Dr. Ulrich Barnickel

Metallbildhauer und Philosoph

Mit dem „Weg der Hoffnung“ hat Ulrich Barnickel ein Lebenswerk geschaffen. Sein persönlicher Lebensweg mit der ehemaligen innerdeutschen Grenze prägt sein Werk stark. Der Werkstoff Metall bietet ihm die Möglichkeit, die Verletzbarkeit des Menschen darzustellen. Eine Geschichte vom Autoschlosser und Schmiedemeister zum freien Künstler und Denker.

In eine Schublade lässt sich Dr. phil. Ulrich Barnickel ganz sicher nicht stecken mit seinen zahlreichen Berufen. Barnickel ist Metallbildhauer, Autoschlosser, Schmiedemeister, freischaffender Künstler und: promovierter Philosoph. In den Galerien des Landes werden seine Arbeiten neben keinen Geringeren als Georg Baselitz, Jörg Immendorf oder Markus Lüpertz ausgestellt. Mit seiner bislang umfassendsten Arbeit, dem „Weg der Hoffnung“, hat sich Barnickel vor allem bei politischen Themen wie Stasi und Unterdrückung in der DDR als Künstler einen Namen gemacht.

Am Anfang

1955, kurz bevor die innerdeutsche Mauer errichtet worden war, ist Barnickel in Weimar geboren. Nach der Schule hat er von 1978 bis 1984 in Halle Diplom-Design und Metallbau-Bildhauerei an der Künstlerschule Burg Giebichenstein studiert. Den Wert seiner Ausbildung „an der Burg“ schätzt der 63-Jährige bis heute sehr.

Das Leben und Arbeiten in der ehemaligen DDR machte dem Künstler sehr zu schaffen. „Ich konnte mich dort künstlerisch nicht entfalten. Deshalb habe ich irgendwann einen Ausreiseantrag gestellt“, erzählt er. Diese Entscheidung brachte ihm eine Untersuchungs-Haft und große Demütigungen ein. Seine Ausreise wurde zwar genehmigt, aber dann kamen an einem Abend überraschend die Leute der Staatssicherheit und befahlen ihm, seine Sachen zu packen. Am nächsten Morgen musste er das Land verlassen. Alles Geld musste er ausgeben, „in Sekt oder so“ riet man ihm zynisch.

Das war 1984. Barnickel war gerade einmal 29 Jahre alt, als er in die Bundesrepublik Deutschland einreiste.

Im Westen nichts Neues

In der BRD blies ihm anfangs ein strenger Wind entgegen. „Im damaligen Westen war es in der Kunstszene eher Mode, Happenings oder Performances zu machen“, erinnert sich Barnickel. „Und wir Metallbildhauer wurden nur als Kunsthandwerker, nicht aber als Künstler angesehen. Noch eher gingen Kuratoren als Künstler durch als wir Metaller. Das war bitter.“

Künstlerisch nah sind ihm die Bildhauer, die ihre Werke in Ton, Stein und Holz auf- und abbauend formen. Unter seiner Herkunft hat Barnickel sehr gelitten. Besonders, weil er ein Metaller aus dem ehemaligen Osten war. Er musste bitter erfahren, dass westdeutsche Künstler die künstlerischen Leistungen, die östlich des Eisernen Vorhangs entstanden sind, missachteten. „Die Vorurteile, darunter auch die von berühmten Künstlern, haben mir sehr zu schaffen gemacht. Besonders, als sich auch prominente Künstler geäußert haben, das Handwerk habe in der Kunst nichts verloren. Einem habe ich direkt gesagt, er sei ein Dummkopf! Aber damals hatte ich einfach keine Chance, mich mit meiner Metallkunst zu behaupten!“

Unternehmensgründer Metalldesign

Aber Aufgeben stand nicht auf seiner Agenda. Im Gegenteil! Barnickel gründete bereits 1985 eine eigene Firma mit dem Namen „Metall Design“ im hessischen Schlitz, wo er noch heute lebt und arbeitet. Im Laufe der Jahre beschäftigte Barnickel bis zu 29 Mitarbeiter. Schwerpunkte seiner Arbeit waren Möbel, Öfen, Einrichtungen und andere Design-Produkte. Parallel lehrte Barnickel über zehn Jahre lang Metallrestaurierung am Deutschen Zentrum für Handwerk und Denkmalpflege, auch unter dem Namen Propstei Johannesberg bekannt. Dort hat er dann zwar eines Tages aufgehört, aber ganz aufgegeben hat er die Lehre nicht.

Heute hält er zahlreiche Vorlesungen und Seminare im Ausland, in ganz Deutschland und in seiner Freien Akademie ArtenWerk. Letztgenannte betreibt Barnickel in seinem Atelier in Schlitz. Dort, auf knapp 400 Quadratmetern befindet sich Barnickels Atelier, seine Galerie und große Außenbereiche. Diesen Ort bezeichnet er gerne als sein „Refugium“, denn dort kann er die Erlebnisse seiner zahlreichen Reisen und Auslandsaufenthalte verarbeiten, die ihn sowohl als Künstler als auch als Lehrenden beispielsweise nach Dänemark, die Türkei, in die Schweiz, bis nach Tibet, Afrika, Finnland oder Norwegen geführt haben.

