Interview

Michael Höhler - Berufsschullehrer

Azubis in Corona-Zeiten

Michael Höhler unterrichtet seit vielen Jahren an der David-Roentgen-Schule in Neuwied als Fachlehrer Auszubildende des Metallbaus. Im Interview berichtet er über die Möglichkeiten des Digitalunterrichts und stellt bedauernd fest, dass noch nicht alle seiner Berufsschüler über einen PC und einen Internetzugang verfügen. Diese Situation gilt sicher nicht allein für seine Schüler. Höhler appelliert an die Unternehmer, während des Distanzunterrichts mit auf die Umsetzung der planmäßigen Unterrichtszeiten, entweder im Betrieb oder Zuhause, zu achten und dem Nachwuchs bei der Ausstattung unter die Arme zu greifen.

metallbau: Sind Ihre Metallbau-Azubis alle mit PC & Internet ausgestattet?

Michael Höhler: Nein, leider nicht, aber die Situation hat sich mit Unterstützung von Ausbildungsbetrieben gebessert. Hier richte ich die dringende Bitte an die Unternehmen, auch in eingerichtete Notebooks als zeitgemäße Arbeitsmittel für die Ausbildung unserer künftigen Gesellen zu investieren. Denn klar ist, dass dies auch eine Investition in die Zukunft des Betriebes ist, wenn es unseren Nachwuchskräften ermöglicht wird, sich auch überfachliche Kompetenzen im Einsatz mit digitalen Medien anzueignen. Stichwort Handwerk 4.0! Zudem wäre die Weiterbildung im Einsatz der diversen Office-Tools hilfreich. Daran könnte sich auch die Zulieferindustrie beteiligen, die direkt auf die Berufsschulen mit Drittmitteln für Hard- und Software zugehen könnte. Der Fernunterricht wird anlässlich der Pandemie seit fast einem Jahr praktiziert und stetig weiterentwickelt. Unterstützung stellt das Pädagogische Landesinstitut in Form der Herausgabe vielfältiger Handreichungen und eines breiten Supports bereit. Als durchaus positiver Nebeneffekt bei all den Unwägbarkeiten hat ein Professionalisierungsprozess in der Lehrerschaft und bei den Auszubildenden durch den Einsatz der digitalen Technik begonnen, der sich immer wieder durch neue Impulse und Erfolgserlebnisse im Onlineunterricht fortsetzt.

metallbau:  Ist seit Februar 2020 die digitale Ausstattung an Ihrer Berufsschule optimiert worden?

Höhler: An unserer Schule wurden zu Beginn des laufenden Schuljahres die Schüler mit einem Medienpaket ausgestattet. Das umfasst vor allem die Software Office 365. Die weitreichend genutzte digitale Lernplattform Moodle (Moodle@RLP) gehört schon seit vielen Jahren zum digitalen Portfolio unserer Schule. Neu hinzugekommen ist die Organisations- und Kommunikationssoftware WebUntis. Deren Nutzbarkeit mittels Smartphone ist für unsere Schüler besonders wichtig. Der enthaltene Messengerdienst erlaubt die Versendung von Schrift- und Bildnachrichten, sodass Lernaufgaben oder unterrichtsorganisatorische Infomationen digital versendet werden können. Hervorzuheben ist darüber hinaus die Möglichkeit, mit dieser Software den Stundenplan abzubilden. Gerade in Zeiten des Distanzunterrichts ein wichtiges Feature. Fast traditionell wirkend ist auch nach wie vor der E-Mail-Verkehr zwischen den Auszubildenden und den unterrichtenden Lehrkräften möglich.

metallbau:  Gibt es die Möglichkeit zum Video-unterricht?

