Ausbildung

Erasmus

Berufspraktika im Ausland

Du bist Azubi und möchtest für ein Praktikum ins Ausland? Dann sprich mit deinem Chef und mach Dich bei der Handwerkskammer vor Ort schlau! Sie sagt dir, welche Fördermöglichkeiten und Austauschprogramme es unter den aktuellen Umständen gibt und was du und dein Ausbildungsbetrieb machen müsst, damit das Praktikum gelingt. Und lies hier nach, warum es den Feldhaus-Mitarbeiter Dominik Kompalik als Azubi nach Cambridge gezogen hat und was der auslands- erfahrene Schmiedemeister Thomas-Maria Schmidt und sein Lehrling Marian Boschner über österreichische Werkstätten berichten. 

Reisen bildet – in der Corona-Zeit spüren wir, wie gerade das uns fehlt. Doch nicht nur der gestrichene Urlaub hinterlässt Lücken. Auch das gecancelte Auslandspraktikum zog manch einem Azubi einen Strich durch die Rechnung. Nicht so den angehenden Schmieden Marian Boschner aus Rheinland-Pfalz und Tobias Wurzenrainer aus Tirol. Sie absolvierten im Februar, also gerade noch rechtzeitig, im Rahmen des EU-Bildungsprogramms Erasmus+ vier Praktikumswochen im jeweils anderen Land respektive Betrieb.

Die Handwerkskammer berät

Marian Boschner war so in der „Edelschmiede Tirol“, der 18-jährige Österreicher in der Werkstatt Metallgestaltung von Thomas-Maria Schmidt in Höheischweiler bei Pirmasens. Unterstützung erhielten Schmidt und die beiden Lehrlinge von der Mobilitätsberaterin Francesca Venturella, die in der Handwerkskammer Kaiserslautern die Beratungsstelle „Berufsbildung ohne Grenzen“ inne hat.

Zusammen mit rund 50 weiteren Ansprechpartnern bundesweit koordiniert sie alle Schritte, die zu der Planung und dem Gelingen eines solchen Auslandsaufenthaltes dazugehören: Sie berät über geeignete Fördermittel und hilft bei deren Beantragung oder vermittelt vorbereitende Sprachkurse und interkulturelle Trainings und die geeigneten Partnerbetriebe im Ausland. Schmidt berichtet: „Der organisatorische Aufwand ist für die Betriebe, die an solchen grenzenlosen Praktika teilnehmen möchten, recht gering. Ich habe im Prinzip nur die Verträge unterschrieben und am Ende des Praktikums einen Bewertungsbogen und eine Bestätigung ausfüllen müssen, mehr nicht.“

Für alle ein Gewinn

„Fürs Leben lernen“ – darum geht es, wenn man als Schüler oder Student, Auszubildender oder betrieblicher Ausbilder ins Ausland geht. Deswegen will Schmidt seinen Azubis auf alle Fälle auch in Zukunft ein solches Praktikum ermöglichen. Er sagt: „Jede Firma, jeder Mensch arbeitet ein bisschen anders. Der Austausch öffnet einem die Augen, dass man Probleme oder Werkstücke auch mal anders als gewohnt angehen kann. Zum Beispiel haben wir bisher immer sehr aufwändig per Hand gelocht. Und dann sieht man, wie der Schmied aus Österreich das wesentlich rationeller macht. Tobias nimmt einen anderen Lochmeisel, mit dem er fünf bis zehn Prozent an Arbeitsaufwand spart. Und über unseren Lehrling, Marian, haben wir die Vorteile vom WIG-Schweißen kennengelernt. Das ist in Österreich sehr verbreitet. Neben unserem MAG-Gerät haben uns jetzt auch ein WIG-Gerät angeschafft.“

