Offenes Potenzial im Einkauf

Strategie steigert den Umsatz

Große Unternehmen wissen, dass bei drei Prozent Materialkosteneinsparung der Umsatz bis zu einem Viertel höher ausfallen kann. Günstige Einkaufspreise steigern den Umsatz, ohne dass Arbeit anfällt. Experten meinen, gerade kleine und mittelständische Unternehmen verwenden zu wenig ­Strategie auf ihren Einkauf. Potenzialbewusstsein und langfristig-strategisches Denken lohnt.

Michael Herbers von Metallbau Emmeln aus Haren an der Ems arbeitet mit 450 Lieferanten zusammen. „Wir haben ein sehr differenziertes Portfolio und wollen uns nicht von einigen wenigen Zulieferern abhängig machen“, erläutert der Leiter des Einkaufs. Der Betrieb mit 85 Mitarbeitern handelt unter anderem mit Stahl, Bildschirmen, Elektronikteilen und Elektromotoren. „Am meisten beziehen wir Stahl und Stahlteile. Da sind wir stark vom Rohstoffpreis abhängig“, erläutert der Teilhaber. So ist auch die gebotene Preisstabilität eines der Hauptkriterien für die Zusammenarbeit. „Wir nehmen nicht immer den billigsten Anbieter. Wichtig sind uns auch Termintreue und Produktqualität“, sagt Herbers.

Der Traditionsbetrieb legt großen Wert auf eine persönliche und freundschaftliche Ebene mit den Lieferanten. Das äußert sich in der langen Verweildauer und produktiven Zusammenarbeit. „Einer unserer Lieferanten ist seit mehr als 30 Jahren dabei“, weiß Herbers. Das gute Verhältnis hat sich bereits ausgezahlt: Bei einer größeren Lieferung konnte ein Hersteller einmal nicht zum Termin liefern. Der langjährige Partner sprang ein und glich die verlorene Zeit mit großer Eile aus. Metallbau Emmeln konnte trotz anfänglicher Probleme seine Kunden noch zufriedenstellen.

Um die Preise niedrig zu halten, bündelt der Mittelständler seine Materialbestellungen und nimmt größere Mengen ab. Auch die Transportkosten fallen dann nur einmal an. „Wir machen im Vorfeld einen Preisvergleich, indem wir verschiedene Angebote anfordern. In der Regel mindestens drei“, sagt der Gesellschafter.

Rahmenverträge abzuschließen, mache bei seinem Betrieb keinen Sinn, sagt der Einkäufer. Zu unwägbar seien Materialbedarf und Saisongeschäft der drei Geschäftsbereiche Container-, Freizeit- und Eingangskontrollanlagenbau. „Aber wir kaufen auch mal Material auf Lager, wenn der Preis gut ist.“ Zwar könne er nicht endlos bestellen, denn die Lagerkapazitäten sind beschränkt, aber das eine oder andere 25-Tonnen-Coil habe er schon auf Vorrat.

„Das ist der Klassiker: Mittelständler sind sehr stark im operativen Einkauf. Sie verwalten ihre Lieferanten, vergleichen Preise und bündeln die Bestellungen“, sagt Rüdiger Hellig. Der Professor für Produktionswirtschaft an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg glaubt, dass viel Potenzial in einer genaueren Analyse des Lieferantenkreises steckt, schließlich machen die Materialien etwa die Hälfte der Kosten eines Metallbetriebs aus. Nur etwa ein Drittel entfällt auf Personalkosten und ein Fünftel beläuft sich auf allgemeine Kosten wie Miete usw.

Professionelle Analyse. Dem strategischen Lieferantenmanagement geht eine Analyse voraus. Folgende Kriterien sind dafür besonders relevant: Preise und Zahlungsbedingungen, Qualität der Produkte oder Dienstleistungen, Lieferzeiten und Liefertreue, Umgang und Reaktionszeiten bei Reklamationen und Serviceanfragen, zusätzliche Services sowie Fachkompetenz des Anbieters. Bei einer langfristig angelegten Zusammenarbeit sind ein Fragebogen für den Lieferanten oder ein Ortsbesuch empfehlenswert. Um die Produktqualität zu prüfen, sollten Arbeitsproben oder bei Software auch Testzugänge oder Demos angefordert werden.

Für eine strategische Betrachtung der Beschaffung ist beispielsweise eine Einteilung in verschiedene Zulieferergruppen ratsam. Lieferanten, auf die man angewiesen ist, weil sie besonderes Know-how besitzen, und die deswegen nicht oder nur schlecht ersetzbar sind. Oder Partner, die unkritisch und leicht auszutauschen wären. Auf jede klassifizierte Lieferantengruppe kann man im Anschluss eine adäquate Strategie anwenden. „Wichtig ist im ersten Schritt, in Personalqualifikation für den strategischen Einkauf zu investieren“, sagt der Wissenschaftler. Denn ein Einkäufer, der weder Befugnisse noch Kenntnisse des strategischen Einkaufs hat, sondern ein Geschäftsführer, der diese Entscheidungen quasi nebenher trifft, ist nicht optimal. Oft hört man beim Kleinunternehmer den Satz: „Den Einkauf macht meine Frau.“ Doch echte Spezialisten sind rar auf dem Markt und die Zeitungen voll mit Stellenanzeigen. Wer fundiertes Materialwissen mit betriebswirtschaftlichen Kenntnissen und Verhandlungsgeschick vereint, findet meist schnell einen gutbezahlten Job in der Industrie. Kleine Handwerker haben das Nachsehen. Die Analyse eines solchen Experten, ggf. als externer Dienstleister beauftragt, könne dann ergeben, dass eine kleinere Kundengruppe einen großen Einfluss auf den Umsatz hat, und damit ein großes Potenzial bei der Optimierung.

