Stahlbautag in Graz
Technologien mit PotenzialDer österreichische Stahlbautag ist ein fixer Termin für die Branche, nicht nur im Kalender der österreichischen Stahlbauer. Über 250 Teilnehmer trafen sich im Juni im Messecongress Graz zu Vorträgen über Arbeitsweisen, die noch neu oder im Markt noch nicht angekommen sind. Natürlich durfte BIM auf der Agenda nicht fehlen, aber es ging auch um die Vorteile von hochfesten Stahlträgern und um die Möglichkeit, feuerverzinkte Brückenteile zu verwenden.
Über aktuelle Trends im Stahlbau referierte Dipl.-Ing. Marc May von ArcelorMittal Europe. Am Beispiel von Walzträgern zeigte der Technische Berater für Langprodukte auf, dass vorteilhafte Entwicklungen von Planern und Verarbeitern nicht genutzt werden. „Innovationen wie hochfester Stahl S460 oder selbst die Güte S355 sind häufig unbekannt, werden ignoriert oder schlimmstenfalls abgelehnt“, konstatierte er. Und dies obwohl sie vollumfänglich durch die Bemessungsnorm EN 1993 und EN 1994, die Produktnorm EN 10025 und die Ausführungsnorm EN 1090 abgedeckt sind. Mit der Güte S460, die seit ca. zehn Jahren im Markt ist, lässt sich im Vergleich zur Basisgüte S235 ca. 50 % Gewicht einsparen. Aber statt der höherfesten und hochfesten Güten werden in der Baupraxis weiterhin „wie immer“ geringfeste Stähle S235 oder S275 eingesetzt, die kostenaufwändiger und weniger nachhaltig sind.
May sieht für diese Stahlsorten keine Zukunft: „Der Einkauf und die Verarbeitung von S235 ist möglich, aber sinnlos!“ Seiner Ansicht nach werden geringfeste Sorten künftig nicht mehr verwendet, als Standard wird sich S355/Grade 50 etablieren; bei den höherfesten Sorten wird S460/Grade 65 die Sorte S355/Grade 50 ersetzen; die heute meistgängige hochfeste Sorte S460/Grade 65 wird künftig von S500/Grade 70 abgelöst.
Der Trend zu höheren Güten lässt sich bereits feststellen. ArcelorMittal verzeichnet inzwischen einen Anstieg des Lieferanteils von S355: Lag dieser 2012 bei ca. 37 %, so stieg er 2016 auf ca. 43 % mit steigender Tendenz. Eine interessante Bilanz zeigte eine Tabelle, die den geschätzten Marktanteil von Stahl im Bausektor unter den Ländern USA, UK, Polen, Frankreich und Deutschland vergleicht. Demnach korreliert die Verwendung von höheren Güten mit dem Marktanteil von Stahl im Hoch- und Ingenieurbau. Während in den USA, Kanada und UK der Marktanteil von Stahl bei ca. 70 % liegt, sind es in Polen 30 % und die Frankreich 20 %. Mit 10 % Marktanteil ist der Einsatz von Stahl in Deutschland noch relativ beschränkt und viel Potenzial offen.
Paradigmenwechsel mit BIM
Architekten von ATP trugen vor, inwiefern die Arbeitsweise mit BIM, die interdisziplinäre Zusammenarbeit stützt. Das Architekturbüro setzt Building Information Modeling seit 2011 für Planung und Objektüberwachung ein. Ihrer Erfahrung nach können alle Baubeteiligten mit dem Einsatz von BIM folgenden Voraussetzungen im Bausektor gerechter werden:
- den Anforderungen an die Performance von Gebäuden
- Absprachen unter der wachsenden Anzahl von Experten
- dem größeren Abstimmungsbedarf zwischen allen beteiligten Disziplinen
- den wachsenden Datenmengen und der heterogenen Softwarelandschaft
- der immer reduzierteren Zeit für die Planung
- der immer umfassenderen baubegleitenden Planung
Bei der Arbeitsweise mit BIM werden Dokumente als Informationsträger durch Objekte ersetzt. Die Objekt-basierte Datenhaltung bedeutet eine fundamentale Änderung der Bauprozesse, wie die ATP Architekten hervorheben. Es ergeben sich neue Hoheitsfragen zwischen Behörden, Architekten, Statiker und Bauphysiker, die zu klären sind. Für die interdisziplinäre Zusammenarbeit sind die Vorteile der BIM-Arbeitsweise vielfältig: Bmstr. Dipl.-Ing. Martin Krautgartner hob folgende Punkte hervor:
- Die Entscheidungsgrundlagen im Planungs- und Errichtungsprozess sind umfassender und präziser.
