Mühle entzweit Gemüter
„Meine Familie ist einer wahnsinnigen Behörden-Willkür ausgesetzt. Das darf man sich nicht so einfach gefallen lassen“, bekräftigt Dr.-Ing. Jürgen Küenzlen.
In Zeiten der Energiewende hin zu Wasser-, Wind- und Solarkraft soll der Besitzer der Oppenweiler Rüflensmühle enteignet, ein 800 Jahre altes Wasserrecht gestrichen werden.
Wie kann dies in einem demokratischen Rechtsstaat fast unbemerkt geschehen? Das fragen sich viele. Und: Wie ist es um den Hintergrund bestellt? Das ist sicher auch für viele Metallbauer hochinteressant, die in der einen oder anderen Sache um ihr gutes Recht kämpfen.
Es gehe offiziell darum, den Hochwasserschutz für die Städte und Gemeinden an der Murr zu verbessern, heißt es im regional-schwäbischen Behördendeutsch. „Das ist nur vorgeschoben, es geht nur um das Einsparen von Baukosten auf Kosten unserer Familie“, kontert Dr. Jürgen Küenzlen. Der promovierte Bauingenieur ist hauptberuflich Befestigungsexperte und als solcher unter anderem Ansprechpartner für Metallbauer und den Lesern unseres Fachmagazins als kompetenter Autor von Fachbeiträgen seit Jahren bestens bekannt.
Erläuterungen. Bereits seit der Generation des Urgroßvaters leidet die Familie nach eigenen Angaben unter den Auswirkungen der ersten Hochwasserschutzmaßnahme in Oppenweiler aus dem Jahre 1898. „Damals wurde das baulich einfach gehaltene, feste Steinwehr der Familie zur Stauhaltung der Mühle von der Gemeinde durch ein anfälliges mechanisches Stahlwehr ersetzt, um den Hochwasserschutz für die Gemeinde deutlich zu verbessern“, erklärt der Mühlenbesitzer. Dass für den Hochwasserschutz im 21. Jahrhundert nun sogar die Wasserzufuhr zur Mühle ganz entfallen soll, mag Dr. Küenzlen nicht mehr kampflos hinnehmen. Die Opferrolle liegt ihm nicht, er spricht Klartext: „Die öffentliche Verwaltung will mein Wasserrecht streichen und damit die Grundlage für meine Firma beseitigen“, erzählt er. „Begründet wird dies damit, dass meine Firma nur einen kleinen Gewinn erzielt und eigentlich unwirtschaftlich sei und damit, dass kleine Wasserkraftanlagen an sich unökologisch seien. Man will deshalb keine zusätzlichen Ausgaben für meine Integration in ein Gesamtkonzept bereitstellen, sondern mir lieber mein Wasserrecht nehmen, da die Enteignung die örtliche Verwaltung billiger kommt.“ Dazu ergänzt er erklärend: „Der Wasserverband Murrtal ist bei seiner Einschätzung zur Wirtschaftlichkeit der Rüflensmühle mit einer maximal möglichen Ausbauleistung auf 55 kW nicht nur von einem falschen Ausbaupotenzial, sondern zudem von einer falschen Zahlenbasis ausgegangen.“ Unter dem alten Wasserverbandsvorsitzenden sei noch von einer möglichen „Win-win-Situation“ aus Hochwasserschutz und Wasserkraftnutzung die Rede gewesen. Das habe sich unter dem neuen Verbands- und Gemeindechef von Oppenweiler, Steffen Jäger, „radikal geändert“, berichtet der Mühlenbesitzer.
