Niebuhr Stahlglastechnik
Die Brandschutzspezialisten aus Gardelegen„Fahrschuldoppelbedienungsanlagen“, das ist eines dieser Wörter, wie sie nur die deutsche Sprache hervorbringt. Fahrschuldoppelbedienungsanlagen sind der Grund, warum die Niebuhr Stahlglastechnik mit Sitz in Gardelegen sich in den vergangenen 25 Jahren zu einem renommierten Betrieb für Brandschutzelemente und Sonderkonstruktionen aus Stahlprofilen entwickelt hat: Mit einem Modellwechsel des VW-Golfs wollte das nahe gelegene Volkswagenwerk eben diese Fahrschuldoppelbedienungsanlagen künftig in eigener Regie einbauen und Senior Maik Niebuhr war gezwungen, sich ein anderes Betätigungsfeld zu suchen. ->EN-articel
Mit den rund 85 Angestellten am Hauptsitz in Gardelegen allein sind Projekte mit einem Auftragsvolumen bis zu 4,5 Mio. Euro nicht zu bewältigen. Deswegen arbeitet Niebuhr dauerhaft mit drei Subunternehmern zusammen, die jeweils ca. zehn Leute beschäftigen und alles montieren, was in Gardelegen gefertigt wird. Konstruiert wird neuerdings auch in Magdeburg. Die Entscheidung, dort ein Ingenieurbüro aufzubauen, war rein strategisch begründet: In einer Landeshauptstadt mit einem Einzugsgebiet von ca. 300.000 Einwohnern ist es leichter, geeignete Mitarbeiter zu finden. „Gute Leute auch zu halten, ist nicht nur eine Frage des Lohns“, ist der Juniorchef überzeugt, „sondern auch eine Frage des Umgangs und der Wertschätzung untereinander.“
Für technisch anspruchsvolle Aufgaben sind engagierte Mitarbeiter notwendig. Bei der Rekonstruktion der nahezu raumhohen Fenster im Erdgeschoss der IHK München beispielsweise hatten die Architekten die Vorstellung, den Wechsel von rotem Sandstein und hellem Kalkstein in der Fensterlaibung mit dem Verlauf des horizontalen Fensterprofils aufzunehmen. Was vorher niemand ahnte: dass die weißen Kalksteine nicht auf einer Höhe liegen! „Beim Aufmaß haben wir Unterschiede von bis zu fünf Zentimetern festgestellt. Dann heißt es ausmitteln und interpolieren. Wir haben das Problem mit unterschiedlich hohen Glasscheiben gelöst. Das fällt dem zufälligen Betrachter nicht auf – es wäre aber sehr wohl aufgefallen, wenn der schwarze, glasteilende Riegel des Außenfensters in unterschiedlicher Höhe verlaufen wäre. Dabei sind es nur ein paar Zentimeter ... theoretisch ist so eine Konstruktionsvorstellung perfekt, aber die Praxis sieht anders aus, gerade bei Sanierungsvorhaben.“
Der Aufmaßbedingungskatalog
Um solche unliebsamen Überraschungen zu vermeiden, hat der diplomierte Maschinenbauer einen „Aufmaßbedingungskatalog“ erstellt. „Das ist eine 25-seitige PDF-Datei, mit der wir Architekten technische Erläuterungen geben und sie für die notwendigen Vorleistungen unserer engmaschig tolerierten Brandschutzelemente sensibilisieren,“ erläutert Niebuhr. „Wir erklären beispielsweise, auf welche DIN-Normen wir uns beziehen, weil es sonst gar nicht möglich ist, millimetergenau zu arbeiten. Beispielsweise gesteht die VOB dem Auftragnehmer eine Höhenquote zu, die er zwangsweise benötigt, um die Höhenverhältnisse in den Gebäuden zu ermitteln. Wenn wir das Aufmaß auf der Baustelle machen, ist ja meist kein Estrich bzw. Boden da. Im Neubau mag es noch angehen, aber bei Sanierungsprojekten ist es extrem schwierig, rechnerisch auf die einheitliche Null-Marke, respektive den Meterriss zu kommen, sobald der Fußboden oder die Decke entfernt wird.“ Leider wird der „Aufmaßbedingungskatalog“ nur allzu oft ignoriert, da die Inhalte weniger als Hilfestellung verstanden werden, sondern eher als „Arbeitsverweigerungstaktik“ des Metallbauers. Dabei könnte die Einhaltung den Projektbeteiligten so manches „Krisengespräch“ ersparen. „Bauherren tendieren dann dazu, weitere Projektsteuerer einzukaufen, um solche Nachtragsleistungen zu vermeiden, offen zu diskutieren oder um Druck auf die Firmen aufzubauen“ sagt Niebuhr, aber er weiß auch: „Das funktioniert nicht, weil die Lösung nur zu oft pragmatisch am Bau ermittelt wird, und nicht durch lautstarke Gespräche im Baucontainer. Die Firmen bekommen sukzessive eine kürzere Zündschnur bei jedweden VOB-Schreiben. Es ist nicht unüblich, dass mindestens ein Gewerk auf einer Baustelle ausschließlich über den jeweiligen Anwalt mit den Bauherren kommuniziert.“
Nur für die öffentliche Hand
Überhaupt, ist heute aus der geschuldeten Leistung ein leidiges Thema geworden, das viel Streitpotenzial beinhaltet. „Schon im eigenen Interesse suchen wir bei Differenzen zwischen Ausschreibungsinhalt und des, sich tatsächlich herausstellenden Ausführungswunsches von Anfang an den Konsens mit den Architekten und Bauleitern. Doch wenn das Leistungsverzeichnis nicht präzise genug war, beziehungsweise die Wunschausstattung inhaltlich nicht wiederspiegelt oder sich im Laufe der Abwicklung veränderte Grundlagen ergeben, gibt es nur eine Möglichkeit: Der Bauherr trägt dann die Mehrkosten, die aus den geplanten Ausstattungen und dem tatsächlichen Vertragssoll gemäß Nutzungskonzept resultieren.
