EN 1090 im Wintergartenbau
Zertifizierte Betriebe im VorteilBetriebe, die Wintergarten- und Terrassendächer in den Verkehr bringen, müssen nach der DIN EN 1090 zertifiziert sein. Die Norm erfasst den Herstellungsprozess der tragenden Konstruktion von Wintergartendächern. Die Montage wird in Teil 1 der Norm von der CE-Kennzeichnungspflicht ausgeklammert. Doch was bedeutet das in der Praxis und welche Konsequenzen sind zu erwarten? Befragt wurden der Bundesverband Wintergarten, die Zertifizierungsstelle ZDH-ZERT und der Wintergartenbauer Masson. Ihre einhellige Meinung: Um die DIN EN 1090 kommt letztlich keiner herum.
Die Anforderungen für das Herstellen beziehungsweise Inverkehrbringen von tragenden Stahl- und Aluminiumkonstruktionen im bauaufsichtlichen Bereich regelt die DIN EN 1090. Metallbauer, die sich auf Wintergärten spezialisiert haben, tun sich mit der längst fälligen Umsetzung teilweise schwer. Dieses Fazit zogen bei einer Anfrage der Redaktion metallbau zu Jahresbeginn 2015 sowohl der Erste Vorsitzende des Bundesverbandes Wintergarten, Dr. Steffen Spenke, als auch der Leiter der Zertifizierungsstelle DIN EN 1090 bei ZDH-ZERT, Andreas Otte. Rund ein Drittel aller deutschen Wintergartenbauer sind nach ihrer Einschätzung unterdessen zertifiziert, ein Drittel steckt im laufenden Zertifizierungsprozess, ein weiteres Drittel schiebt diese Aufgabe noch auf. Konkrete „offizielle“ Erhebungen gibt es dazu nicht. Und obwohl die DIN EN 1090 keine freiwillige Angelegenheit, sondern entsprechend Bauproduktenverordnung eine für alle EU-Länder verbindliche und gemäß Bauproduktengesetz in der Bundesrepublik Deutschland verbindliche Norm ist, glauben manche Metallbauer noch immer, sich der Zertifizierung entziehen zu können.
Wer bringt das CE-Zeichen an?
Spenke räumt ein: „Die meisten unserer Mitgliedsbetriebe – und auch der Verband – haben die Reichweite der Norm zunächst unterschätzt. Wir waren alle der Meinung, dass sich die Norm ausschließlich auf geschweißte, tragende Stahl- bzw. Aluminiumkonstruktionen bezieht. Dass aber auch geschraubte Konstruktionen mit dazugehören, wurde uns erst später klar.“ Dazu beigetragen hat auch die Tatsache, sagt Spenke, dass Wintergärten keine geregelte Bauart sind und nach den eingeführten technischen Baubestimmungen zu bemessen sind. Werden im Wintergarten Fassaden oder Fenster verbaut, so sind diese CE-kennzeichnungspflichtig (Fenster nach DIN EN 14351-1 und Fassaden nach DIN EN 13380). Wintergarten- und Terrassendächer keine geregelten Bauprodukte wie Fenster, Türen oder Fassaden sind und der Anteil von tragenden geschweißten Verbindungen gering ist. Daher war man der Ansicht, dass einzig der Systemanbieter für das CE-Zeichen zuständig ist. Dieser Auffassung widerspricht der Leiter der Zertifizierungsstelle Otte: „Es ist gleich, welches Konstruktionsprinzip der Wintergartenbauer anwendet, ob er vom Systemlieferanten den fix und fertig vorgefertigten Wintergarten bezieht und dann lediglich montiert oder ob er ihn als Tragwerkskonstruktion selbst baut und dann mit Glashalteleisten und Gläsern verglast oder aus Profilsystemen zusammensetzt und Fenster- und Türelemente als fertige Bauteile zukauft – die DIN EN 1090, die ein Teil der EU-Bauproduktenverordnung (EU-BauPVO) ist, gilt für alle diese Varianten verbindlich.“ Das bedeutet, Hersteller von tragenden Alu- oder Stahl-Dachkonstruktionen müssen ihre Produkte CE-kennzeichnen und dazu eine nach DIN EN 1090 zertifizierte werkseigene Produktionskontrolle (WPK) vorweisen. Alle zugekauften Bauteile, wie Fenster, Glas, Antriebe, müssen entweder ein eigenes CE-Zeichen oder andere Zertifikate entsprechend der EU-BauPVO besitzen. Schwierig ist laut Otte die Montage, denn sie ist zwar für Stahltragwerke in Teil 2 und für Aluminiumtragwerke im Teil 3 der Norm beschrieben, aber eben nicht Bestandteil von Teil 1 und damit auch ohne Zertifizierung möglich.
