Schweißer-Ausbildung

Lichtbogen und Raupe im virtuellen Raum

Brenner und Werkstück sind zwar Modelle, aber reale Objekte. Aus diesen Komponenten, weiterhin einem PC und einem Bildschirm besteht der zukunftsorientierte Schweißer-Ausbildungsplatz „Virtual Welding“ von Fronius.

Der souveräne Umgang mit dem Werkzeug zeichnet den Profi im Schweißerberuf aus. Neu-, Quer- und Wiedereinsteiger müssen sich die Handfertigkeit mit dem Brenner in zahlreichen praktischen Übungsstunden aneignen. Bis der angehende Schweißer die erforderliche Qualität seiner Ergebnisse erreicht, fließen üblicherweise erhebliche Mengen Strom, Gas und Schweißschmelze; des weiteren sind enorme Investitionen in Blech sowie Ausrüstungs-, Anlagen- und andere betriebswirtschaftliche Kapazitäten nötig. Fronius hat hier den Bedarf an innovativen, Ressourcen sparenden Lehr- und Lernmethoden erkannt und eine Alternative entwickelt: Virtual Welding.
Virtuell sind sowohl der Lichtbogen als auch die geräuschvoll entstehende Schweißnaht. So verkürzt sich das materialintensive Üben am realen Schweiß-Equipment erheblich – mit dem Nutzen gravierender Einsparungen von Zeit, Platz, Werkstoff, Gas, Schweißzusatz und Energie.
 
Alternative. In zahlreichen Übungsstunden erwirbt der Schweißer feinmotorische Handfertigkeit. Erfahrungsgemäß sind mehr als 100 praktische Übungsstunden erforderlich, bis der Neuling verwertbare Ergebnisse erzielt. Das Sprichwort „Übung macht den Meister“ gilt für ihn ebenso wie für die Könner anderer Metiers. Wesentliche Unterschiede beispielsweise zu einem künftigen Violinvirtuosen: Der angehende Schweißer verbraucht für seine Etüden erhebliche Mengen Schutzgas, Schweißdraht, Metallblech sowie Strom, und seine „Fingerübungen“ finden unter den riskanten Bedingungen eines über 2000 Grad heißen Lichtbogens mit intensiver UV-und Wärmestrahlung statt.
Anders als der junge Musiker ist der auszubildende Schweißer deshalb bisher am freien Experimentieren mit dem Instrument gehindert. „Virtual Welding“ zeigt eine Alternative auf, die sowohl die Sicherheitsrisiken als auch die Kosten- und Emissionsbelastungen beim Einstieg in die Praxis beseitigt. Der funktionsfähige Prototyp des virtuellen Schweißer-Ausbildungsplatzes überzeugte zunächst im vergangenen September in Essen die Besucher des Fronius-Messestandes während der „Schweißen & Schneiden“. Seit diesem Monat ist das Produkt nun auf dem Markt verfügbar.
Inspiriert von der Vision des Gründersohnes Klaus Fronius im Jahre 2006, fanden die österreichischen Entwickler die Lösung des Virtual Welding. Das System schafft das Potenzial, sowohl die realen materiellen Verbräuche während der Schweißerausbildung zu reduzieren, als auch die Lasten und Kosten infolge von Arbeitsunfällen und -schäden zu vermeiden.
Die Virtualität stellt zudem eine Attraktion besonders für Jugendliche der „Media-Generation“ dar. Dies trägt zum Aufwerten des Schweißer-Berufsbildes bei. Künftig wird die Berufslaufbahn schon an ihrem Start sauberer, gefahrloser, angst- und stressfreier sein und mehr Spaß machen. Kommentare wie „uncool“ für eine Qualifikation mit nachhaltig guten Arbeitsmarktchancen sind dann endgültig „out“.
Mit der Innovation betritt der Nutzer nicht allein den virtuellen Raum, sondern er beseitigt weitere räumliche Beschränkungen des traditionellen Trainings: Die „Lehrwerkstatt“ bringt der Ausbilder entweder in einem mobilen Rollkoffer mit in die Berufsschule oder die Fortbildungsakademie, oder sie besteht aus einem Terminal, das weniger als einen Quadratmeter Stellfläche beansprucht. Mehr noch: Die Netzfähigkeit des Produktes gewährleistet, dass Ausbildern wie Auszubildenden der Kommunikationsraum des Internets offen steht. Eine traditionelle Berufsschulklasse ist damit erweiterbar auf definierte Individuen bzw. Gruppen von Mit-lernenden – von lokal über regional, konzern- oder landesweit bis international.
 
