Schüler mit Experten im Gespräch

Fachgerechte Schraubenverbindungen im Stahlbau

Das Expertengespräch mit dem Titel „Auswahl, Herstellung und Prüfung von Schraubenverbindungen im Stahlbau“ wurde von den Unternehmen Friedberg in Gelsenkirchen und der Gedore-Werkzeugfabrik in Remscheid unterstützt. Den Berufsschülern der David-Roentgen-Schule in Neuwied standen Dr.-Ing. Selcuk Güres und Rene Steuth Rede und Antwort. Initiator dieser Veranstaltungsreihe ist der Berufspädagoge Michael Höhler.

Im Laufe des Expertengesprächs wurde folgende Lernsituation bearbeitet: Mehrere Kragarme sollen hintereinander durch Stirnplattenanschlüsse mit den im Betonuntergrund verankerten Aufnahmen hochfest verbunden werden. Vorgesehen dafür waren Schraubengarnituren der Größe M 12 gemäß DIN EN 14399–4 Festigkeitsklasse 10.9. Die Komplexität dieser Lernsituation erstreckte sich in der Fachlichkeit von der Fertigung der Schraube mit Scheibe und Mutter als Verbindungselemente bis zur Herstellung und Prüfung einer hochfesten Schraubenverbindung im Stahlbau. Die Nachwuchskräfte, im dritten Ausbildungsjahr beruflich auf dem Weg zu Produktdesignern und Metallbauern, erhielten die Möglichkeit, ihre Fachkompetenz am Beispiel der realen Montagesituation zu erweitern. Die Einführung ins Thema übernahm Schüler Julian Riehl. Anhand einer Technischen Zeichnung stellte er eine im Ausbildungsbetrieb gefertigte und montierte Stahlhalle mit ihren verschiedenen Baugruppen vor. Er benannte die geschraubten Fügestellen, die laut Zeichnung als HV-Schraubenverbindungen realisiert wurden.

Die Lernjobs der Schüler

Die Aufgaben der Lernjobs wurden direkt auf die Fachvorträge abgestimmt, für den ersten Teil des Expertengesprächs waren folgende Schwerpunkte gesetzt:

  • Vorgaben für die geforderte Verbindungsart „GV-Verbindung“ hinsichtlich:
  • Vorbereitung der Fügestellen
  • Herstellung der Schraubenverbindung benennen
  • Bestandteile einer Schraubengarnitur angeben
  • Berechnung der erforderlichen Schraubenlänge
  • Bedeutung der Reibung/Schmierung für die Herstellung und Funktion einer Schraubenverbindung erläutern
  • Vorspannverfahren nach DIN EN 1993-1-8/NA und EN 1090-2 auswählen

Schrauben und Mutterherstellung

Dr. Selcuk Güres vom Unternehmen Friedberg stellte zu Beginn den Fertigungsprozess der Schraube und der Mutter vor und wies darauf hin, dass „der Schraubenwerkstoff nach dem Rollen oder Walzen des Gewindes vergütet und anschließend wegen der höheren Überzugsdicke feuerverzinkt wird. 10.9 heißt Vergütungsstahl! Die Schrauben der Festigkeitsklasse 12.9 werden aufgrund der hohen Festigkeitswerte nicht feuerverzinkt, um die Gefahr des Sprödbruchs im Lastfall zu vermeiden“, so der Referent. Zur Mutterherstellung erläuterte der Experte, dass das gebohrte Muttergewinde ab Werk mit MOS2 als Schmierstoff versehen wird. Schüler Burak Akdeniz fragte, weshalb die Schraubengarnitur, bestehend aus Schraube, mindestens einer Scheibe und Mutter, von ein und demselben Hersteller sein muss. Dr. Güres erklärte, die Herstellung und Eigenschaften der Garnituren können nur in Kombination von Schraube, Scheibe und Mutter von einem Hersteller gewährleistet werden. Ein anderer Produzent schmiere zum Beispiel die Mutter mit einem anderen Schmierstoff, sodass die Kombination von Schraube und Mutter schon in der Herstellung der Verbindung wie auch im Lastfall andere Eigenschaften hätte als die vom ursprünglichen Hersteller angegebenen. Im Falle einer falschen Anwendung, so Schüler Julian Riehl, müsse alles ausgetauscht und die Garnitur verschrottet werden.