Entscheidende Frage: privat oder öffentlich
Braucht ein Metallbauer, der CE-zertifizierte Wintergartendachkonstruktionen bei einem Systemhersteller bezieht und „nur“ montiert, also strenggenommen keine eigene Zertifizierung nach DIN EN 1090? Wer übernimmt dann die Garantie für die sachgerechte Montage? Man kann beim Systemanbieter nicht voraussetzen, dass er detaillierte Kenntnis der baulichen Situation vor Ort hat.
Das Zusammenfügen des Wintergartendaches mit den Seitenelementen sowie der Anschluss an Fundament und Bestandsgebäude auf der Baustelle wird nicht von der WPK erfasst. Hier sind die eingeführten technischen Baubestimmungen zu beachten. „Das erfordert eine qualifizierte Aus- und Weiterbildung der Planer, eine qualifizierte Montageplanung, Anleitung und Kontrolle durch die verantwortlichen Leiter sowie ausreichende Schulung der Monteure“, erläutert Spenke. Trotzdem: In einem Schadensfall wird sich genau an dieser Stelle der Streit entzünden, meint Otte. „Kein Systemhersteller wird dann vor Gericht alles auf seine Kappe nehmen, was er nicht zu verantworten hat.“ Doch wo kein Kläger, da kein Richter. Weil die meisten Wintergärten für private Bauherren errichtet werden, kamen Montagebetriebe bisher zurecht. In einem Schadensfall werden Versicherungen allerdings ab sofort sehr genau die Details prüfen. Unvollständigkeiten sind immer Gründe zur Zahlungsverweigerung. Bei den öffentlichen Ausschreibungen bleiben die nicht zertifizierten Betriebe schon jetzt außen vor, weil dort eine Zertifizierung vorgegeben ist.
Richtig ist, dass die DIN EN 1090 nicht das komplette Bauwerk Wintergarten betrifft, wohl aber die tragende Stahl- oder Aluminiumkonstruktion des Daches, inklusive der Stützen. Auch das Glas ist hier ausgenommen. Richtig ist auch, dass ein Unternehmen, das reine Montageleistungen im Privatbereich erbringt, derzeit nicht nach der DIN EN 1090 zertifiziert sein muss. Beachtet werden müssen allerdings die Montageanweisungen, für die der Planer oder ein Statiker zuständig ist. Hier gilt das deutsche Baurecht. Zu beachten: Seit dem 01.07.2014 dürfen nur noch tragende Bauteile aus Stahl bzw. Aluminium innerhalb der Europäischen Union in Verkehr gebracht werden, die mit einer CE-Kennzeichnung versehen wurden. Davon ist fast jedes Metallbauunternehmen betroffen. Sinnvoll ist daher, das Zusammenspiel zwischen Systemgeber, Verarbeiter und Endverkäufer zu organisieren und die Schnittstellen zu definieren: Wer plant, wer liefert was, wer zeichnet wofür verantwortlich?
Hilfestellung durch Beratungen
Man kann es also drehen und wenden wie man will, der Metallbauer kommt um eine Zertifizierung seines Betriebes nicht umhin. Daher forciert der Bundesverband Wintergarten die Zertifizierung seit dem Frühjahr 2014 und hat mit dem Bundesverband Metall einen Partner mit der gleichen Auffassung gefunden. Spenke betont: „Der Bundesverband Metall hat uns bei der Vorbereitung der Zertifizierung nach DIN EN 1090 sehr unterstützt und seine Erfahrungen zur Verfügung gestellt.“ Die Zertifizierung bezieht sich für einen Wintergartenbauer als Systemhersteller und -verarbeiter auf die werkseigene Produktionskontrolle. Den Nachweis der Standsicherheit, inklusive der Glasstatik muss er wie bisher separat entsprechend der jeweiligen Landesbauordnung erbringen. „Dies beinhaltet auch die Bauanschlüsse, besonders den oberen Wandanschluss mit Befestigungsmaterial“, erläutert Spenke.
Dauer und Kosten eines Zertifizierungsprozesses hängen vor allem von der Größe des Betriebes ab. In der Regel dauert die Vorbereitung auf die Zertifizierung ein halbes Jahr. Die Inspektion vor Ort ist im Normalfall an einem halben Tag erledigt und kostet nach Angaben von Andreas Otte bei einem Betrieb unter zehn Mitarbeitern zwischen 1.000 und 1.500 Euro. Auf die Erstinspektion sollte sich der Metallbauer gut vorbereiten und sich mit den Anforderungen der Norm auseinandersetzen. Er hat eine werkseigene Produktionskontrolle (WPK) einzurichten, mit der er nachweist, dass die in Verkehr gebrachten Produkte die deklarierten Leistungsmerkmale aufweisen. Dazu müssen die Verfahren schriftlich festgelegt sein.