Höhler: BigBlueButton als derzeit aktuelles vom Bundesland Rheinland-Pfalz vorgegebenes Videokonferenzsystem ermöglicht es, mit den Berufsschülern per Videochat in Kontakt zu treten. Es lässt sich eine für beide Seiten vielfach gewinnbringende Kommunikation für den Fernunterricht aufbauen und gestalten. Während die Lehrkraft den Chat einrichtet und einen Zugangslink versendet, benötigen die Schüler, neben ihren Unterrichtsmaterialien, zumindest ein Smartphone, um an der Konferenz teilzunehmen. Wie bei allen technischen Systemen kommt es hin und wieder zu Störungen. Da die Systeme internetbasiert sind, bieten diese leider auch die Möglichkeit für Hackerangriffe, wie sich dies bereits am 4. Januar 2021 zu Unterrichtsbeginn nach den Weihnachtsferien ergab. Recherchen zufolge legten offensichtlich hohen Lastzahlen das digitale System zeitweise lahm. Da wirtschaftliche Gründe wohl kaum die Ursache von Boykottmaßnahmen gegenüber der Aufrechterhaltung der Bildungsbemühungen durch die ohnehin äußerst strapazierten Lehrkräfte in diesen schwierigen Zeiten anzunehmen sind, dürfen den Tätern bedauerlicherweise wohl niedere Beweggründe attestiert werden.

metallbau:  Welcher Stoff lässt sich digital gut unterrichten?

Höhler: Zunächst darf gesagt werden, dass die Erfüllung unseres Bildungsauftrags im Unterricht „auf Distanz“ in diesen Zeiten besondere Mühen von den Lehrkräften abverlangt und diese stark beansprucht. Die Bereitstellung von Lernaufgaben oder erklärenden, internetbasierten Fachvideos ist gut möglich.

Über das Videokonferenzsystem kann eine Zusammenkunft der Lerngruppe mit der Lehrkraft gestaltet werden, um Unterrichtsinhalte oder auch -relevante Themen aus dem persönlichen Umfeld des Berufsschülers (im Einzelchat) zu besprechen. Im Gegensatz zum Präsenzunterricht, in dem das Erschließen von neuen Lerninhalten in Arbeitsgruppen oder auch in Partnerarbeit geschieht, kann der Fernunterricht zur Förderung der Sozialkompetenz leider keinen Beitrag leisten.

Für die Anwendung der im Medienpaket befindlichen Office 365-Software müssen sich die Berufsschüler in unterschiedlichem Maße Kompetenzen erwerben oder diese festigen.

Das Erbringen von Leistungsnachweisen durch die Auszubildenden gehört zur berufsschulischen Ausbildung. Im Präsenzunterricht befinden sich die Schüler*innen im Sichtfeld der Lehrkraft. Das ist im Fernunterricht ohne Weiteres nicht gegeben. Aber auch schon die Planung ist neben der Durchführung von Prüfungen über Onlinestrukturen daher eine Herausforderung für die Berufspädagogen und bringt auch neue Anforderungen an die Auszubildenden mit sich.

metallbau:  Wie gehen Ihrer Erfahrung nach die Auszubildenden mit den Folgen der Pandemie um?

Höhler: Die Auszubildenden arrangieren sich mit der veränderten Situation und zeigen sich gegenüber den besonderen Lernumständen des Fernunterrichts aufgeschlossen. Und natürlich gibt es da solche und solche mit unterschiedlichem Engagement. Die Kontrolle der Umsetzung der planmäßig vorgesehenen Lernzeiten nach Stundenplan durch die Schule oder Betriebe gestaltet sich aufwendiger und ist nicht immer lückenlos realisierbar. Vor allem wenn die Auszubildenden für die Berufsschulzeit vom Betrieb freigestellt werden und eigenverantwortlich zuhause die Aufgaben bearbeiten. Letzteres gewährt ein Lernen im heimischen Umfeld, was dadurch gegünstigt wird, dass eine mögliche Ablenkung durch die betriebliche Geschäftigkeit außen vor bleibt und dadurch ein konzentrierteres Lernen geschehen kann. Rückgemeldet wurde allerdings von Schülerseite auch schon ein Überforderungserleben aufgrund der Fülle an zugesendeten Aufgaben.

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