Smart Home - Zukunftsmarkt für Metallbauer
Mehr Komfort, höhere Sicherheit, Energie sparen oder optimales Wohnklima – es gibt vielfache Motive, weshalb sich Bauherren für ein Smart-Home-System entscheiden. Aktuell werden überwiegend Teillösungen auf Basis von verschiedenen Funkstandards angeboten. Smart Home geht einen Schritt weiter: Es geht um intelligente Vernetzung von elektrischen Geräten und Bauteilen aller Art. Handwerker sind gefragt, für sie öffnet sich ein neues Marktfeld.
Glaubt man den Statistiken, so leben wir bereits mitten in der digitalen Welt von Smart Home. Die Gesellschaft für Konsumforschung GfK informierte im Dezember 2016 die Presse über steigende Verkaufszahlen von Smart-Home-kompatiblen Produkten und bezifferte den deutschen Umsatz mit 3,1 Mrd. Euro, das Weihnachtsgeschäft außen vor. „Ein intelligentes Zuhause, in dem alle Geräte miteinander verbunden sind und sich über das Smartphone oder Tablet überwachen und steuern lassen, wird bei Verbrauchern zunehmend beliebter“, war zu lesen. 72 Prozent der Bundesbürger seien von Smart Home überzeugt.
Aber noch sind viele Systeme teuer, der Markt ist proprietär und jeder Hersteller kocht sein eigenes Süppchen. Viele mechatronische Bauelemente sind nur mit einer bestimmten, herstellergebundenen Steuerung kompatibel. Und auch Hersteller-Allianzen verfolgen das Ziel, sich nur gegenseitig Kompatibilität zu gewährleisten und ein bestimmtes Smart-Home-System voranzutreiben.
Für den Durchschnittsanwender wirkt die vorhandene Produktvielfalt eher verstörend: Man braucht einiges an Fachwissen, um wirklich durchzublicken. Mit Smart Home können etwa Rollladen, Garagentore, Heizkörper oder Überwachungskameras elektrisch gesteuert werden, entweder einzeln oder von einem zentralen Steuergerät aus. Sollen Szenarien gebildet oder nur bestimmte Gruppen angesteuert werden, müssen die Komponenten miteinander vernetzt sein, kabelgebunden über ein Bus-System wie KNX oder kabellos über Funktechnik. Von einem Smart Home spricht man, wenn Haustechnik, Hausgeräte und Unterhaltungselektronik untereinander vernetzt und so den Wünschen der Nutzer individuell angepasst werden können. Sie werden mittels Sensoren und Aktoren automatisiert bedient, sind fernsteuerbar und der Nutzer kann jederzeit eingreifen.
In der Praxis setzen die meisten Verbraucher immer dann modernere Technik ein, wenn zum Beispiel die Markise erneuert oder das Garagentor ausgetauscht wird. Hier konnte der Metallbauer bereits in der Vergangenheit Umsatz generieren. Sind erste Komponenten automatisiert, entsteht nicht selten der Wunsch, dies auf andere Hausbereiche auszudehnen. Die Waschmaschine erhält dann eine Zeitsteuerung, die Rollläden werden mit elektrischen Gurtwicklern oder Rohrmotoren nachgerüstet, der Garten wird regen- und hitzeabhängig bewässert. Bis zu diesem Zeitpunkt mussten bereits Elektroleitungen ergänzt und separate Steuerungs- und Bedienelemente in vorhandene Unterputzdosen eingebaut werden. So hat mancher Bauherr vier Steuerungen im Einsatz, nutzt dazu vier Apps und vier Fernbedienungen auf Basis unterschiedlicher Funksysteme.
Zuviel der Herausforderung
Die Überlegung liegt nahe, dass die proprietären Systeme in einer übergeordneten Steuerung zusammengeführt werden, um den Mix aus Teilsystemen zu beenden. Denn richtig komfortabel wird das Haus erst dann, wenn sich beispielsweise die Heizungsventile mit den Jalousien situationsbezogen abstimmen und auch die Informationen von Temperatursensoren oder geöffneten Fenstern mit einbeziehen, um die gewünschte Raumtemperatur selbstständig zu erreichen und zu halten. Unweigerlich entsteht die Frage: Welcher Anbieter unterstützt welche Funktionen bzw. bietet welche Schnittstellen an?