Unfreiwillig zum Holz

Bevor Barnickel sein eigenes Metallbildhauer-Refugium in dieser Weise schaffen konnte, musste er noch einige Schicksalsschläge verkraften. So zwang ihn ein Arbeitsunfall im Jahr 1998, der später zur Amputation seines rechten Vorfußes führte, das Fach zu wechseln. Immer wieder geriet Metall-Feinstaub in seine Wunde, was zu schmerzhaften Entzündungen führte. Vier Jahre hat der Heilungsprozess insgesamt in Anspruch genommen. In dieser Zeit arbeitete Barnickel als Holzbildhauer. So entstanden 2003 die weit überlebensgroßen Holzskulpturen „Hoffnung“ und „Empfangen“ am Helios-Krankenhaus in Gotha. Aber Barnickel outet sich als passionierter Metaller: „Holz gehört für mich in den Ofen! Ich will Licht, Offenheit und Leichtigkeit“, sagt er und führt fort: „Holz und Stein sind Monolithe. Die können nicht das leisten, was Metall kann.“

Die Figürlichkeit in der Kunst

Als vor gut 15 Jahren die menschliche Gestalt in der Kunst wieder mehr an Bedeutung gewann, erhielt Barnickel immer mehr Aufträge. „Endlich kam meine Zeit!“ 2002 veröffentlichte die DVA Barnickels erstes Buch mit dem Titel „Restaurierung von Metall an historischen Gebäuden“. Es sollte nicht das letzte sein. Denn der theoretische Part ist in Barnickels Vita ein großer: 2007 promovierte der ohnehin in zahlreichen Berufen ausgebildete Bildhauer an der Bauhaus-Universität zu Weimar in Philosophie. Seine Dissertation trägt den Titel „Die ‚Metaller der Burg‘ – von der Angewandten Metallkunst zur Stahlplastik“. Barnickel sagt von sich selbst – er gehe mit wachen Augen durchs Leben, er interessiere sich für das menschliche Dasein. „Das bereitet mir Freude. Und ich sage bewusst ‚Freude‘ und nicht ‚Spaß‘, weil Spaß für mich nur etwas Kurzfristiges bedeutet.“

Hauptwerk „Weg der Hoffnung“

In seinen Werken drückt Barnickel das menschliche Dasein in Plastiken aus. „Da versuche ich, eine tausendstel Sekunde in einen Moment zu bannen.“ So kommt es mitunter vor, dass seine Skulpturen auch als Karikaturen bezeichnet werden. Als Material verwendet der Künstler inzwischen nur noch Metall – geschmiedet, geschweißt, gebrannt und so weiter. Die Beschaffenheit von Metall ist für ihn und seine Werke ausschlaggebend: „Zerrissenes, geborstenes sowie geschlagenes Metall weist auf die Verletzbarkeit des Menschen hin. Das interessiert mich.“

Nach 2009 entstand in einer langjährigen Arbeit für die ehemalige Grenze das gewaltige Hauptwerk Ulrich Barnickels: der „Weg der Hoffnung“. Auf einer eineinhalb Kilometer langen Wegstrecke zwischen dem hessischen Rasdorf und dem thüringischen Geisa, auf dem ehemaligen amerikanischen Beobachtungsposten Point Alpha, steht sein Kreuzweg, Leidensstationen mit vierzehn monumentalen Skulpturengruppen. Insgesamt handelt es sich um zwanzig bis zu sechs Meter große Figuren aus Eisen. Zwei Veröffentlichungen berichten darüber: der Bildband „Weg der Hoffnung“ sowie sein jüngstes Buch „Freiheit und Würde“.

Weitere Werke

Sein jüngstes Werk ist der „Platzwächter“ in Zella-Mehlis (siehe Seite 12) und eines seiner berühmten Werke der „Wojtyla“, eine drei Meter hohe Skulptur in Geisa, die Papst Johannes Paul II. darstellt. Zahlreiche seiner Kunstwerke sind in Museen und Sammlungen zu sehen; unter anderem in Hamburg, Berlin, Wiesbaden, aber auch international in Istanbul, Birmingham, in den USA und den Niederlanden, in Schweden, Dänemark, Havanna oder Kapstadt. Die drei letzten Ausstellungen gab es in Erfurt, Gotha und Fulda zu sehen. Die „Klopfzeichen“ in Erfurt liefen bis Ende  August und im Herbst widmet sich Bonn seiner Kunst.

Zuhause auf einer Brücke

Die Vielfalt seiner Berufe scheint dem 63-Jährigen noch nicht bunt genug zu sein und so plant er einen Wohnungsbau für mehrere Nutzer. Das Gebäude  wird auf einer stillgelegten Eisenbahnbrücke stehen. Mit der Realisierung seines Entwurfs hat er bereits begonnen. Wir sind gespannt auf das bewohnbare Kunstwerk.

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