Nach Bewertung und Bestätigung der Konformität zur DIN EN 1090 durch eine unabhängige notifizierte Stelle erhält der Betrieb ein Zertifikat und ist berechtigt, das CE-Zeichen an der Metallkonstruktion seines Wintergarten- oder Terrassendaches anzubringen. Der Zertifizierungsprozess ist ein fortlaufender Vorgang, der regelmäßigen Kontrollen und Prüfungen unterliegt und jedesmal kostenpflichtig ist. Nach dem ersten Jahr wird die WPK erneut überprüft, in der Folgezeit im zwei- bzw. dreijährigen Turnus, je nach zertifizierter Ausführungsklasse EXC. Die Execution Classes 1 bis 4 (EXC1 bis EXC4) beschreiben unterschiedliche betriebliche Anforderungen, die sich insbesondere auf das jeweilige Gefährdungspotenzial des Bauproduktes beziehen. „Für Wintergartenbauer, die ausschließlich im privaten Bereich arbeiten, ist die EXC1 ausreichend, während für öffentliche Bereiche wie Hotels, Kindergärten, Schulen, Schwimmbäder usw. mindestens die EXC2 erforderlich ist“, erläutert Otte.
Als Zertifizierungsexperte ist Andreas Otte bundesweit unterwegs, unterstützt wird er dabei von zwei Teamkollegen und fast 40 Inspektoren vor Ort. „Allein im letzten Jahr haben wir 720 Erstzertifizierungen durchgeführt, die ersten Betriebe haben wir bereits Mitte 2012 zertifiziert“, berichtet er. Seine Erfahrungen sind durchweg positiv. Die meisten Unternehmer sehen darin einen Nutzen, denn sie definieren im Handbuch ihre Prozesse, erstellen Checklisten und erhalten Klarheit über manche Schwachstelle im betrieblichen Ablauf. „Viele Unternehmen haben ja auch bereits ihre Abläufe systematisiert. Die laufende Überwachung fördert den ständigen Verbesserungsprozess“, sagt Otte. Allerdings kennt er auch Metallbauer, die das Ganze als lästige Pflicht sehen. „Wer aber die Zertifizierung ohne Freude und Engagement macht, für den bleibt das immer eine zähe und lästige Angelegenheit.“
Wer sich an die Thematik herantasten will, dem empfiehlt Otte Informationsveranstaltungen. In seinen eigenen Seminaren legt er Wert auf Praxisbeispiele, die Lösungen aufzeigen. Nachahmenswert findet er Unternehmer, die ihre Frauen oder Bürokräfte mitbringen. „Sie beschäftigen sich ja tagein, tagaus mit dem ganzen Papierkram und erstaunlicherweise gehen Frauen das ganz pragmatisch an. Sie sagen: Klar mache ich und kümmere mich drum.“
Zertifizierungskosten nicht überbewerten
Neben den Zertifizierungs- und laufenden Überwachungskosten kommen auf die Betriebe Schulungskosten und ein Mehraufwand in der Fertigung zu. Das summiert sich, vor allem für kleinere und mittlere Handwerksbetriebe. Spenke hält dagegen: „Die Zertifizierung führt erfahrungsgemäß bei vielen Betrieben zu einer Optimierung der betrieblichen Abläufe und fördert Einsparpotenziale zutage. Da können sogar Kosten gesenkt werden. Außerdem trägt die Norm dazu bei, technisch äußerst zuverlässige Produkte in hoher Verarbeitungsqualität anzubieten. Es sollte ein Anliegen aller Beteiligten sein, diese Vorteile dem Kunden sichtbar und erlebbar zu machen.“
Mit Hinweis auf die Verbindlichkeit der Norm in ganz Europa wird auf lange Sicht eher eine Nichtzertifizierung zu Problemen führen, meint Otte und fügt hinzu: „Ich kann nicht sagen: Macht so weiter! Das ist ein Gesetz, das muss man einhalten. Nach Bauproduktenverordnung hat ein Hersteller für sein Produkt eine Leistungserklärung abzugeben. Und im Fall DIN EN 1090 muss er dafür zertifiziert sein.“ Auch Spenke sieht das so: „Die Risiken für die Betriebe sind hoch, wenn sie keine Zertifizierung haben.“ Das fehlende CE-Zeichen ist rechtlich gesehen ein Mangel, auch wenn es zu keinem Schaden oder keiner Beeinträchtigung kommen sollte. Bisher ist noch kein Streitfall bekannt, aber Gerichte könnten so entscheiden, dass der Wintergarten zurückgebaut werden muss oder ein satter Preisnachlass fällig wird, vermutet Spenke. „In beiden Fällen bekommt der Kunde wahrscheinlich Recht, und der finanzielle Schaden wäre letztlich höher als die Kosten der Zertifizierung“, meint Otte.