Tracking-System. Virtual Welding schafft den fiktiven Ort für den Übenden, an dem sich die wesentlichen Funktionen der Handbewegungen und des Geräuschehörens abbilden. Dies funktioniert auf der Basis eines Tracking-Systems. Im Unterschied zu den häufig von Spiele-Entwicklern genutzten optischen Trackings funktioniert bei Virtual Welding ein magnetisches Trackingsystem. Es überträgt auch feine, pendelnde Bewegungen der Hand in die Virtualität, die sich auf dem Screen bzw. der 3D-Brille zeigt.
Unterhalb des Werkstücks erzeugt ein Magnetgeber ein kugelförmiges Magnetfeld. Ein Sensor detektiert die Lage des Schweißbrenners. Das digitalisierte Signal der Positionsdaten bildet den Input für die Software zum Visualisieren der Stellungen von Brenner und Werkstück. Am Schweißhelm befindet sich ein zusätzlicher Sensor, der eine realitätskonforme Sicht auf die Schweißaufgabe ermöglicht – ob aus der Nähe, mit Abstand oder aus unterschiedlichen Blickwinkeln.
Die Wirkung der Schwerkraft auf das zähflüssige Schweißgut und sein Erstarren zeigt sich in markanten Erscheinungsbildern für die unterschiedlichen Positionen des Brenners zum Werkstück. Diese typischen Naht-Optiken unter dem Einfluss unterschiedlicher Schweißparameter werden überzeugend simuliert. Des Weiteren hört der Schweißer echtzeitig das gleichfalls charakteristische Geräusch. So verknüpft sich das technische Verständnis des Lernenden, eine eher rationale Kompetenz, im Zuge des praktischen Übens eng mit der sinnlichen Wahrnehmung.
Während der Übende den Brenner am Musterwerkstück entlang führt, verarbeitet er die visuellen und akustischen Analog-Signale mental zu Rückmeldungen darüber, ob Geschwindigkeit, Brennerabstand und -winkel stimmen. Auswirkungen unsachgemäßer Brennerhandhabung sind in den virtuellen Darstellungen echtzeitig erkennbar. Der Trainierende reagiert mit der Hand – und „speichert“ das Gelernte in seinem zerebralen motorischen Gedächtnis. Er bildet das angestrebte „Gefühl“ für Spannung und Stromstärke aus.
Das didaktische Konzept von Virtual Welding besteht aus der Trainings- und der Simulationssequenz. In der Trainingssequenz übt der Berufsstarter zuerst die Geschwindigkeit beim Führen des Brenners. Er übt so lange, bis er die definierte Punktezahl erreicht. Die aufbauende Stufe beinhaltet zusätzlich das Üben des optimalen Abstandes; eine weitere, auch den richtigen Winkel zwischen Brenner und Werkstück einzuhalten.
Mit zusätzlichen oder gesperrten Modulen und über das Einstellen der Parameter simuliert Virtual Welding unterschiedliche Prozessbedingungen. Der Lernfortschritt beim angstfreien und zunehmend sicheren Handhaben des Brenners ist individuell dokumentier- und auswertbar. Die Gefahr von Bewertungsfehlern ist praktisch ausgeschlossen – ein Vorteil für den Lehrenden. Denn mit der Gewähr stets objektiver Leistungsbeurteilung festigt sich die für jeden erfolgreichen Lernbegleiter unerlässliche Vertrauensbasis. Dem Lernenden erspart es Frustrationen infolge wirklicher oder gefühlter Falschbeurteilung und fördert seine Motivation.
 