Gute Lernbedingungen im Ausland

Als Präsident des Internationalen Fachverbands Gestaltender Schmiede kritisiert Schmidt die Tatsache, dass es in Deutschland immer weniger ausbildende Schmiedefirmen gibt. Sein Vorwurf: „Das liegt daran, dass der Bundesfachverband die Schmiedewerkstätten stiefmütterlich behandelt. Wir haben in der Denkmalpflege einen großen Bedarf an Restauratoren. Restauratoren, die aber nie das Schmieden richtig gelernt haben, sind fehl am Platz.“ In Österreich seien die Voraussetzungen hingegen ganz andere. Empfehlen kann Schmidt auch ein Praktikum in Italien, Luxemburg oder Frankreich – dem Land, in dem er einst selbst Berufserfahrung gesammelt hat. Besonders hervorstechen würde dort das Schmiedeinternat Lycée Professionnel „Le Mont Chatelet“ in Varzy bei Dijon.

Ein Fassadenbauer in Cambridge

 „Allein mit der deutschen ‚Brille’ können Sie im globalen Kontext kein Projekt abwickeln. (…) Deshalb ermöglichen wir den Erwerb von Auslandserfahrung bereits in der Ausbildung“, meint Christoph Jüttner, Kaufmännischer Geschäftsführer von Feldhaus. Einen mehrwöchigen Auslandsaufenthalt machte etwa sein Kollege Dominik Kompalik.

Er absolvierte in dem Unternehmen zwischen 2008 und 2012 seine dreieinhalbjährige Ausbildung zum Metallbauer und ist dort heute als Produktionsleiter in der Fertigung tätig. Das dreiwöchige Auslandspraktikum führte ihn auf eine firmeneigene Baustelle in der englischen Universitätsstadt Cambridge. Finanziert wurde auch dieser Aufenthalt durch Erasmus+. Kompalik berichtet: „Aufgrund meiner Vorkenntnisse war ich dort von Beginn an sehr gut eingebunden. Aufgefallen sind mir die britischen Arbeitsschutzbestimmungen, die im Vergleich zu Deutschland deutlich strenger gehandhabt werden.“ Sieben Jahre später bot ihm die Firma an, noch einmal für drei Monate nach England zu gehen. Diesmal sollte er in der Qualitätsüberwachung und Baustellendokumentation mitwirken.

Ängste nehmen – Brücken bauen

In der Regel bleiben die Feldhaus-Azubis wie Dominik Kompalik drei Wochen im Ausland. Auf den internationalen Baustellen sollen sie dann die Organisation, Steuerung, Logistik und Montage der jeweiligen Großprojekte kennenlernen. Einerseits erwirbt der Azubi so projektbezogene Kenntnisse, andererseits kann er auch einmal „hinter die Kulissen“ schauen und „neue Welten“ entdecken.

Der Mehrwert der Auslandserfahrung liegt für Juttner vor allem in der Bereitschaft, „Dinge einmal anders zu betrachten und zielorientiert Lösungen herbeizuführen. (…) Unser Ziel ist es, dem Handwerk die Ängste vor Auslandsmärkten zu nehmen. Wir versuchen Brücken zu bauen, um die damit verbundenen Anforderungen zu meistern und offerieren Schulungsangebote zur Sprachförderung der Azubis.“

„Handwerklichen Horizont erweitern“

Auch Markus Böringschulte, seit 25 Jahren im Unternehmen Metallbau-Ausbilder, ist vom Nutzen eines Auslandsaufenthaltes überzeugt: „Mit der internationalen Erfahrung erweitern die Azubis ihren handwerklichen Horizont und können in interkulturellen Zusammenhängen konstruktiv agieren. Sie können die besten Handwerker haben. Wenn die im Ausland nicht zurechtkommen, wird das im internationalen Geschäft nicht funktionieren.“ Und sein Kollege, der Abteilungsleiter Betriebstechnik Matthias Weist, führt noch einen weiteren Punkt an: „In der Werkstatt erwerben die Azubis alle wichtigen Grundlagen, um zu wissen, was sie auf der Baustelle tun müssen. In den Projekten im Ausland erfahren sie dann handwerkliche Praxis, und zwar unter ganz anderen Rahmenbedingungen. Das ist eine Erfahrung, die ihnen keiner nehmen kann und die sie auch als Persönlichkeit enorm reifen lässt.“

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