Harald Schinnerl & Anton Resch

Zur Lage des Metallbaus in Österreich

Bundesinnungsmeister KR Harald Schinnerl und Anton Resch sind die Initiatoren des Metallbautags. Wir haben den AMFT-Vorsitzenden Schinnerl und den AMFT-Geschäftsführer Resch zur Lage der Branche in Österreich gesprochen.

metallbau: Welche konkreten bürokratischen Steine könnte die österreichische Regierung dem Metallbauhandwerk aus dem Weg räumen?

Harald Schinnerl: Die Regierung sollte Sanktionen gegen den Bezug von Energie und Rohstoff aus Kriegsgebieten erst dann aussprechen, wenn es eine Alternative gibt — ansonsten ist keine Preisstabilität erreichbar. Des Weiteren bräuchte die Branche Unterstützung bei Themen auf EU-Ebene, sowohl was die Normung/Zertifizierung von Produkten und Dienstleistungen betrifft (harmonisierte Normen), als auch die Beschleunigung der Entscheidungsprozesse in Verfahren.

metallbau: In Deutschland gab es einen Erlass mit Sonderregelungen für Bauverträge, damit sich auch die Unternehmer der Stahl- und Metallbaubranche mit den aktuellen Lieferverzögerungen und enormen Preisanstiegen leichter tun. Gibt es in Österreich Signale, dass die staatlichen Empfehlungen als verbindliche Regeln/Gesetze umgesetzt werden?

Anton Resch: Die Unabhängige Schiedskommission beim Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (BMDW) hat in ihrer 137. Sitzung am 31.03.2022 einem gemeinsamen Antrag vom Fachverband Metalltechnische Industrie sowie der Bundesinnung der Metalltechniker stattgegeben und für 12 Monate rückwirkend ab 01.03.2022 empfohlen, dass bei allen zukünftigen und laufenden Ausschreibungen sowie bei allen bestehenden Verträgen für die stahlpreisrelevanten Positionen eine Preisgleitung auf Basis des Großhandelspreisindex für Eisen und Stahl der Statistik Austria (Pos. 46.72.13) zur Anwendung kommen soll. Bei der Schiedskommission handelt es sich um ein paritätisch besetztes Expertengremium, das zur Unterstützung der öffentlichen Hand bei der Ausschreibung und Abwicklung von öffentlichen Aufträgen eingesetzt wird. Die Empfehlungen der Schiedskommission richten sich an öffentliche Auftraggeber. Eine weitere Empfehlungen gibt es seitens der Bundessparte Industrie und der  Bundessparte Gewerbe und Handwerk der Wirtschaftskammer Österreich, die sich an Länder und Gemeinden richtet. Darin werden unter anderem veränderliche Preise bei öffentlichen Aufträgen, Vertragsanpassungen auch bei bestehenden Bauaufträgen und die Anpassung der Förderungsbestimmungen der öffentlichen Hand, insbesondere im Bereich der Wohnbauförderung an die veränderlichen Preise gefordert. Für eine in der Praxis bereits bewährte Vorgangsweise zur Vertragsanpassung steht der Leitfaden „Preisveränderungen und Lieferengpässe“ der Österreichischen Bautechnik Vereinigung (ÖBV) zur Verfügung. Dieser wurde einvernehmlich von maßgeblichen Vertretern der Auftraggeber- und Auftragnehmerseite erstellt. Konkrete Informationen zu verbindlichen Vorgaben liegen nicht vor. Die Arbeitsgemeinschaft der Hersteller von Metall-Fenster/Türen/Tore/Fassaden (AMFT) informiert ihre Mitglieder fortlaufend.

metallbau: Vergleichsweise ist der ausführende Stahl-/Metallbau nicht allzu energieintensiv; inwiefern ist die diskutierte Strompreiskompensation für die Branchenunternehmen relevant?