Lebensbestimmend. Der junge Familienvater läuft engagiert Sturm gegen Pläne von Wasserverband und Gemeinde, den Flusslauf der Murr im Gefolge der Bauarbeiten für ein großes Rückhaltebecken zur Gänze zu verlegen und damit seine Rüflensmühle „auszutrocknen“. Schließlich produziert er mithilfe der Wasserkraft Strom. Der Mühlenbesitzer erwägt sogar, Strom direkt zu verkaufen, mithilfe einer neuen Elektro-Tankstelle auf seinem Grund. Zum anderen warnen er und die örtlichen Naturschutzverbände davor, ein großes Feuchtbiotop einfach zu verfüllen, wie von der Verwaltung im Zuge der Baumaßnahme geplant. Er reagiert empört: „Es ist unglaublich, die wollen aus der Murr einfach einen billigen Hochwasserkanal machen und bezeichnen diese Planung auch noch als ökologisch besonders wertvoll.“
Rechtsweg ausschöpfen. Seine Gegner sind einflussreich: allen voran Oppenweilers Bürgermeister Steffen Jäger, des Weiteren Gemeinderäte, Unternehmen und Investoren. Dr. Küenzlen schreckt das nicht, die erste Klage gegen einen bereits ergangenen Planfeststellungsbeschluss wurde – zusammen mit der „ebenfalls von der Behörden-Willkür arg betroffenen Familie des Wasserbau-Ingenieurs Dieter Lind aus Oppenweiler“ auf den Weg gebracht. Beide sind fest entschlossen, den Rechtsweg notfalls bis zur letzten Instanz auszuschöpfen. „Unser großes Engagement für eine konstruktive Zusammenarbeit im Vorfeld dieses Beschlusses wurde einfach ignoriert und teilweise mit fachlichen vollkommen falschen Argumenten abgelehnt“, sagt Dr. Küenzlen zur Begründung.
Konstruktive Variante. Die beiden Bauingenieure belassen es nicht dabei, „Fehler der behördlichen Planungen aufzudecken – im ersten Planfeststellungsverfahren mussten solche bereits von öffentlicher Seite zugegeben werden.“ Vielmehr haben sie konstruktive eigene Hochwasserschutz-Pläne vorgelegt, wie namhafte Experten – etwa der Stuttgarter Professor Jürgen Giesecke, der „Papst“ auf dem Gebiet von Wasserkraftanlagen – bestätigen. Viel Zeit, Geld und Fachwissen haben sie investiert, um eine gemeinsame Lösung für alle Beteiligten zu erarbeiten. Im Mittelpunkt steht die Variante 3K für das Rückhaltebecken. „Wir schlagen darin eine vernünftige Lösung vor, die Hochwasserschutz, Energieerzeugung, Natur- und Landschaftsschutz sowie Naherholung ausgewogen berücksichtigt“, hebt Dr. Küenzlen hervor.
Rück- und Ausblick. „Seit den letzten 100 Jahren ist meine Familie da und erbringt mit den Unterhaltungsarbeiten am 1898 von der Gemeinde erbauten Wehr der Rüflensmühle zuverlässig Leistungen für den Hochwasserschutz und damit für die ganze Gemeinde“, sagt der Mühlenbesitzer und fährt fort: „Wie oft hat uns die Gemeinde in dieser ganzen Zeit deshalb schikaniert, weil sie mit ihren eigenen Planungen aus dem 19. Jahrhundert nichts mehr zu tun haben will. Jetzt will sie uns endgültig loswerden. Aber das hier ist unser Leben, das gebe ich nicht auf. Die Familie lebt seit über 260 Jahren in der Rüflensmühle vom und mit dem Wasser der Murr.“ Bei allen Schritten, die er unternimmt, informiert er umfangreich die Öffentlichkeit, „um die oftmals falschen Argumente – vor allem des Verbandsvorsitzenden Steffen Jäger – sachlich zu widerlegen“, wie er betont. Selbstmitleid, Jammern oder gar Verbitterung sind seine Sache nicht.
Der 39-Jährige wird von der regionalen Presse mitunter – und da muss er schmunzeln – gerne mit einem Cartoon-Helden, dem kleinen Gallier Asterix, der bekanntlich trotz gigantischer Übermacht der römischen Legionäre nie klein beigegeben hat, verglichen. „Für mich zählen Fakten und konstruktive Planungen, die das Interesse aller Einwohner berücksichtigen, keine Polemik“, betont der Ingenieur.