Und an diesem Punkt wird eine generelle Planung gebraucht, muss eventuell sogar ein Netzwerkplaner zu Rate gezogen werden. Denn auch daran wird selten gedacht: Werden verschiedene proprietäre Funkstandards in einem übergeordneten System zusammengeführt, stellt sich für den Endkunden immer die Frage, an wen wendet er sich bei einer Frage oder Störung? Vor allem dann, wenn noch nicht feststeht, ob das Problem von der Waschmaschine oder von der Rollladensteuerung herrührt.
Der Metallbauer, der bis dato beim Kunden erfolgreich Teilbereiche nachgerüstet hat, kommt an seine Grenzen. Um ausreichend beraten zu können, braucht er tiefere Fachkenntnisse in einem derzeit eher unübersichtlichen Markt. Für die Installation muss er außerdem mit einem Elektrofachbetrieb kooperieren. „Und wir haben momentan die Situation“, ergänzt Eva Krepstekies, Vertriebsleiterin für Rollladen- und Sonnenschutz sowie Beschlaghandel bei Rademacher, „dass der Endkunde meist besser informiert ist als der Metallbauer und mit einer vorgefassten Meinung auftritt. Die Beratung wird auch deshalb kompliziert, weil die vielen Systeme zwar ähnlich beworben werden, aber ganz unterschiedliche Dinge können. Und die beiden schwierigsten Fragen müssen zuerst herausgefunden werden: Was will der Kunde, welches System ist für ihn das richtige?“ Das ist immer auch ein Blick in die Zukunft. Und die kann sich bekanntlich ganz anders entwickeln.
Krepstekies findet, dass das Thema Smart Home für den Metallbauer eine große Herausforderung ist. „Sie haben normalerweise andere Aufgaben, kennen sich in ihrem Handwerk bestens aus. Doch alle Produkte und Systeme, die Metallbauer verarbeiten, werden immer anspruchsvoller, im Betrieb müssen ständig neue Normen und Anforderungen erfüllt werden. Sie müssen sich permanent weiterbilden und kommen nicht mehr zu ihren eigentlichen Aufgaben“, sagt sie.
Eine gute Beratung ist Geld wert
Eines scheint klar: Der Metallbauer wird kein typischer Smart- Home-Verkäufer. Aber er verfügt über erstklassige Trägerprodukte, die er mittels elektrischer Bedienung und automatischer Steuerung attraktiver und smarter machen kann. Das sollte der Ansatz sein. So kann er neue Aufträge gewinnen und mehr Umsatz generieren. Auch Unternehmen, die mit Margen zu kämpfen haben, finden mit Smart Home eine Spezialisierungsrichtung, die vermutlich nicht sehr viele mitgehen werden. Wer bis jetzt überwiegend Produktverkäufer ist und Montagen erledigt, der kann auch hier zum Lösungsanbieter werden. Nützlich sind entsprechende Qualifikationen wie zum Beispiel der Schein Elektrofachkraft für festgelegte Tätigkeiten und ein gut funktionierendes Handwerkernetzwerk, in dem man feste Kooperationen begründen und dem Endkunden alle erforderlichen Dienstleistungen anbieten kann. Eine andere Variante wäre, direkt einen Elektriker bzw. Netzwerktechniker einzustellen. Eva Krepstekies gibt noch einen Hinweis zum Elektroschein: „Das Zertifikat allein nützt nichts, der Handwerker muss für die ausgewiesenen Tätigkeiten auch bestellt sein. Das macht ein Prüfer im Unternehmen, viele wissen das nicht. Außerdem muss der Elektroschein in regelmäßigen Abständen aufgefrischt werden.“
Unterm Strich wird klar: Das Handwerk befindet sich im Wandel. Neben der eigentlichen handwerklichen Arbeit in der Werkstatt werden zunehmend elektrische oder automatisierungstechnische Kenntnisse verlangt. Weil aber auch die Beratung, Inbetriebnahme und Konfiguration der Produkte beim Kunden zunehmend anspruchsvoller wird, sollte dies künftig keine Gratisleistung mehr sein. Eva Krepstekies rät: „Für eine kompetente, ausführliche Beratung darf man ruhig Geld verlangen, denn das ist eine Leistung. Der Endverbraucher ist das aktuell nicht gewöhnt, aber er bezahlt ja auch jeden Architektenentwurf oder Plan vom Gartenbauer. Egal, ob am Ende ein Auftrag erteilt wird.“