Schinnerl: Die fortschreitende Dekarbonisierung in sehr vielen Bereichen der Wirtschaft bedingt eine Umstellung auf andere Energieträger, welche im Hinblick auf die CO2-Emissionen geringere Werte aufweisen. Der steigende Preis der CO2-Emissionen schlägt sich damit auch in den Strompreisen nieder und führt zu einer Mehrbelastung der Gewerbebetriebe. Diese Situation wird nun zusätzlich durch die unklare Liefersituation aufgrund des Konfliktes zwischen der Ukraine und Russland verstärkt. Die Regierung ist gefordert für alle Betroffenen eine angemessene Kostenkompensation zu gewährleisten. In meinem Metallbaubetrieb in Tulln werden sich zum Juni die Kosten für Strom und Gas im Vergleich zum November 2021 voraussichtlich inklusive Netzgebühren um das 2,5-Fache erhöhen. Die Kosten für den Umbau von Beleuchtung und Heizung schätzen wir in meinem Unternehmen auf knapp 200.000 Euro.

metallbau: Inwiefern macht sich die Branche die Energiewende durch Anschaffung von Solarthermie, Photovoltaik, Blockheizkraftwerke, E-Autos, E-Transporter usw. zu eigen?

Schinnerl: Um als Wirtschaftstreibender nachhaltig agieren und am Markt bestehen zu können, ist es von Natur aus erforderlich, sich laufend den verschiedenen Situationen anzupassen. Umso mehr wird dies beim Thema Energie sichtbar. Die Branche investiert je nach den lokalen Gegebenheiten in unterschiedlichste Formen der Energiegewinnung und Verbrauchsoptimierung, um auch hier einen wesentlichen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten. In meinem Unternehmen stellen wir derzeit die Beleuchtung auf LED um. Weiters ergänzen wir unsere Photovoltaik-Anlage auf 480kw/p (75 % davon können wir selbst nutzen). Leider haben wir verschiedene Heizsysteme, sodass wir je nach Betriebsbereich auf verschiedene alternative Heizsysteme umsteigen. Die PKW-Flotte elektrifizieren wir. Für die Montagebusse gibt es derzeit kein passendes Angebot.

metallbau: Herr Resch, die Corona-Krise und auch die Folgen des Kriegs in der Ukraine fordern die Betriebe heraus, ihr juristisches Fachwissen zu optimieren. Kann dazu die Online-Plattform „Paroli“ einen Beitrag leisten?

Resch: Dem Tool liegt zur Beurteilung von Allgemeinen Vertragsbedingungen (AVB) einerseits das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) und andererseits die ÖNORM B 2110 – Allgemeine Vertragsbestimmungen für Bauleistungen – Werkvertragsnorm zugrunde. In beiden Regelwerken sind Hinweise zur Zuordnung von Ereignissen in der Vertragserfüllung zur Sphäre des Auftraggebers sowie des Auftragnehmers enthalten. Die Corona-Krise auch der Angriffskrieg in der Ukraine sind nach dem allgemeinen Verständnis der „Höheren Gewalt“ bzw. „Force Majeur“ zuzuordnen. Eine Aktualisierung des Tools um diesen Themenkreis hat bereits zu Beginn der Pandemie stattgefunden. Mit Paroli wird das Ziel verfolgt, hinsichtlich der wirtschaftlichen Relevanz und Wichtigkeit von Vertragsbestimmungen in Bauverträgen zu sensibilisieren und sie im Zweifelsfall nicht einfach hinzunehmen.

Die Vertiefung des juristischen Fachwissens in der Branche ist ggf. eine Überlebensfrage für die Betriebe. Allerdings erfordert die Beschäftigung mit Allgemeinen Vertragsbedingungen Engagement und Zeit. Oftmals ist das Tagesgeschäft überbordend, daher stehen i.d.R. zu wenige personelle Ressourcen zur Verfügung. Eine engagierte Auseinandersetzung mit den AVBs bleibt dann auf der Strecke und wird meist erst thematisiert, wenn „der Hut brennt“. Sowohl Nicht-Juristen (Kalkulatoren, Verkäufern, Technikern, Projektleitern, Controllern usw.) als auch Rechtskundigen (Geschäftsführern und Mitarbeitern in Rechtsabteilungen) wird mit Paroli ein praktisches Werkzeug an die Hand gegeben. Es liefert in unterschiedlichen Detailtiefen — vom Grundlegenden bis hin zu aktuellen Urteilen der Rechtsprechung — aufbereitete Rechtsinformationen. Damit gibt es allen aktiven Nutzern in den verschiedenen Positionen die Möglichkeit, Ausführungen in AVBs besser zu verstehen und die Tragweite der Vereinbarungen in Werkverträgen für das eigene Unternehmen einfach und früh zu erkennen.

metallbau: Herr Schinnerl, der Bau von EZHs hat sich in den vergangenen zehn Jahren um ca. 10% verringert, hat das Auswirkungen auf Aufträge und Portfolio der Metallbaubetriebe?