Neben hohen Einsparungen sind bessere Qualität und schnellere Durchlaufzeiten Nebeneffekte des Lieferantenmanagements. „Durch Beschaffungsmarktforschung und artikelgruppenspezifische Beschaffungsstrategien ergeben sich mitunter entscheidende Wettbewerbsvorteile“, sagt Hellig. Bei Bürobedarf beispielsweise lohnt es sich immer, Ordner & Co. zu bündeln, größere Mengen anzuschaffen und kleine Vorräte anzulegen. „Fast alle großen Firmen bündeln ihre Büromaterialbestellungen standortübergreifend und wickeln diese elektronisch ab, etwa über den Onlineshop“, sagt der 53-Jährige.

Profile online bestellen. Über den hauseigenen Onlineshop kann man auch bei TS Aluminium in Großefehn bestellen. Der Systemlieferant vertreibt Aluminiumprofile für Wintergärten, Fenster und Türen sowie Faltwände. „Die Bearbeitung geht dann schneller, weil wir die Daten direkt auf einer elektronischen Bestellliste erhalten“, sagt Harald de Witt. Der Vertriebsleiter betreut mit zehn Außendienstmitarbeitern rund 1.500 Kunden. „Wir machen mit unserem Nischenprodukt Aluminiumprofile zwar 30 Millionen Umsatz. Das aber vor allem mit kleinen Kunden“, sagt de Witt.

Auf den Preis seiner Produkte hat er nach eigenen Angaben wenig Einfluss, muss er doch die schwankenden und bei Aluminium meist steigenden Weltmarktpreise ausgleichen. Mit diesem Argument und guten persönlichen Beziehungen gelang es dem mittelständischen Handwerksbetrieb in den vergangenen 45 Jahren, die Umsätze kontinuierlich zu steigern. Und das, obwohl die Firma beim Preisdumping der Branche nicht mitmachen will. „Wir sind nicht auf den gängigen Plattformen gelistet“, sagt der Vertriebsleiter. Mit anonymen Geschäftsbeziehungen, bei denen der einzige Auswahlfaktor der Preis ist, hat er schlechte Erfahrungen gemacht. „Wir pflegen einen engen und persönlichen Kontakt zu unseren Kunden“, sagt de Witt. Bei Schulungen beispielsweise holt er immer wieder die Meinung der Monteure ein, die mit seinen Produkten arbeiten. „Wir möchten unsere Produkte stetig verbessern und freuen uns über konstruktive Kritik der Anwender“, sagt der 50-Jährige, der gerne auf Augenhöhe agiert.

Wie wichtig das persönliche Verhältnis zu seinen Lieferanten ist, betont auch Professor Hellig: „Viele Unternehmen investieren in Maßnahmen zur Lieferantenbindung bei strategisch wichtigen Artikeln.“ Beispielsweise sind Awards für das Verhältnis zwischen Auftraggeber und Zulieferer von steigender Bedeutung. Incentives wie Betriebsfeiern, Reisen zu den Produktionsstätten oder Geschenke sind inzwischen ebenso üblich. „Gerade im globalen Beschaffungsmarkt kommt man nur voran, wenn man jemanden kennt“, sagt Hellig. In Indien beispielsweise formen sich Partnerschaften bereits während des Studiums. „Hier muss man einen lokalen Partner haben, der in den Netzwerken vor Ort Zuhause ist“, rät der Professor.

Auch in Krisenzeiten halten sich Unternehmen gegenseitig nur weiterhin die Stange, wenn das Vertrauen stimmt. „Natürlich hängt es auch von der Finanzdecke ab, ob der Lieferant etwa ein Mahnverfahren stoppt, wenn die Rechnung nicht bezahlt wird“, sagt Hellig. Hier kommt wieder die eingangs erwähnte Analyse ins Spiel: Ist das ein strategisch relevanter Partner für mich? Kann ich es mir leisten, diesen über die Klippe springen zu lassen, fragt sich der Stratege dann.