Einsatz der Schraubengarnituren – Reibung und Schmierung

Hinsichtlich des Scheibeneinsatzes erläuterte der Experte, dass die Scheibe immer mit der Prägung zum Anbauteil montiert werden muss, um die Reibung beim Anziehen der Mutter nicht durch die Prägung zu beeinflussen. Außerdem besteht die Möglichkeit, dass der Grat an der Scheibe den Schraubenkopf verletzt und dadurch die Gefahr eines Sprödbruchs herbeigeführt wird. Der Referent ging anschließend auf verschiedene Praxisbeispiele ein, bei denen mittels Scher-/Zugverbindungen die Stahlbauteile gefügt wurden. Als besondere Herausforderung benannte er die Montagearbeiten an der Wuppertaler Schwebebahn. Hier waren spezielle HV-Garnituren in Form von Passschrauben für nicht ruhende Belastungen erforderlich, die aufgrund des Denkmalschutzes nur mit ZiE eingesetzt werden durften. Schüler Lars Schneider urteilte in einer abschließenden Feedbackrunde „guter Unterricht, es wurden bei der Schraubenherstellung und -verwendung praktische Beispiele angegeben.“

Im Fachgespräch mit den Schülern brachte Dr. Güres den wichtigen Aspekt der Reibung ein, die beim Drehen der Mutter spürbar wird. Schüler Philipp Zenner wollte wissen, welche Bedeutung die Reibung beim Anziehen der Mutter habe und lenkte den Fokus auf eine Fragestellung aus dem Lernjob. Dr. Güres erklärte: „Die Reibung erhält die Vorspannkraft in der Verbindung. Eine zu große Reibwirkung kann dazu führen, dass die vorgegebene und zwingend notwendige Vorspannkraft nicht erreicht werden kann.“ Der Schüler ergänzte: „Dann schmiere ich eben das Gewinde!“ Das ist absolut falsch, wie Dr. Güres klarstellte. Die Schmierung führe zu einem undefinierten Reibungszustand. Beim Versuch, das vorgeschriebene Drehmoment für das Anziehen der Mutter aufzubringen, kann der Bolzen im Gewindeauslauf abscheren. Hier waren einige Schüler über die Wirkung und Bedeutung von Schmierstoff überrascht, der ja sonst doch eher im Übermaß aufgebracht wird, um vor allem eine Verbindung zu lösen.

Bemessung und Vorspannung der Schraubenverbindung

Beispielhaft führte der Fachmann eine Bemessung der Schraubenverbindung gemäß der Aufgabenstellung zum „Kragarm“ des Lernjobs durch. Für die Schüler bot sich die Möglichkeit, die bereits im Unterricht durchgeführten Festigkeitsberechnungen mit den Ausführungen des Experten abzugleichen und ihr Wissen zu erweitern. Es folgten Informationen zu den Vorspannverfahren für das Herstellen fachgerechter Schraubenverbindungen. Das Vorspannniveau nach DIN EN 1090–2 liege höher als bei der DIN EN 1993-1-8/NA. Aus seinen Praxiserfahrungen heraus gab ein Schüler an, dass auf der Baustelle hin und wieder Schrauben nach der Montage einfach „abgeflext“ wurden. Erwartungsgemäß bezeichnete der Referent das Vorgehen als folgenschweren Fehler, weil der Korrosionsschutz an der Trennstelle aufgehoben werde und vor allem die Dehnung der Schraube nicht mehr nachvollzogen werden könne.

Die fachgerechte Schraubenmontage

Das Thema fachgerechte Herstellung und Prüfung von Schraubenverbindungen griff Rene Steuth vom Unternehmen Gedore-Werkzeugfabrik auf. Inhaltlich auf seinen Vortrag hin abgestimmt, erhielt die Klasse einen weiteren Lernjob. Die Bearbeitung der Aufgaben diente der Förderung folgender Inhalte:

  • Über entscheidende Größen einer Schraubenverbindung informieren.
  • Auslösende und anzeigende Drehmomentschlüssel unterscheiden.
  • Voranziehmoment und Vorspannkraft nach EN 1090-2 ermitteln.
  • Anziehverfahren und Anziehwerkzeuge gemäß DIN EN 1090 auswählen.
  • Stichprobenprüfungen an Schraubenverbindungen mithilfe von Sichtprüfung oder/und Drehmomentverfahren.