Schinnerl: Das Produktportfolio von modernen Metallbaubetrieben ist derart breit aufgestellt, dass Schwankungen oder Auftragsverringerungen problemlos ausgeglichen werden können. Ein großes Potenzial haben Produkte für den öffentlichen Verkehr oder alternative Energiegewinnung.

metallbau: Herr Resch, beim Absatz von Fenstern sind die Materialkombinationen wie PVC/Alu oder Holz/Alu im Trend; stellen sich Metallbauer darauf ein und weiten ihr Angebot um die gefragten Rahmenmaterialien aus?

Resch: Auch im Metallbau herrscht noch immer Hochkonjunktur und im Allgemeinen eine gute Auftragslage. Es wird wesentlich sein, dass der Gesetzgeber Möglichkeiten findet, die Bautätigkeit mit den vorherrschenden Rohstoffpreisverwerfungen am Markt aufrechtzuerhalten. Der Metallbau beliefert neben dem Wohnbau auch viele Segmente im Nicht-Wohnbau mit hochwertigen Produkten. Dazu gehören auch Vorhangfassaden bzw. Türen und Tore. Der Brandschutzsektor mit Feuer- und/oder Rauchschutzabschlüssen ist für den Metallbau prädestiniert. Andere Rahmenmaterialkombinationen können mit Partnern wiederkehrend angeboten werden. Für einen großflächigen Umstieg der Betriebe liegen keine Informationen vor.

metallbau: Herr Schinnerl, inwiefern versuchen die österreichischen Metallbauer den Fachkräftemangel durch Digitalisierung und Roboter auszugleichen?

Schinnerl: Die Digitalisierung ist auf breiter Basis in den Betrieben angekommen, sie dient – wie auch die Roboter – der Arbeitserleichterung und Entlastung der Fachkräfte. Eine Übernahme der tatsächlich auszuführenden Tätigkeit durch Roboter ist in der gewerblichen Fertigung eher auf einige wenige Betriebe beschränkt. Einfache Schweißarbeiten an Bauteilen, welche in hoher Stückzahl herzustellen sind, können unter gewissen Umständen unter Zuhilfenahme von Cobots durchgeführt werden. Hier ist jedoch der Kosten-Nutzen-Faktor zu berücksichtigen, denn der Aufwand für die Programmerstellung der Arbeitsschritte sowie die Endkontrolle durch den zertifizierten Schweißtechnologen bleiben auch hier nicht erspart. In der Serienfertigung können durchaus wirtschaftlich sinnvolle Kombinationen generiert werden. Ob und inwieweit es sich für die Betriebe lohnt, ist sehr unterschiedlich zu beurteilen und von der jeweiligen Fertigung abhängig. Die CAD-Planung in 2D ist Standard. In mittelgroßen Betrieben wird jedoch meist bereits elektronisch vermessen, in 3D geplant und diese Daten für die maschinelle Fertigung verwendet.

metallbau: Im Interview 2021 haben Sie Herr Schinnerl angesprochen, dass die Normarbeit forciert werden soll; welche Schritte in Ihrem Sinn wurden inzwischen erreicht, was ist weiterhin offen?

Schinnerl: Die Experten der Bundesinnung der Metalltechniker sind in vielen Komitees der Austrian Standards vertreten und leisten hier großartige Arbeit. Bei der Überarbeitung von Normen konnten viele Punkte eingebracht werden, welche in Zukunft die Arbeiten für die metallverarbeitenden Betriebe erleichtern. So konnte unter Miteinbeziehung der Interessenvertreter die Normenreihe für Feuer- und Rauchschutzabschlüsse für Türen- und Tore auf ein kompaktes Regelwerk reduziert werden. Ebenso konnte für die Auslegung von Stahltragwerken unter Brandeinwirkung eine Verbesserung erzielt werden. Durch die Erstellung des Anhangs zur ÖNORM EN B 1993-1-2 wurde eine mögliche Kosteneinsparung für die Hersteller herbeigeführt.

www.amft.atwww.paroli-avb.at

www.bautechnik.pro/Shop

www.weissbuch-alufenster.at

www.metalltechnik.at

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