Eine Drehbrücke für Malchow
Konstruktion ähnelt SegelbootMalchow verbindet eine neue Drehbrücke mit dem Festland. Am 7. Oktober wurde sie eingeweiht, ab Mitte November wird wieder der Verkehr über das 120 Tonnen schwere Wahrzeichen der Inselstadt rollen. Die Müritz-Elde-Bundeswasserstraße verbindet den Plauer See mit dem Fleesensee und führt bis nach Berlin.
Die Erneuerung der Brücke war angezeigt, weil die Bausubstanz nicht mehr tragfähig war. An der neuen Drehbrücke wurde rund ein Jahr lang gearbeitet. Während der Bauphase konnten nur Fußgänger auf einer Ersatzbrücke die Wasserstraße überqueren.
Das 6,8 Millionen Euro teure Baudenkmal haben die Stahlbauer von Schorisch Magis im brandenburgischen Karstädt zusammen mit den Kollegen von HTS Hydrotechnik Schlestein im Auftrag der Baufirma Köthenbürger HTI gebaut.
Das Auftragsvolumen für das Stahlbauunternehmen lag im hohen sechsstelligen Bereich. Der Betrieb beschäftigt 70 Mitarbeiter und ist mit der Bauausführung von Brücken vertraut. „Etwa alle zwei Jahre führen wir ein Brückenprojekt aus“, berichtet Geschäftsführer Jost Weimer. Hierzu zählt er auch Instandsetzungen an Eisenbahn- und Straßenbrücken. Um im Brückenbau erfolgreich zu sein, kommt es auf eine exakt durchdachte Planung an, insbesondere welche Baugruppen im Werk gefertigt werden und was anschließend auf der Baustelle zusammengesetzt und abgeschweißt wird.
„Drehbrücken werden in Deutschland nur vereinzelt gebaut, für unsere Stahlbauer handelt es sich um ein Referenzobjekt“, so Weimer. Die Drehbrücke in Malchow mit 21,70 Meter Länge und elf Meter Breite öffnet sich tagsüber zu jeder vollen Stunde. Den Schiffen auf der Müritz-Elde-Wasserstraße ermöglicht sie die Passage in den Malchower See, indem sie über ein Drehlager um 90 Grad zur Seite gefahren wird.
Optisch ist das stählerne Denkmal einem Segelboot nachempfunden. „Konstruktiv tragen die beiden Masten mit ihren Abspannungen einen Teil der Last der Brückenspitze nach hinten zu den Gegengewichten ab“, erläutert Weimer. Die Masten und die 25 Tonnen schweren Gegengewichte wurden mit hydraulischen Hebern eingesetzt. Mit dem Geländer wiegt die Brücke 120 Tonnen.
Kiellegung markiert Start. Zur feierlichen Kiellegung, die üblicherweise im Schiffsbau den Baubeginn markiert, trafen sich Planer und Stahlbauer bei Schorisch Magis. Dabei wurden mit Hilfe einer Negativschablone die einzelnen Bauteile jeweils mit dem Gesicht nach unten zusammengefügt. Für diese Aktion haben die Stahlbauer zwei Monate lang eine riesige Fläche in der Werkshalle des Karstädter Unternehmens belegt.
Insgesamt besteht die Brücke aus mehreren tausend Einzelteilen, die zu drei Teilstücken mit je 3,50 Meter Breite zusammengeschweißt wurden. In den Monaten Mai und Juni waren 18 Stahlbauer teils im Drei-Schicht-Betrieb im Einsatz.
Nach Beschichtung der Stahlelemente, die rund vier Wochen in Anspruch nahm, fand im August und September die Montage der Brückensegmente vor Ort statt. Die drei jeweils 22 Meter langen und 25 Tonnen schweren Einzelteile mussten durch die enge Altstadt an die Baustelle geliefert werden – eine logistische Meisterleistung war gefordert. „Wir hatten es in der Altstadt mit sehr engen Straßen zu tun“, sagt Holger Hahn, bei Schorisch Magis Leiter des Geschäftsbereichs Stahlwasserbau, „für die Kranentladung haben wir jeden Quadratzentimeter ausgenutzt.“ Für die Logistik auf der Baustelle wurde ein 250-Tonnen-Kran eingesetzt.