Hellig warnt vor allzu sorglosem Geschäftsgebaren. „Man sollte auch als strategisch wichtiger Lieferant immer am Ball bleiben und sich unentbehrlich machen, denn „Ausphasen“ kommt immer wieder vor“, sagt der Branchenkenner. Lieferanten sollten misstrauisch werden, wenn beispielsweise vom Kunden Werkzeuge ausgeliehen werden. Das Ausphasen ist ein geplantes und strategisches Beenden der Partnerschaft zwischen Auftraggeber und Lieferant. Es dauert Monate oder gar Jahre, in denen man sich vom Lieferanten löst. Zunächst reduziert der Besteller die Volumina und nabelt sich erst komplett vom Lieferanten ab, wenn er merkt, dass es auch ohne ihn geht. Weil Metallbauer aktuell immer wieder von Schlüsselbranchen wie den Automobilherstellern gegen die Wand gedrückt werden, müssen diese Zulieferer wählen, die günstig liefern. „Abnehmer kalkulieren heute spitz. Da bleibt wenig Spielraum für den Lieferanten. Und ohne den optimierten Einkauf geht es nicht mehr“, sagt Hellig. Nur Nischenlieferanten können da noch ihre Preisvorstellungen durchdrücken.

Einkauf als Verbandsmitglied. Einen besonderen Vorteil bietet Axel Wölm seinen Clubmitgliedern. Metall & mehr heißt seine Plattform, auf der 15.000 Innungsmitglieder der 13 Landesverbände und des Bundesverbands Metall organisiert sind. Seit zwölf Jahren ersetzt der Club die Rahmenverträge einzelner Landesverbände mit ihren Zulieferern. „Durch die Nachfragebündelung erreichen wir für unsere Mitglieder erhebliche Preisvorteile“, sagt Geschäftsführer Wölm. Je nach Angebot nutzen zwischen 5 und 45 % der Mitgliedsunternehmen die Möglichkeiten der Plattform. „Dabei entstehen Synergieeffekte. Wir entlasten die Innungen von der aufwändigen Rahmenvertragsorganisation und bieten gleichzeitig Anbietern und Zielgruppe die Möglichkeit, miteinander in Kontakt zu treten“, sagt der diplomierte Betriebswirt. Wölm bietet mit Metall & mehr Produkte, Zubehör und Dienstleistungen zu Sonderkonditionen. „Dadurch amortisiert sich für viele Firmen der Innungsbeitrag“, sagt der Geschäftsführer.

Bei der Auswahl der Lieferanten lässt der Plattformmanager besondere Sorgfalt walten. Je Sparte gibt es immer nur einen Anbieter, und der muss attraktiv sein. „Gerade für kleinere Unternehmen, die keine großen Mengen abnehmen können, rechnen sich die Angebote des Netzwerks“, sagt Wölm, der auch auf die gute Reputation der Anbieter achtet. Spezielle Angebote von Branchensoftware über Mietkleidung bis hin zu Kfz sind bei Metall & mehr gelistet. Auch Firmen, die sein Angebot nicht direkt nutzen, ziehen die Preise als Vergleichswert bei Investitionsentscheidungen heran. Bei einem bestimmten Auto bietet der Anbieter derzeit etwa 44 % Nachlass. „Das ist ein großer Sparvorteil“, weiß Wölm.

Größere Betriebe ab ca. 50 und mehr Mitarbeiter profitierten nicht immer vom Inhalt von Metall & mehr. „Die bekommen dank Rahmenvertrag die gleichen Konditionen auch ohne uns. Denn sie verfügen meist über einen spezialisierten Einkauf, der die besten Preise verhandelt“, sagt der Betriebswirt.

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 09/2014

Onlineshop für Metallbauer

Via Internet kaufen – Zeit sparen

Wenn Siegfried Venjakob auf die Schnelle einen Greifer bis 500 kg Tragkraft braucht, klickt er sich binnen Minuten durchs Internet, um die beste Lösung für das Problem seiner Kollegen in der...

mehr
Dieter Sichelschmidt von dormakaba

"Automatiktüren sind ein Markt für den Metallbau"

metallbau: Inwiefern ist der Einbau von Automatiktüren ein Segment für Metallbauer und Montagebetriebe? Dieter Sichelschmidt: Das ist ein wichtiges Segment. Ein Betrieb erwirbt Antriebe, komplette...

mehr
Interview

Samuel Schweizer, Junior Ernst Schweizer

"Der Deutsche Markt ist für uns interessant!"

metallbau: Herr Schweizer, wie schätzen Sie die konjunkturelle Lage in der D-A-CH-Region ein? Samuel Schweizer: Hierzulande verhält sich die Bauwirtschaft stabil, meiner Ansicht nach ist der Markt...

mehr
Ausgabe 1-2/2016

Schinnerl Metallbau

Organisiert bis aufs i-Tüpferl

Ohne Fleiß kein Preis. Aus rund 1.600 Offerten hat ­Schinnerl Metallbau im vergangenen Jahr einen faktischen Umsatz von ca. 11,5 Millionen Euro generiert. Ein enormes Wachstum zeichnet den Betrieb...

mehr
Ausgabe 05/2023

Online-Marktplatz für Bleche

„Mal eben schnell einen Preis abfragen!“

Vor zwei Jahren gegründet, schickt sich das Start-up orderspot an, ein Bindeglied zwischen Metallbauer und Hersteller zu werden, auf das keiner mehr verzichten möchte. „Ein Flacheisen aus dem Regal...

mehr