Fachkräfte-Testprogramm
Kompetenzen erkennen, Fachkräfte gewinnenHinter dem Testprogramm „MySkills“ verbergen sich viel Entwicklungsarbeit und noch mehr Hoffnungen: Von der Bertelsmann Stiftung und der Bundesagentur für Arbeit initiiert, erfasst der neue Kompetenztest bei Personen ohne formalen oder anerkannten Berufsabschluss berufliche Fachkenntnisse und praktische Fähigkeiten. Insbesondere Geflüchtete gehören zu der Zielgruppe des Tests, mit dessen Hilfe dem Fachkräftemangel auf dem deutschen Arbeitsmarkt entgegengewirkt werden soll. Zu den 30 testbaren Berufen zählt auch der Beruf Fachkraft Metalltechnik Fachrichtung Konstruktionstechnik.
Der Test sagte aus, Waleed Ragb ist super. „Er ist es wirklich! Er hat die Höchstpunktzahl erreicht, obwohl er keinerlei Arbeitszeugnisse hat,“ sagt Karsten Hartmann von der Ostermann Personaldienstleistung. Das Unternehmen mit Sitz in Lünen bei Dortmund ist auf die Vermittlung von Arbeitskräften in der Metallbausparte spezialisiert. Vor dreieinhalb Jahren kam Waleed Ragb aus Syrien nach Deutschland und wurde auch bald als Flüchtling anerkannt. Ohne je eine geregelte Ausbildung oder Schulungen gemacht zu haben, arbeitete er in seiner Heimat als Schweißer; das Theoretische habe ihm einst ein Freund beigebracht. Doch die Aussichten, in Deutschland ohne Abschluss oder Zeugnis eine Stelle zu finden, sind bekanntlich schlecht. Dass es bei Ragb geklappt hat, verdankt er dem Pilotprogramm „MySkills“ – der Arbeitsagentur Dortmund und den Menschen, die durch den Test seine Fähigkeiten erkannt haben. „Ich bin ein echter Verfechter von MySkills“, konstatiert Karsten Hartmann.
Vom Metallhelfer zum Metallbauer
Jetzt macht der Syrer eine dreimonatige Fortbildung bei TAZ, einer unabhängigen Tochtergesellschaft des Personaldienstleisters. Fest angestellt ist er bei Ostermann zunächst als Metallhelfer, danach als Metallbauer. Hartmann: „Man muss unterscheiden zwischen Erfahrung und Qualifikation. Erfahrungen hat Herr Ragb. Nur gibt es Kunden, die für ihre Aufträge die Qualifikation des zertifizierten Schweißers brauchen. Über das Projekt MySkills und im Rahmen des von der Arbeitsagentur finanzierten Programms WeGebAU können wir unsere Stellung nutzen und Mitarbeiter ausbilden.“ Auch wenn die Maschinen und Vorschriften andere seien als in Syrien, gehe ihm die Arbeit nach zwei Monaten im Betrieb schon sicher von der Hand, äußert sich Ragb gegenüber dem Sender Deutsche Welle. Nur die Sprache sei noch eine Hürde, wie er sagt: „Man muss Deutsch lernen, damit man am Leben hier teilnehmen kann.“
Ein neues Instrument
Entwickelt wurde MySkills als ein effizientes Instrument zur Validierung beruflicher Fähigkeiten und Kenntnisse. Gerichtet ist der Test an Geringqualifizierte und Menschen ohne formalen oder anerkannten Berufsabschluss, insbesondere Flüchtlinge. An der Pilotphase mitgewirkt haben, neben der Bertelsmann Stiftung und den Jobcentern und Arbeitsagenturen, die Innungen und Kammern sowie Ausbildungsmeister, Betriebsinhaber und Unternehmensvertreter aus Industrie und Handwerk. Anhand konkreter Fragestellungen und Anforderungen passten sie den Test für die Anwendung in der Praxis an. Für den Beruf „Fachkraft Metalltechnik Fachrichtung Konstruktionstechnik“ kam der fachliche Input von den Experten der Fortbildungs-Akademie Reckenberg-Ems (FARE).
Bis zu vier Punkte
Die Testfragen sind in unterschiedliche Handlungsfelder aufgeteilt, die an der tatsächlichen beruflichen Praxis ausgerichtet sind, genauso wie am aktuellen deutschen Ausbildungsstandard. Damit deckt der Test die gesamte Bandbreite des Berufsbildes ab. Jede Sequenz besteht aus schwierigen, mittelschweren, leichten und sehr leichten Fragen. Je mehr Fragen richtig beantwortet werden, desto mehr Punkte im Endergebnis gibt es. Das beste Resultat sind vier Punkte pro Sequenz. Mit einem Testergebnis von zwei Punkten in einem Handlungsfeld können Arbeitgeber den Kandidaten unter Anleitung in diesem Gebiet einsetzen. Bei drei Punkten in einzelnen Handlungsfeldern bedeutet das, dass er direkt dort eigenständig arbeiten kann. Vier Punkte erreicht normalerweise nur eine Person mit den Fähigkeiten eines Spitzen-Facharbeiters.
