Schmiede in Kolbermoor

Biennale für Frieden und Verständigung

Das Schmiede- und Metallgestaltertreffen in der bayrischen Kleinstadt ist mittlerweile das drittgrößte Europas. Über 200 Schmiede und Metallkünstler aus aller Welt trafen sich vom 31.7. bis 3.8.2014 zum gemeinsamen Schmieden, zu Workshops und Diskussionsrunden in Kolbermoor. Und um Zeichen zu setzen – für Frieden und Verständigung.

Die Schmiedefamilie kennt keine Grenzen. Das demonstrierten die Schmiede aus aller Herren Länder auf ein Neues. Die Flammen der Schmiedefeuer in Kolbermoor brannten wieder auf, um ein Kunstprojekt als Mahnmahl zu schmieden: Friedenstauben für die umkämpfte Stadt Doniez in der Ukraine. Verbunden mit dem Aufruf an alle Schmiede weltweit, Friedenstauben für Doniez zu schmieden, wurde die erste Taube noch kurz vor Ende der Jubiläums-Biennale fertig. Nach den Entwürfen des Metallgestalters und Kolbermoorer Schmiede-Fachbeirats Michael Ertlmeier wird daraus ein Mahnmal entstehen. Auch die Vergabe des Alfred-Habermann-Gedächtnispreises 2014 auf der Biennale an den norwegischen Schmied Tobbe Malm für seine Schmiedeaktion „Roses for Oslo“, ist ein Beleg dafür, dass aus der Kraft der Gemeinschaft Kunstprojekte entstehen können, die Zeichen für Frieden, Freundschaft und Versöhnung setzen. Mittlerweile haben sich über 800 Schmiede aus 24 Ländern beteiligt und eiserne Rosen geschmiedet. Insgesamt werden von Tobbe Malm und seinem Team 1.100 Rosen zu einem Mahnmal für die 77 Opfer des Amoklaufs auf der Insel UtØya und in Oslo zusammengefügt. Kolbermoor selbst ist einer von drei Standorten eines Symbols für die friedlichen und freundschaftlichen Ziele der Schmiede. Die „Brücke der Freundschaft“, deren 60 kunstvolle Stäbe von Schmieden aus aller Welt gestaltet wurden und in den Himmel weisen.

Die Schmiedekunst des Ostens

Tschechien zeigte als Gastland der diesjährigen Biennale eine beeindruckende Darbietung seiner Schmiedekunst. Zentrum des gestalterischen neuzeitlichen Wirkens und Schaffens der tschechischen Schmiede ist die Burg Helfštýn. Die gewaltige Festung und größte Burganlage Europas beherrscht seit dem 13. Jahrhundert die mährische Pforte und ist Schauplatz des größten Schmiedetreffens weltweit. Der Einfluss Alfred Habermanns auf die Entwicklung der tschechischen Schmiedekunst ist deutlich spürbar. 1981 begannen achtzehn Schmiede unter seiner Leitung mit der Wiederbelebung der Burgschmiede auf Helfštýn. Die lange Schmiedetradition erlebt im heutigen Tschechien seit dem politischen Wandel zur Republik eine Renaissance. Jan Lauro, Museumsleiter und Kastellan der Burg, brachte 25 Schmiedeskulpturen mit, die während der Biennale in einer Ausstellung in der neuen Schmiedegalerie im Harrerhaus zu sehen waren. Die Gewölbe der Burg selbst beherbergen mehr als 1.100 Ausstellungsstücke moderner Gegenwartskunst. Die meisten Werke sind während der Schmiedewettbewerbe auf der Burg in weniger als 120 Minuten gestaltet worden. Sie zeugen von dem meisterlichen handwerklichen und künstlerischen Niveau der tschechischen Schmiede. Davon konnten sich die Besucher auch auf der Partnerausstellung im Rathaus überzeugen, die noch bis zum 13. September Werke der drei tschechischen Metallkünstler Jiri Baier, Jan Odvárka und Libor Hurda zeigt. Jährlich werden etwa 100 Jungschmiede von den mittlerweile zehn Schulen für Schmiedekunst in Tschechien ausgebildet. Damit dürfte die Zukunft des Schmiedehandwerks in Tschechien vorerst gesichert sein. Aber hier wie dort leben die wenigsten Schmiede von der Kunst, sondern immer noch von dem, was im Alltag oder am Bau benötigt wird.

Eine Tradition wird zur Marke

Der besondere Reiz der Schmiedetreffen ist, dass für alle sichtbar und erfahrbar altes Wissen auf Neues trifft und Tradition auf moderne Technik. Die Teilnahme von Schmieden und Metallkünstlern aus ganz Europa, Brasilien, den USA und der Ukraine an der Biennale in Kolbermoor sowie mehrere Tausend Besucher aus ganz Deutschland zeigen, dass dieses Festival die Plattform für fachliche und künstlerische Weiterentwicklung einer ganzen Branche ist sowie die Verschmelzung verschiedenster Interessen möglich macht. Kolbermoor selbst hat keine nennenswerte Schmiedetradition. Trotzdem gilt die Stadt für viele andere Schmiedetreffen als Ideen- und Impulsgeber. Dank des Fördervereins und des ehrenamtlichen Engagements seiner Mitglieder sowie einer Stadt, die seit dem ersten Schmiedetreffen 1996 die Veranstaltung voll unterstützt, ist aus der Biennale der Schmiede eine international bekannte Marke geworden. Damit hat die Stadt Kolbermoor, die dem Ring der europäischen Schmiedestädte angehört, eine Veranstaltung mit Signalwirkung und hoher Attraktivität für Bürger und Touristen. Die Schmiede nutzen Kolbermoor als aktive Verkaufs- und Ausstellungsfläche für ihre Arbeiten und für manch einen ist es sogar das Sprungbrett in die internationale Metallbildhauerszene. Allerdings stellt sich für viele teilnehmenden Schmiede, Schlosser und Metallgestalter vor dem Hintergrund der neuen DIN EN 1090 die rein existentielle Frage, wie ihre berufliche Zukunft aussehen wird. In einer Podiumsdiskussion äußerten sich die Schmiede besorgt über die Konsequenzen der Norm für ihre häufig sehr kleinen Betriebe (S. 21). Trotz der ernsten Töne blieb die Biennale ein begeisterndes Fest, das mit der Versteigerung der Schmiedestücke, die während des gemeinsamen Schmiedens entstanden sind, zu Ende ging. Der Förderverein und Veranstalter der Biennale mit Peter Elgaß an der Spitze darf sich nach 18 Jahren Aufbauarbeit zu Recht Hoffnung auf den zweiten Alfred-Habermann-Gedächtnispreis machen.

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