Kabel oder Funk
Nach Einschätzung von Bernd Riedmann, in der Geschäftsleitung von Warema für Produktmanagement und Marketing verantwortlich, werden derzeit maximal zehn Prozent aller neu errichteten Einfamilienhäuser mit modernster Smart-Home-Technik ausgestattet. Der überwiegende Teil der Häuslebauer hat also entweder an diesem Thema (noch) kein Interesse oder kein Budget. Wer neu baut oder kernsaniert, dem sei die Installation des drahtgebundenen KNX-Systems empfohlen. KNX ist ein weltweit anerkannter, offener Feldbus-Standard in der Gebäudeautomation, der aber aufgrund der erhöhten Investitionskosten bisher vorwiegend in Zweckbauten installiert wird. Der große Vorteil eines kabelgebundenen Systems gegenüber einem Funksystem ist vor allem die Sicherheit in der Datenübertragung. „Über eine Leitung kommt eine Information immer sicher an und ist auch gegen Angriffe von außen geschützt. Das ist aber eine Grundsatzentscheidung und beruht auf unterschiedlichen Sichtweisen“, sagt Bernd Riedmann. „Hersteller von Funktechnik werden stets propagieren, dass Funk die beste Lösung sei. Das mag beim Nachrüsten oder Kleinanwendungen auch richtig sein.“
Warema ist deshalb der Marken-Allianz Connected Comfort beigetreten, einem Zusammenschluss von marktführenden Herstellern von Haustechnik-Produkten. Dazu gehören die Unternehmen Miele für Hausgeräte, Brumberg für Leuchten, Revox für Audio-Anwendungen, Loewe für Video und Fernsehen, Dornbracht für intelligente Armaturen, Warema für Sonnenschutz und Gira für die Elektrotechnik. Über den Gira-Home-Server werden die Gewerke untereinander verknüpft.
Ein weiterer Vorteil von kabelgebundenen Systemen ist, dass sich die vorhandenen Komponenten innerhalb des Netzwerkes leicht umwidmen lassen. So kann ein vorhandener Lichtschalter beispielsweise zum Einschalten des Rasensprengers umfunktioniert werden. Der große Nachteil von KNX ist die zusätzliche Verkabelung, die bei älteren Häusern und Wohnungen zu vertretbaren Kosten nur über Putz erfolgen kann. Auch KNX bietet eine Funkversion, den Funkstandard KNX-RF. Er kann sowohl mit einem bestehenden KNX-Bus-System gekoppelt, als auch allein betrieben werden. Nachrüstungen sind also problemlos zu realisieren und KNX-RF-kompatible Geräte unterschiedlicher Hersteller lassen sich miteinander vernetzen.
Auf die Frequenzen achten
Die meisten Funklösungen verwenden Frequenzen im 868-MHz-Band, gefolgt von WLAN. Üblich sind auch das 433-MHz-Band und das häufig genutzte 2,4-GHz-Band, das auch WLAN nutzt. Aktuell wird vor allem dem 868-MHz-Band eine hohe Zuverlässigkeit zugeschrieben. Experten warnen aber zunehmend vor der Überlastung bestimmter, lizenzfreier Bandbreiten, da immer mehr Geräte und Systeme diese nutzen. Die Stabilität von Funkanwendungen wird also auch immer von der konkreten Situation vor Ort abhängen. Bei der Installation von Funklösungen sollte beachtet werden, dass die Reichweite von elektromagnetischen Wellen durch Hindernisse und bauliche Gegebenheiten mehr oder weniger stark beeinflusst wird. Grundsätzlich gilt, dass annähernd quadratische Räume mit hohen Decken die besten Ausbreitungsmöglichkeiten bieten, während langgestreckte enge Flure, viele Wände, Betonwände und Metallflächen die Ausbreitung einschränken. Auf die richtige Positionierung von Empfangs- und Sendegeräten ist daher zu achten. Vorteilhaft ist auch eine Routingfunktion, bei der jeder Empfänger zugleich als Sender arbeitet. Dabei sprechen alle Teilnehmer gleichzeitig miteinander und die Signale suchen sich automatisch den optimalen Weg.