Lernumgebungen schaffen. Der Ausbilder kann mit Hilfe einer serverartig strukturierten Datenbank anwendungs- oder schülerspezifische Lernumgebungen schaffen, speichern und aufrufen. So gestaltet er den Unterricht kreativ und das Übungsniveau gemäß der jeweils erreichten individuellen Fertigkeit. Die höhenverstellbare Arbeitsfläche berücksichtigt die Körpergröße des Übenden.
Ein wesentlicher Nutzen beim Lernen mit dem virtuellen Schweißer-Ausbildungsplatz ist seine Netzwerk- und damit Teamfähigkeit. So können die leistungsfördernden gruppendynamischen Impulse den Lernfortschritt jedes Auszubildenden stimulieren. Bei international zusammengesetzten Online-Teams kann jeder Einzelne „nebenbei“ einen weiteren Lerneffekt mitnehmen: bessere Sprachen-Kompetenz. Für den Trainer bedeutet dies, dass er sich bei seiner Mentorenarbeit, z.B. den verbalen Hilfestellungen, sicher in seiner Landessprache bewegen kann. Denn Virtual Welding arbeitet vielsprachig. Online und frei von Sprachbarrieren organisiert der Ausbilder webbasierte Leistungsvergleiche. So kann er den Auszubildenden spielerisch den Wettbewerbscharakter der globalisierten Arbeitswelt nahe bringen.
Der virtuelle Übungsplatz von Fronius ist branchen- und markenunabhängig einsetzbar. Erforderliche Updates kann der Nutzer unkompliziert per DVD oder online vornehmen. Für Erweiterungen, wie neue Prozessvarianten oder Hardware, ist das System vorbereitet. Dafür sind für die standardisierten Ausführungen des Terminals und des mobilen Koffers Erweiterungs-Module vorgesehen. Des Weiteren erhält der Kunde bei Bedarf individualisierte Anpassungen. So bleibt der Anwender mit Virtual Welding stets auf der Höhe des technologischen Standes.
Nach einem Kurs von 2 mal 60 Übungsstunden ist der angehende Schweißer für die Zertifizierung seiner Ausbildung bereit. Damit ist er zu verwertbaren Ergebnissen in der Lage – und dies ohne vorherige materielle Verbräuche. Der Bedarf an materiellen Ressourcen, bezogen auf eine konventionelle Ausbildung, reduziert sich auf ein Viertel. Nicht berücksichtigt sind schwer bezifferbaren Folgelasten von körperlichem und psychischem Stress in Konsequenz von Unfällen, Schäden an Kleidung und Ausrüstung oder durch frustrierend erlebte Fehler bzw. Fehlbewertungen. 
„Virtual Welding bildet mit seinem neuen Weg der Schweißerausbildung eine bedenkenswerte Option für Anwender in den Berufsschulen, den Schulungseinrichtungen in Industrie und Gewerbe, in technischen Lehranstalten, Schweißinstituten und -verbänden. Darüber hinaus können auch Lehrende und Studierende an Universitäten und Hochschulen mit Virtual Welding den einfachen, niedrigschwelligen Zugang in ein wichtiges Praxisfeld nutzen“, so Josef Kreindl, Leiter Trainingsadministration bei Fronius.
Virtual Welding bringt neben dem unbestreitbaren wichtigen Spaß-Faktor beim Lernen vor allem auch sehr ernsthaften Nutzen – berechenbar in den Kosten der Ausbildung und für einen nachhaltigen Umwelt- und Klimaschutz. red
 
Info + Kontakte
 
Fronius International GmbH
Buxbaumstraße 2
A-4600 Wels
Tel. +43 (0)7242/241-3000
Fax: +43(0)7242/241-3013

www.fronius.com

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