Die Schweißtechnik. Bei einem solchen Bauwerk spielt die Schweißtechnik eine herausragende Rolle. Ein Stahlbauunternehmen, das sich im Segment Brückenbau positioniert, benötigt Zulassungen wie die DIN 18800 Klasse E beziehungsweise die neue DIN EN 1090 EXC 4 sowie die DIN EN ISO 3834, die Zertifizierungsnorm für Qualitätsanforderungen an schweißtechnische Fertigungsbetriebe. Weimer erklärt: „Wir arbeiten zwar noch nach DIN 18800 Klasse E, erfüllen jedoch bereits alle Vorbedingungen zur Qualifikation nach DIN EN 1090. Die Zertifikation nach der neuen Norm steht noch für dieses Jahr auf dem Plan.“
Im Falle einer Eisenbahnbrücke ist zudem die Bahnzulassung nach DIN EN 15085-2 notwendig. „Über diese Zulassungen hinaus braucht der Betrieb erstklassige Schweißfachingenieure, gut ausgebildete Schweißer mit den notwendigen Schweißerprüfungen für die jeweiligen Schweißanwendungen sowie jahrelange Schweißerfahrung“, hebt der Geschäftsführer hervor. Das Stahlbauunternehmen setzt ausschließlich Konstruktionstechniker Fachrichtung Schweißtechnik ein.
„Beim Verschweißen der drei Segmente haben wir das MAG-Verfahren genutzt, in vielen Bereichen musste mit Vorwärmung gearbeitet werden“, berichtet Weimer. Er betont: „Bei Montageschweißungen muss auf absolute Zugfreiheit geachtet werden, um bei der Schweißnaht die geforderte Qualität einzuhalten.“
Bei der Antriebstechnik, die die Brücke um 90 Grad zur Seite dreht, handelt es sich um einen halbrunden Sprossenbaum, der mit dem Beton verschraubt ist. Der elektrische Antrieb erfolgt über ein an der Brücke montiertes Zahnrad sowie einen Getriebemotor. Der mechanische Teil der Antriebstechnik wurde ebenfalls von Schorisch Magis hergestellt. Damit die Brücke nicht aus Versehen geöffnet werden kann, wird sie an beiden Enden und in der Mitte nach jeder Schließung leicht angehoben und verriegelt.
Fazit. Seit 150 Jahren ist es Tradition, dass die Bürger von Malchow über eine Drehbrücke von der Insel zum westlichen Festland gelangen. Vor gut 100 Jahren entstand die erste Stahlkonstruktion, die 1945 zerstört wurde. Ab 1948 gab es eine Drehbrücke, für deren Sanierung in den Folgejahren allerdings das Geld fehlte. Auch die Freude über die Drehbrücke, die man Ende der 80er Jahre baute, war nur von kurzer Dauer. Sie hielt gerade einmal 21 Jahre, weil die Bausubstanz schlecht war. Das aktuelle Bauwerk ist nun so solide umgesetzt, dass es mindestens 100 Jahre halten kann. Zudem bietet es 40 Zentimeter mehr Durchfahrtshöhe, kleinere Schiffe können künftig ohne Wartezeit passieren.
Die Fördergelder des Landes sorgen dafür, dass Malchow sich als Kommune in Mecklenburg-Vorpommern ein Bauwerk leisten kann, das mit 6,8 Millionen Euro zu Buche schlägt. Die durchfahrenden Schiffe bleiben bei der Finanzierung außen vor. Wie bislang auch sammeln die Brückenwärter von den Kapitänen dieser Schiffe einen freiwilligen Obolus.⇥ma ◊