Passgenau vermitteln
„Jemand, der seinen Berufsabschluss frisch in der Tasche hat, schafft in der Regel zwei bis drei Punkte pro Sequenz“, sagt Ingeborg Liebhaber von der Agentur für Arbeit München. „Je nachdem, wo welches Niveau erreicht wird, können wir passgenau vermitteln und den Arbeitgeber qualifiziert beraten. Wir geben auch Empfehlungen, welche Qualifizierungen die Testperson noch nachholen oder im Betrieb erlernen muss.“ Eugen Haferstein, Ausbildungsmeister und Testentwickler bei FARE, meint: „Natürlich ist der Test kein Ersatz für den Gesellenbrief. Aber er gibt klare Hinweise, was jemand in einem Beruf schon kann und welche Lücken durch Weiterbildung geschlossen werden müssen.“
Sprachneutral und bilderreich
Verfügbar ist MySkills in Deutsch, Englisch, Hocharabisch, Neupersisch, Türkisch und Russisch. Der Test selbst dauert vier bis fünf Stunden und findet in den Räumen der Arbeitsagenturen statt. Die Fragen beantwortet man entweder in Bildern, in Texten oder per Multiple Choice. Videosequenzen und Momentaufnahmen von echten beruflichen Handlungssituationen sind sprachneutral aufgebaut. Ein Manko ist derzeit noch die etwas lange Dauer für die Auswertung des Tests: Drei Monate habe beispielsweise Waleed Ragb auf das Ergebnis gewartet. Die ist jedoch der Einführungsphase geschuldet, in der er den Test absolviert hat.
Erste Erfahrungen
„Wir haben Geflüchtete sehr stark in die Pilotierung einbezogen und geschaut, wie der Test in diesem Personenkreis läuft. Eine der Erfahrung war, dass sie solche Testungen gar nicht einordnen konnten“, so Liebhaber. Dabei sei auch viel Angst im Spiel, nicht zu bestehen und dann in Folge nicht in Deutschland arbeiten zu dürfen. „Das stimmt so natürlich nicht. Für sie ist hier einfach vieles neu, und sie sind es meist auch nicht gewohnt, getestet zu werden. Gerade für die Geflüchteten finde ich den Test gut, weil sie einen Eindruck bekommen, was bei uns in einer Ausbildung am Arbeitsplatz gefordert wird.“ Oft kommen aber auch Arbeitsuchende, beispielsweise aus Osteuropa, die, wie Liebhaber berichtet, weder Deutsch noch eine der anderen fünf Sprachen richtig beherrschen. Trotzdem probieren sie den Test aus, scheitern letztendlich aber an der Sprache. Und aus der Sicht Hartmanns? Man habe die Erfahrung gemacht, dass viele Betriebe die Thematik Flüchtlinge nicht anpacken, weil sie das Risiko der Sprachbarriere scheuen. Er zum Beispiel schickt Ragb daher immer mit Mitarbeitern zum Kunden, die Deutsch und Syrisch sprechen und entsprechend vermitteln können.
Info & Kontakt
Ostermann Personaldienstleistung GmbH & Co. KG
Zentrale Nordrhein-Westfalen
Brechtener Str. 18
44536 Lünen
Tel. 0231 9 09 88 90
www.ostermann-gruppe.de
TAZ GmbH
Technisches Ausbildungszentrum
Bielefelder Str. 24
44141 Dortmund
Tel. 0231 88084960
www.taz-bildung.de
FARE Fortbildungs-Akademie
Kirchplatz 2
Stadthaus Wiedenbrück
33378 Rheda-Wiedenbrück
Tel. 05242 9030 100
Fax: 05242 9030-150
www.fareggmbh.de
An wen richtet sich MySkills?
Personen ohne deutschen Berufsabschluss, aber mit mehrjähriger beruflicher Erfahrung
Personen, die zwar einen entsprechenden deutschen Berufsabschluss besitzen, aber mehrere Jahre nicht in diesem Beruf gearbeitet haben
Personen mit ausländischem Berufsabschluss, der in Deutschland nicht anerkannt ist, sofern kein Anerkennungsverfahren in Betracht kommt
Personen, die keine relevanten Nachweise (Berufsabschlüsse, Arbeitszeugnisse) mehr vorlegen können
In welchen Sprachen wird der Test angeboten?
Deutsch, Englisch, Persisch (Farsi), Hocharabisch, Türkisch, Russisch
Neben dem Beruf „Fachkraft für Metalltechnik – Konstruktionstechnik“ wird MySkills in sieben weiteren Berufen angeboten, 30 Berufe werden es in Kürze sein, darunter:
Industrieelektriker/-in
IT-Fachwirt/-in
Maschinen- und Anlagenführer/-in
Mehr Infos unter: www.myskills.de; www.arbeitsagentur.de; www.bertelsmann-stiftung.de