- 3D-Visualisierungen und virtuelle Rundgänge im BIM-Modell ermöglichen Treffen frühzeitig auf einer Baustelle, die in der Realität nicht existiert.
- Es sind in einer früheren Planungsphase Simulation und Prognose künftiger Betriebskosten möglich.
- Kurzfristige Kostenprognosen sind jederzeit nach aktuellem Stand abrufbar.
- Die Umsetzung des Projektes ist reibungsloser, die Planung kollisionsfrei.
- Kürzere Projektdauer dank interdisziplinärer Abstimmung.
- Das BIM-Modell als Basis für effizientes Facility Management.
- Im Modell ist die komplette Dokumentation gefasst.
Feuerverzinkung für Stahl- und Stahlverbundbrücken
Prof. Dr.-Ing. Dieter Ungermann von der Technischen Universität Dortmund berichtete von Forschungsergebnissen zur Anwendbarkeit der Feuerverzinkung im Stahl- und Verbundbrückenbau. Eine Analyse der Straßenbrücken deutscher Kommunen hat ergeben, dass bei dieser Bauweise insbesondere Korrosionsschäden zur Notwendigkeit eines Ersatzneubaus führen. Prof. Ungermann wies darauf hin, dass sich unter den aktuellen atmosphärischen Bedingungen mit einer Feuerverzinkung bei etwa gleichem Aufwand für Erstschutz und geringen Unterhaltsaufwendungen im Lebenszyklus ein lebenslanger Korrosionsschutz erreichen lässt. „Eine organische Beschichtung hingegen muss während der Nutzungsdauer einer Brücke zwei bis drei Mal erneuert werden“, differenzierte er. Seine bisherigen Untersuchungen ergaben, dass die positiven Korrosionsschutz-Eigenschaften der Feuerverzinkung im Brückenbau grundsätzlich angewandt werden können. „Der Nachweis gegen Werkstoffermüdung kann auf Basis des EC 3 durch wissenschaftlich abgesicherte Kerbfalldefinitionen geführt werden. “Weitere Kerbfälle werden untersucht“, kündigte er an. ⇥ma ◊
Stahlbaupreis für die Unger Steel Group
Die Unger Steel Group aus Oberwart überzeugte das Fachpublikum des Österreichischen Stahlbautages und erhielt am 9. Juni den Österreichischen Stahlbaupreis für die neue ÖAMTC-Zentrale in Wien (siehe Interview S. 56). Die meisten der rund 250 Teilnehmer gaben beim E-Voting der imposanten Ringfassade ihre Stimme, die in der Arbeitsweise BIM erstellt wurde. Im Rahmen der hochkarätig besetzten Veranstaltung werden im Zwei-Jahres-Abstand herausragende Projekte ausgezeichnet, welche die bedeutenden Eigenschaften von Stahl in der modernen Architektur verdeutlichen. Die Unger Steel Group durfte sich bereits zum vierten Mal über die begehrte Auszeichnung freuen. 2007 prämierte die Jury die architektonisch anspruchsvolle Talstation der Galzigbahn in St. Anton in Tirol, 2011 erhielt Unger den Österreichischen Stahlbaupreis für die architektonisch beeindruckende Anlegestelle der Schiffstation Wien City und 2013 wurde das spektakuläre Rautendach am Wiener Hauptbahnhof ausgezeichnet.