Perspektiven für Metallbauer. Der Wissenschaftler mit dem großen Herzen für das traditionelle, mit immer mehr Vorschriften und Normen kämpfende Handwerk hat den Blick nach vorne gerichtet. Er weiß: Das Wasserrecht verpflichtet auch dazu, das im 19. Jahrhundert errichtete Stauwehr stets zuverlässig zu bedienen. Das tut seine Familie seit über 100 Jahren ohnehin – übrigens nicht immer mit der damals festgelegten Unterstützung der Gemeinde. Der Mühlenbesitzer wörtlich: „1929 gab es beispielsweise eine Wasserwehr aus elf Personen zur Unterstützung der Familie, davon ist heute so gut wie nichts mehr übrig und jede Unterstützung muss mühsam erbettelt werden“. Der dynamische Unternehmer denkt freilich an einen baldigen Ausbau seines kleinen Wasserkraftwerkes: „Heute – in Zeiten der Energiewende – werden Anlagen dieser Art wieder richtig interessant. Mit modernen Maschinen wie Wasserkraftschnecken können historische Standorte kostengünstig neu in Betrieb genommen oder deutlich ausgebaut werden“, erklärt er. „Ich beispielsweise würde meine Anlage gerne mit einer solchen Schnecke erweitern. Das würde bei mir nur rund 50 Prozent der Baukosten für eine althergebrachte Turbine verursachen und wäre zudem weitaus ökologischer.“ Die Wasserkraft der Murr wird genutzt, um im Mittel derzeit rund 200.000 kW/h pro Jahr an sauberer regenerativer Energie zu erzeugen. Nach seiner Überzeugung würden sich da übrigens auch lukrative Perspektiven und neue Aufträge für Metallbauer auftun nach dem Motto: Es muss nicht immer nur Solarenergie sein, Wasserkraft ist doch auch eine wichtige Art zur Erzeugung regenerativer Energie, die viel mehr in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt werden muss.
„Grüne“ Rückendeckung? Ein Stück weit hofft Dr. Jürgen Küenzlen nach dem Regierungswechsel in Baden-Württemberg von der CDU hin zu den Grünen auf Rückendeckung aus Stuttgart. Im Kontakt ist er mit den schwäbischen Grünen-Landtagsabgeordneten Thomas Marwein und Wilhelm Halder, die seiner Meinung nach beide die im Wahlkampf angekündigte Bürgernähe leben und sich mit der Thematik vor Ort mit großem Engagement beschäftigen.
Dorn im Auge. Das Problem scheint indessen nach Ansicht neutraler Beobachter mehr regionaler beziehungsweise lokaler Natur zu sein. Die Rüflensmühle ist dem Wasserverband und vorm allem dem Bürgermeister von Oppenweiler offenbar ein Dorn im Auge, wie in Oppenweiler nicht nur hinter vorgehaltener Hand zu hören ist. Vor allem, wenn es um das ehrgeizige und rasche Umsetzen der Hochwasserschutz-Planung gehe, die nach dem Hochwasserereignis vom Januar 2011 gemeindeübergreifend Vorrang habe. Dr. Küenzlen wörtlich: „Dabei vergisst man nur zu gerne, dass es sich 2011 lediglich um ein Hochwasserereignis gehandelt hat, dass statistisch alle 50 Jahre auftritt. Die hohen Sachschäden waren ganz einfach der Problematik geschuldet, dass vor allem große Firmen auf billigem Bauland – und ohne eigenen Hochwasserschutz – teure Produktionen direkt am Fluss errichtet haben.