Nach vier Jahren EN 1090
Aus dem Logbuch von Auditor Peter TrappeSeit dem Logbuch in der Ausgabe vom Februar haben mich einige Kollegen kontaktiert. Die meisten wollten wissen: „Darf jetzt jeder Treppen und Geländer bauen oder fallen die unter die EN 1090 und brauchen eine CE-Kennzeichnung? Können Sie bitte mal in verständlichen Worten ausdrücken, was in Deutschland gilt, und was ein kleiner Schlosser und Metallbaubetrieb diesbezüglich aktuell hierzulande beachten muss!“
Genau mit dieser Frage beschäftigen sich derzeit weit oben angesiedelte Gremien. Sie arbeiten Papiere aus, die abschließend klären sollen, was künftig gilt. Den Kollegen ging es jedoch darum, was aktuell zu beachten ist. Ich hoffe, mir gelingt eine verständliche Antwort.
Es gibt Treppen aus Metall, die in den Anwendungsbereich der EN 1090-1 fallen, und es gibt Treppen aus Metall, für die das nicht der Fall ist. Bei Geländern verhält es sich genauso. Wer Treppen oder Geländer herstellen will, die in den Anwendungsbereich der EN 1090-1 fallen, muss nach EN 1090-1 zertifiziert sein, eine Leistungserklärung abgeben und eine CE-Kennzeichnung auf sein Produkt aufbringen. Fällt das Bauteil nicht in den genannten Anwendungsbereich, darf keine CE-Kennzeichnung erfolgen.
Im Anwendungsbereich EN 1090-1
Treppen aus Stahl oder Aluminium fallen in den Anwendungsbereich der EN 1090-1 wenn sie
zur Sicherstellung der mechanischen Festigkeit und Stabilität eines Gebäudes/Bauwerks beitragen (>>> Teil des Tragsystems des Gebäudes/Bauwerks sind),
als eigenständiges Bauwerk/Tragwerk zu betrachten sind oder
im Brandfall als Fluchtweg dienen.
Man erwartet vom Hersteller, dass er im Einzelfall selbst einschätzen kann, ob eines oder mehrere der Kriterien zutreffen und das Bauteil in den Anwendungsbereich der EN 1090-1 fällt oder nicht.
Geländer aus Stahl oder Aluminium fallen in den Anwendungsbereich der EN 1090-1 wenn sie nicht nur gegen Absturz sichern, sondern darüber hinaus auch zur Sicherstellung der mechanischen Festigkeit und Stabilität eines Gebäudes/Bauwerks/Tragsystems beitragen. Auch diese Fragen muss der Hersteller selbst klären.
Sorgfalt mit dem CE-Kennzeichen
Mit der CE-Kennzeichnung sollte man sehr sorgfältig umgehen: Es ist verboten, diese nicht aufzubringen, wenn eine Rechtsvorschrift dies vorschreibt. Aber es ist genauso verboten, sie aufzubringen, wenn dies nicht der Fall ist. Zuwiderhandlungen sind in beiden Fällen strafbar. Ich informiere darüber, weil einige Kollegen dazu übergegangen sind, alles, was sie herstellen, mit der Kennzeichnung zu versehen. Der Schuss kann nach hinten losgehen!
Zur Herstellung
Wer annimmt, bei Treppen und Geländern, die nicht in den Anwendungsbereich der EN 1090-1 fallen, sei auch nichts zu beachten, der irrt. Es greifen die technischen Regelungen der 1090-Reihe: EN 1090-2 bei Stahl, EN 1090-3 bei Aluminium. Diese hat der Hersteller grundsätzlich zu beachten.
Übrigens: Dass zwar keine Leistungserklärung und CE-Kennzeichnung nach EN 1090-1 erforderlich ist, EN 1090-2 bzw. -3 jedoch zu beachten sind, gilt nicht nur bei Treppen und Geländern, sondern auch bei vielen anderen Produkten, die der klassische Metallbauer im Portfolio hat.
Zu guter Letzt: Bei einem meiner jüngsten Audits kamen zwei Schlosserkollegen vorbei. Noch nicht zertifiziert, sie wollten sich die Sache nur mal anschauen. Es kam der Vorwurf „... Sie schießen im Fachmagazin metallbau gegen die nicht-zertifizierten Betriebe doch nur, weil Sie Werbung für ein Zertifikat machen wollen, das keiner braucht. Wenn das alles so wichtig wäre, wie Sie schreiben, würde das unser Bauamt fordern, aber dort will keiner etwas davon wissen“.
Diese Vorwürfe muss ich richtigstellen: Ich will mit dieser Serie weder gegen jemanden schießen noch Werbung für Aufträge zum Audit machen. Und wenn ein Bauamt „eine Zertifizierung nach EN 1090-1 nicht fordert“, heißt dies nicht, dass „die Zertifizierung nicht gebraucht wird“, sondern lediglich, dass dort die LBO bzw. andere technische Richtlinien entweder nicht gekannt oder nicht umgesetzt werden. In Konsequenz machen sich viele Metallbauer strafbar und gehen wirtschaftliche Risiken ein, die ihnen nicht bewusst sind. Um Qualität soll es an dieser Stelle gar nicht gehen. Ich schreibe für dieses Fachmagazin, weil ich befürchte, dass die Metallbauer auf ein „Schweißnahtgate“ zusteuern. Die Autoindustrie hat ihren Dieselskandal.