Einsatz des Drehmomentwerkzeugs

Zu Beginn seines Vortags motivierte Steuth die Lerngruppe: „Es ist aufgrund des oft fehlenden Fachwissens von langjährigen Monteuren sehr gut, dass ihr frühzeitig geschult werdet!“ Zum Einstieg versetzte der Referent die Schüler ins Staunen, als er sagte, dass von 100 Nm Drehmoment beim Anzug der Mutter zur Herstellung einer Schraubenverbindung 80 Nm an Reibung verloren gingen. Ergänzend zum vorherigen Vortrag berichtete Steuth, dass Monteure häufig den schweren Fehler begehen, das Gewinde nachträglich zu schmieren, um die Reibung zu verringern. „Wenn die Reibkraft durch Schmierung heruntergesetzt wird, kann es sein, dass die Kraft so unterschiedlich verteilt wird, dass die Schraube durch die vorgeschriebene Vorspannkraft überlastet wird und abreißt!“ Daher lautete sein Credo: Die Schraubenverbindung immer im „trockenen“ Gewindezustand herstellen! Wichtig für den Monteur: Einzig für die Werkzeuge, die nach dem Drehwinkelverfahren arbeiten, ist der Reibungszustand unrelevant. Mit Blick auf die Drehmomentwerkzeuge erweiterten die Lerner ihr Wissen, indem der Referent die Langweg-Auslösung erklärte, die ein Überziehen der Mutter unwahrscheinlich macht. „Was passiert, wenn ich den Drehmomentschlüssel nochmal zur Sicherheit nachdrücke?“, fragte ein Schüler. „Es darf nach der ersten Kurzweg-Auslösung nicht mehr nachgedrückt werden, weil sich dadurch die Vorspannkraft um ca. 30 % bis 50 % deutlich erhöht“, so Steuth. Die sicherste Lösung wird durch die Rutschkupplung im Werkzeug realisiert, die das Aufbringen eines zu großen Drehmoments während des Anziehens der Mutter gänzlich ausschließt. Wichtig sei es für die professionelle praktische Anwendung der Werkzeuge, dass diese kalibriert, wenn erforderlich justiert und in jedem Fall zertifiziert sind. „Kalibrierungen von Drehmomentschlüsseln werden durch die DIN EN ISO 6789 geregelt“, so Steuth weiter. Er wies eindringlich darauf hin, nur zertifizierte Drehmomentwerkzeuge einzusetzen. Passend dazu weist er im Rahmen der Qualitätssicherung darauf hin, dass „neben dem Einsatz von regelmäßig geprüftem Werkzeug die EN 1090 auch geschultes Personal vorschreibt.“

Erproben von Drehmomentwerkzeugen

Im letzten Teil des Expertengesprächs hatten die Schüler Gelegenheit, eine Auswahl an Drehmomentwerkzeugen in die Hand zu nehmen und zu testen. Es war zu beobachten, dass sie sich die Handhabung der hochwertigen Werkzeuge im Beisein von Steuth auf spielerische Weise erschlossen. Es konnten Drehmomentwerkzeuge mit unterschiedlichen Auslösemechaniken ausprobiert werden.

Auch die Funktion der kombinierten Drehmomentverfahren konnte mithilfe von Prüfgeräten geübt werden. Der Experte begleitete die Versuche und gab als fachliche Instanz erklärende Hinweise oder beantwortete Fachfragen der Klasse. In der Nachbesprechung zum Unterricht sagte Schülerin Jasmin Jakobs: „Das Thema ‚Schraubenverbindungen‘ ist sehr wichtig, weil auf der Baustelle jeden Tag geschraubt wird. Im Expertengespräch habe ich die richtige Anwendung des Drehmomentschlüssels gelernt.“

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