Bidirektionale Funksysteme haben den Vorteil, dass die angeschlossenen Geräte und Komponenten ihren Status an die Steuerung unmittelbar zurückmelden. Der Anwender erfährt sofort, ob Befehle wie ‚Markise ausfahren‘ auch tatsächlich ausgeführt wurden und kann bei Bedarf auf die Hausautomation zugreifen, auch von unterwegs.
Zwei Beispiele für Funksysteme
Zu den weit verbreiteten Funksystemen im Smart Home gehört io-homecontrol von Somfy. Sämtliche io-fähigen Geräte unterschiedlicher Hersteller lassen sich mit einer einzigen Fernsteuerung bedienen. Die Datenübertragung erfolgt im 868 bis 870 MHz-Band bis zu einer Distanz von ca. 20 Metern im Gebäude. Die Tahoma-Steuerungsbox von Somfy wird an einen Router angeschlossen und einmalig auf einer gesicherten Website von Somfy registriert. Für die Bedienung per Smartphone oder Tablet gibt es einfach bedienbare Apps. „Wer also zunächst mit einem Integra-Dachfenster von Velux in die Welt der drahtlosen Haustechnik startet, kann sein Heim später jederzeit durch weitere Anwendungen mit io-homecontrol wie Rollladenantriebe von Somfy oder Heizungsregler von Honeywell schrittweise zu einem ‚intelligenten‘ Domizil erweitern“, erläutert Astrid Schluttenhofer, Expertin für Home Automation von Somfy.
Das System HomePilot von Rademacher vernetzt bis zu 100 elektrische Komponenten im Haus wie Rollläden, Licht, Heizung, Kameras, Rauchmelder und Elektrogeräte. Das proprietäre, bidirektionale Funksystem arbeitet auf der Frequenz 433 MHz, wodurch größere Entfernungen und mehrere Stockwerke überbrückt werden können. Es verfügt über eine Routing-Funktion. Das Smart-Home-System wird auf ein bestehendes LAN- oder WLAN-Netz aufgesetzt. Für die Inbetriebnahme wird ein PC mit Internet und aktuellem Browser sowie ein Internet-Router benötigt, bedient wird über Laptop, Tablet, PC oder Smartphone-Appe.
Die Sicherheit ernst nehmen
Die eingesetzte Smart-Home-Technik kann aber auch zum Sicherheitsrisiko werden. In jüngster Zeit gab es verstärkt Medienberichte, die auf die geringen Sicherheitsfeatures einiger Funksysteme hinwiesen und entsprechende Hacker-Erfolge vermeldeten. „Hier stellt sich die generelle Frage, ob es sinnvoll ist, von jedem Punkt der Welt aus das eigene Haus überwachen und steuern zu können“, gibt Bernd Riedmann zu bedenken. So testete die Redaktion des Bayerischen Fernsehens im Februar 2017 mehrere, im Handel angebotene Funksysteme und fand heraus, dass eine einfache Internetverbindung genügt, um mit wenigen Mausklicks bei wildfremden Leuten die Haustür zu öffnen, die Rollläden zu fahren oder andere Funktionen zu steuern. Dass so etwas in der Praxis bereits passiert, bestätigte IT-Sicherheitsexperte Sandro Gaycken in einem Bericht von BR-Rundschau-Reporter Tobias Brunner. „Wir hatten Fälle, wo die Heizung auf- oder zugedreht wurde und Erpressungsgeld in Bitcoin gezahlt werden musste, damit sie wieder freigeschaltet wurde.“ Weit größere Gefahren drohen, wenn Hacker tausende Einzelgeräte übernehmen und sie zu einem so genannten Bot-Netz zusammenschließen. Ein solcher Angriff führte Ende 2016 zum Ausfall der Internetrouter von fast einer Million Kunden der Deutschen Telekom. Ursachen sind meist gravierende Sicherheitslücken durch fehlende Updates oder mangelndem Passwortschutz. Leider ist für solche Fälle die Frage der Haftung nicht eindeutig geklärt. Für den Gesetzgeber gibt es deutlichen Handlungsbedarf. Um dem Sicherheitsrisiko wirksam zu begegnen, investieren Hersteller wie Somfy in aufwändige Servertests. Andere Hersteller wie Hörmann lassen Funksignale kryptologisch verschlüsseln. Schlussendlich kann die Verantwortung für die Sicherheit von Smart Home Systemen keine freiwillige Option der Hersteller bleiben.