“ Schon vor vier Jahren hatten die immer wieder vom Hochwasser bedrohten Städte und Gemeinden Murrhardt, Backnang, Sulzbach und Oppenweiler einen Planungsvorschlag mit Rückhaltebecken sowie innerörtlichen Mauern und Dämmen gebilligt. Von mehreren Varianten sei nach langen Beratungen – so lauten lokale Presseberichte und Aussagen des Verbandvorsitzenden Steffen Jäger – nur eine als tragfähig für das Becken an der Rüflensmühle und deshalb durch das Land als förderwürdig übrig geblieben, nämlich die heute umstrittene Verlegung der Murr. Einziger Nachteil: Die Rüflensmühle bekäme nicht mehr genügend Zufluss. Die Kosten für eine eventuelle Zuleitung müsse die Gemeinde aufbringen, „weil das Land dafür nicht einspringt“, so wird Bürgermeister und Verbandschef Steffen Jäger immer wieder zitiert. Im Gegenzug heißt es jedoch von Seiten des zuständigen Regierungspräsidiums aus Stuttgart, berichtet Dr. Küenzlen, dass noch keinerlei Entscheidung über die Förderfähigkeit einer Rückhaltebeckenvariante gefallen sei, d. h. auch noch keine Ablehnung der Förderung einer Zuleitung zur Rüflensmühle von offizieller Seite erfolgt ist. Keine Optionen. Die Stilllegung seiner Wasserkraftanlage ist für Dr. Küenzlen gar keine Option. Gleichwohl bestätigt der Mühlenbesitzer, man habe ihm finanzielle Offerten gemacht. So habe ihm der Verbandsvorsitzende angeboten, eine Photovoltaik-Anlage zu finanzieren, die den gleichen Ertrag wie sein Wasserkraftwerk im heute vorhandenen Ausbauzustand liefern könne. Zudem habe ihm der Verband bei einem Verzicht auf das Wasserrecht eine Summe in bar in Aussicht gestellt. „Aber das sind nicht meine Optionen“, rückt er die Lage zurecht.
Letztlich weiß er sich einig mit dem baden-württembergischen Umweltminister Franz Untersteller, der kürzlich betont hat: „Der Beitrag der kleinen Wasserkraft stellt einen wichtigen Baustein zur Stromerzeugung dar.“ Zudem sei, fügt Dr. Küenzlen hinzu, seine Planungsvariante 3K im Vergleich zu den etwa sechs Millionen Euro Kosten für das Rückhaltebecken und zusätzlichen zehn Millionen Euro für innerörtliche Schutzmaßnahmen in der Gemeinde keine wirklich spürbare Erhöhung der Gesamtbaukosten, die vom Verband selbst für den ganzen geplanten Hochwasserschutz auf rund 40 Millionen Euro beziffert werden.
Resümee. Die Ursachen für das jahrelange Hochwasserdilemma sieht Dr. Küenzlen letztlich in einer Summe von Fehlentscheidungen der Gemeinde Oppenweiler und der Unternehmen/Grundstückseigentümer selbst, gepaart mit „unfassbaren Fehleinschätzungen und unglaublicher Ignoranz gegenüber Expertenmeinungen“. Der Mühlenbesitzer ergänzt: „Die Gemeinde hat sehenden Auges historisch immer wieder überflutetet Flächen bebauen lassen, um steuerträchtiges Gewerbe anzusiedeln. Sie hat gehandelt wie eine gierige Geldregierung. Im Jahre 1970 gab die lokale Presse noch katastrophale Hochwasserschäden in Höhe von mehreren 100.000 Mark für Oppenweiler an, im Jahr 2011 waren es durch die deutlich gewachsenen Produktionsbetriebe (ohne eigenen Hochwasserschutz) schon über 20 Millionen Euro.“
Empfehlung. Der unbeugsame Kämpfer für die Rechte seiner Familie deutet bei unserem Besuch nach der Besichtigung der Rüflensmühle auf eine Passage in einem Artikel in der „Stuttgarter Zeitung“. Mit Blick auf die öffentliche Verwaltung heißt es dort: „Statt alle Profiteure am jetzt forcierten Hochwasserschutz zu beteiligen, gehe man lieber den Weg des geringsten Widerstandes und entledige sich eines querdenkenden Geistes“.
Sein persönliches Resümee nach all den Jahren des Streites formuliert Dr.-Ing. Jürgen Küenzlen unmissverständlich: „All dies zeigt, dass man selbst für seine Interessen einstehen muss, da die Verwaltung nicht immer alles richtig macht oder machen will, wenn es um ihre eigenen, oftmals finanziellen, Interessen geht. Wer sich in unserem System als Kleinunternehmen nicht fachlich gut gerüstet gegen große Planungen, die einen selbst negativ betreffen, zur Wehr setzt, wird schlicht und einfach untergebuttert, wenn es um die finanziellen Interessen anderer geht“.