regeln, Normen oder Richtwerte konnten die Planer bei Lenderoth nicht zurückgreifen: „Es gab keine“, so Axel Lenderoth, „wenn wir recherchiert haben, wie sich ein bestimmtes Baudetail, Material oder Verfahren denn bei -40°C verhält, haben wir keine Antworten gefunden.“ Lenderoth beauftragte in der Planungsphase allerdings ein Statikbüro mit der Berechnung von entstehenden Lasten, von notwendigen Materialstärken etc. Als hilfreich erwiesen sich zudem die Ergebnisse aus Windkanalversuchen, die an einem Modell der Station in Indien durchgeführt wurden. Der Glasfassadenteil des Komplexes besteht aus einer modifizierten Pfosten-Riegel-Konstruktion und dreifach isolierten Glaselementen mit einer 15°-Neigung an der Nord- und Südseite. Die Basis hierfür bilden die WICONA-Systeme WICTEC 50 und WICLINE 75 evo, beide in der HI-Version (high insulated). Mit diesem Aufbau wurde der exzellente Ucw-Wert von 0,8 W/(m²K) erzielt. Als technische Besonderheit und den klimatischen Bedingungen geschuldet sind die Aluminiumrahmen mit elektrischen Heizdrähten ausgestattet.
Brandschutz. Bei den Container-Fenstern und -türen sowie bei den Zugängen zu den Aufenthaltsbereichen (Lounge, Laborräume) stand das Thema Feuerschutz im Vordergrund. Es kamen Brandschutztüren (T30) und Brandschutzfenster (F30) mit Drehflügeln zum Einsatz. Auch in diesem Fall bilden mit den WICONA-Systemen WICLINE 75 und WICSTYLE 77 – beide in der Version FP (fire protected) - normale Serienprodukte die Basis der Konstruktion. „Somit hatten wir auch den Vorteil, nicht extra Brandprüfungen absolvieren zu müssen, sondern die vorliegenden Brandschutz-Zertifikate von WICONA dienten als Nachweise“, so Axel Lenderoth. Abweichend von der sonst üblichen Montagepraxis fertigten die Bremer Metallbauer für alle 30 Fassadenelemente der Station zusätzliche Adapterrahmen aus thermisch getrenntem Stahl, um die Präzision beim Einbau zu gewährleisten und die Montagegeschwindigkeit vor Ort zu erhöhen.
Test und Transport. Ende August 2011 dann die Bewährungsprobe beim Testaufbau im Duisburger Hafen: Im Beisein von Vertretern des indischen Auftraggebers wurden Container- und Fassadenbauteile aufgestellt und montiert. Axel Lenderoth war natürlich dabei: „Es war spannend, aber der Test verlief wirklich ohne Probleme. Es blieben am Ende nur Kleinigkeiten, die noch verändert werden mussten, beispielsweise die Kabelführung für die Rahmenheizung der Fassadenelemente.“ Am Schluss erteilten die Inder die Freigabe für die Ausführung.
Mit der Verladung der 134 Containermodule und der gesamten Ausrüstung einschließlich Kran und Hebebühnen begann für Peter Wirtz und Sven Gurka das Abenteuer Antarktis. Am 26. Oktober 2011 traten sie ihre Reise zusammen mit Experten anderer Gewerke an Bord des russischen Frachters „Ivan Papanin“ von Kapstadt aus Richtung Larsemann Hills an. Vor ihnen lag der antarktische Sommer - vier Monate mit Tageslicht und vergleichsweise erträglichen Außentemperaturen. Bis Ende März 2012 musste die Montage abgeschlossen sein. 80 Kilometer vor dem Ziel geriet das Schiff im November 2011 dann in undurchdringliches Eis, konnte bis zum Eintreffen eines Eisbrechers nicht weiterfahren und wurde Container für Container per Hubschrauber entladen.
Die Montage. Am Zielort angekommen, wurden zunächst das Bau-Camp und am 4. Dezember 2011 die ersten Elemente der Bharati-Station errichtet. Gemäß dem Grundprinzip der Architekten bilden die 134 Container und die in 21 Achsen unterteilte Stahlkonstruktion das Hauptsystem, auf das dann die Paneel-Fassade montiert wurde. Man arbeitete als internationales Team: So, wie Peter Wirtz und Sven Gurka zuvor beim Aufbau des Bau-Quartiers und des Stahlgerippes geholfen hatten, erhielten sie jetzt Unterstützung von der restlichen Crew bei der Fassadenmontage. Dazu verwendete man einen Mobilkran, mit dem die gedämmten Paneele und die gläsernen Fassadenteile verbaut wurden. Hier zeigte sich, dass der vorherige enorme Planungsaufwand gerechtfertigt war: Die Montage verlief ohne große Zwischenfälle oder technische Schwierigkeiten, Nacharbeiten waren nicht erforderlich.
Am 23. Februar 2012 war es geschafft, die beiden Lenderoth-Mitarbeiter hatten das letzte Fassadenteil verbaut und traten über Kapstadt den Heimweg nach Bremen an. Der kurz danach einsetzende antarktische Winter sorgte für eine Zäsur bei der Fertigstellung. Gut 90 Prozent der Arbeiten konnten beendet werden, ein Team von 15 indischen Forschern hat die Station im April 2012 in Betrieb genommen. In den dunklen Monaten bis zum nächsten Polarsommer laufen nun die ersten Forschungsarbeiten auf der Bharati-Station. Auch dabei werden die Pinguine wieder neugierig zuschauen…
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Christophe Lenderoth GmbH
Glasfassaden – Metallbau
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