Die Ausschreibungen müssen den wirtschaftlichsten Preis hervorbringen. Eine gesetzliche Vorgabe, die leider auch erhebliche Restriktionen in der Preisfindung nach sich zieht. Die Unternehmen die für die öffentliche Hand tätig sind, sind logischerweise bestrebt, die Auftragsbücher voll zu bekommen, sodass sehr genau zwischen geschuldeter Leistung und erwarteter Ausführung differenziert werden muss. Für diesen Findungsprozess stagniert die Baustelle meistens, da die Beteiligten sich oft in Rechthaberei verrennen. „Denn“, so Niebuhr weiter: „wenn der Architekt beispielsweise ein falsches Maß vorgibt und die Tür nicht passt, dann streite ich mich dem Auftraggeber über die Bezahlung, und nicht mit dem Architekten. Da muss der Bauherr sich also auch während der gesamten Bauphase kritisch einbringen, wenn es gut laufen soll.“ Und bei der IHK lief es gut, weil der IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Manfred Gößl als Bauherrenvertreter so manche Entscheidung beherzt getroffen hat.
Die Brandschutzspezialisten
Als Meister des Schlosserhandwerks baute er zunächst Geländer, Treppen und Hoftore – in meisterlicher Qualität, was sich unter Kunden und Lieferanten schnell herumsprach. Aber erst ein befreundeter Außendienstmitarbeiter eines Vertriebspartners brachte Niebuhr dazu, sich mit dem Thema Brandschutz zu beschäftigen. Vorausgegangen war der Brand am Düsseldorfer Flughafen, der deutschlandweit ein Umdenken in Sachen Brandschutz bewirkte: Die bestehenden Vorschriften sollten künftig konsequent angewendet und deren Einhaltung regelmäßig überwacht werden.
Das hat nicht nur dazu geführt, dass Bauherren seither mit dem Bauantrag ein detaillierteres Brandschutzkonzept vorlegen müssen, sondern es hat auch dazu, dass viele, um nicht zu sagen: alle öffentlichen Gebäude hinsichtlich ihres Brandschutzes überprüft und nötigenfalls nachgerüstet wurden. Kurz, die ideale Basis für ein erfolgversprechendes Geschäftsmodell war gegeben. Arbeitete man anfangs noch systemunabhängig, hat man sich im Lauf der Zeit ausschließlich auf die Profile von Schüco Stahlsysteme Jansen spezialisiert.
Abgesehen davon, dass der hohe Schmelzpunkt von Stahl den materialgerechten Einsatz von Stahlprofilsystemen der Spezifikation F30/T30, F90/T90, also bei erhöhten Anforderungen an den Brand- und Rauchschutz sichert, bietet die Zusammenarbeit mit einem namhaften Systemgeber dem Metallbauer viele Vorteile. „Die schlanken Materialansichten in Verbindung mit den allumfassenden Brandschutzprüfungen ermöglichen uns konstruktive Gestaltungsfreiheit im System,“, sagt Michael Niebuhr. Er ist vor sechs Jahren in den väterlichen Betrieb eingestiegen und verantwortet seither gemeinsam mit dem Senior die Geschäftsführung.
Rund einhundert Projekte wickelt Niebuhr Stahlglastechnik Jahr für Jahr ab. Die Fertigung der Brandschutzwände und -türen sowie die Rekonstruktion der historischen Befensterung mit Stahlprofilen für die Sanierung der IHK München und Oberbayern rangiert größenmäßig unter den Top drei der letzten Jahre. Die beiden anderen sind die Deutsche Rentenversicherung in Berlin, ein 25-geschossiges Gebäude am Hohenzollerndamm, und die Behörde für Standentwicklung und Wohnen in Hamburg (BSU); mit einem Auftragsvolumen von 4,5 Mio. Euro das bislang größte Bauvorhaben in der Unternehmensgeschichte der Niebuhr Stahlglastechnik. „Türen, Tore, Treppen: alles was man mit Stahl bauen kann, haben wir für das Projekt gefertigt und montiert „, schwärmt Niebuhr Junior. „Angefangen von Gitterrostebenen im Außenbereich bis zu den gängigen Brandschutzthemen – allein 700 Stahlblechtüren! Die Türlisten liefen über mehrere DIN-A0-Blätter. Bei der Schlussrechnungsbesprechung sind wir zur Kontrolle der Ausstattung mit einem Einkaufswagen durch das Gebäude gefahren, auf denen sie auslagen.“