Thomas Mann Villa in L.A.

Stahlfenster aus Berlin

Hans Timm Fensterbau aus Berlin-Marienfelde hat wesentlich zum Erhalt der 1941 errichteten Thomas Mann Villa in L.A.-Pacific Palisades beigetragen. Zusammen mit RP Technik entwickelte er die stählernen Fenster- und Türkonstruktionen, die in ihrer Optik und Filigranität dem Original nachempfunden sind und modernem Benutzerkomfort gerecht werden.

Hans Timm Fensterbau produziert mit über 130 Mitarbeitern in Berlin-Marienfelde; 14.400 Quadratmeter Produktionsfläche verteilen sich auf drei Standorte. 44 neue mehrteilige Fenster- und Türkonstruktionen aus Stahl fanden von dort Anfang 2018 den Weg zum Thomas Mann Haus in L.A.-Pacific Palisades – rund 9.300 Kilometer und neun Stunden Zeitverschiebung vom Metallbaubetrieb entfernt. Bastian Timm ist Juniorchef des eigentümergeführten Familienunternehmens. Der 35-Jährige, der dort 2010 in dritter Generation eingestiegen ist, erzählt: „Der Auftrag stellte allein schon aufgrund der Entfernung eine Herausforderung dar. Anspruchsvoll war auch, dass der Charakter der Bestandsarchitektur möglichst erhalten bleiben sollte. Da die alten Stahlfensterkonstruktionen nicht mehr den heutigen Ansprüchen entsprachen, mussten sie durch optisch gleiche ersetzt werden. Dementsprechend haben wir hierfür mit RP Technik ein Sonderprofil auf Basis des Systems Fineline entwickelt.“ Im Vordergrund standen die Schlankheit der Profile und, wie Timm betont, die für Deutschland teilweise eher untypischen Öffnungsarten, die nachgebaut werden mussten. Diese sind, neben den standardmäßigen, nach innen öffnenden Dreh- und Kippfenstern, die nach außen öffnenden Klappfenster. Das Netto-Auftragsvolumen für den Verarbeiter lag bei rund einer halben Million Euro.

Historie des Thomas Mann Hauses

Vom nationalsozialistischen Regime vertrieben, emigrierte der Schriftsteller Thomas Mann 1933 in die USA. 1941 zog er mit seiner Frau Katia und den sechs Kindern nach Los Angeles in den Nobel-Vorort Pacific Palisades. Am San Remo Drive 1550 ließ er noch im gleichen Jahr vom deutschstämmigen Architekten Julius Ralph Davidson im Bauhaus-Stil ein Wohngebäude errichten. Es steht in nächster Nähe zur  Villa Aurora, die 1943 der ebenfalls exilierte deutsche Schriftsteller Lion Feuchtwanger bezog. In dem Thomas Mann Haus lebte die achtköpfige Familie, bis sie 1952 wieder nach Europa in die Schweiz übersiedelte. Gekauft wurde es daraufhin von einem amerikanischen Anwaltsehepaar, das es bis 2010 bewohnte. Anschließend, so kann man auf Wikipedia nachlesen, wurde das Anwesen mehrere Jahre lang vermietet, bevor es, mangelhaft instandgesetzt, 2016 zum Verkauf stand.

Der Abriss der Villa drohte, sollte das Grundstück in die Hände weniger geschichtsbewusster Käufer gelangen. Einige Schriftsteller, darunter die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller, sprachen sich in einer Online-Petition der Gesellschaft für Exilforschung für den Kauf der Villa durch die Bundesregierung aus. Schließlich wurde das Haus durch den deutschen Staat für rund 13 Millionen Euro erworben und damit vor dem Abriss und dem Vergessen gerettet. Der Verein „Villa Aurora und Thomas Mann House“ fungierte im Auftrag des Auswärtigen Amtes als Auftraggeber der darauf folgenden Instandsetzung. Diese fand zwischen März 2017 und dem vorgegebenen Fertigstellungstermin im Juni 2018 statt. Für die Generalplanung, Tragwerksplanung und das Energiekonzept verantwortlich zeichnete das deutsche Architekturbüro rebuilt.ing. Am 18. Juni 2018 eröffnete Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das fortan als Stipendiatenresidenz genutzte „Thomas Mann House“; auch ein Tagesschaubeitrag wurde hierzu ausgestrahlt. Anliegen der Initiatoren und Förderer des Thomas Mann House, so hieß es, sei, durch dessen Wiederbelebung das Andenken der Exilanten zu bewahren und einen Ort transnationalen kulturellen Austausches zu schaffen.

Ein Haus im Bauhaus-Stil

Eingebettet ist das zweigeschossige Gebäude in einen mehrere Tausend Quadratmeter großen Park, der – einst zugewachsen – den Blick auf den Pazifik freigibt. Konstruiert wurde das Haus in Holzständerbauweise. Weißgetünchte Fassaden wechseln mit großzügigen Fensterflächen ab; Dachüberstand und Pergola spenden willkommenen Schatten. Das Obergeschoss misst rund 200 Quadratmeter und beherbergt die durch einen Flur und eine durchgehende Dachterrasse verbundenen Schlafräume. Im 300 Quadratmeter großen Erdgeschoss liegt das Arbeitszimmer von Thomas Mann: Ein Raum mit dunklen Holzregalen und einer versteckten Treppe, die in sein eigenes, privates Schlafgemach führt. Ebenfalls ebenerdig sind die im ursprünglichen Zustand vorgefundene Küche der Familie Mann sowie das Wohnzimmer, das sich mit breiter Glasfront zur Terrasse und dem in späteren Jahren angebauten Swimmingpool öffnet.

Konstruktive Besonderheiten

Da das Haus weiterhin Wohnzwecken dient, waren Nutzerkomfort und Wärmeschutz auf den neuesten Stand zu bringen. Realisiert wurde an der Gebäudehülle die Schallschutzklasse 3. Statt mit einer früher üblichen Einfachverglasung führte man die neuen Fenster und Türen mit einer Zweifachisolierverglasung aus (Ug = 1,0 W/m²K). Auch die Profile selbst bieten gute Isolierwerte mit einem Uw-Wert von < 1,3 von W/m2K. Die Bautiefe der Rahmenkonstruktion beträgt 70 Millimeter. Die Flügelansichtsbreite ist mit 25 Millimetern, wie schon bei den ursprünglichen Fenstern, sehr schlank. Auch dem Original nachempfunden ist eine eigens für das Objekt entwickelte Beschlags- und Kurbeltechnik, die bei den nach außen aufgehenden Klappfensterkonstruktionen zum Einsatz kommt. Diese Beschlagstechnik, die in Deutschland nicht mehr erhältlich war, wurde aus den USA importiert.

Eine weitere konstruktive Besonderheit zeigt sich dem Betrachter im Detail: Die Bestandsfenster waren, wie zu jener Zeit üblich, mit einer Kittfase außen elastisch versiegelt. Diese galt es gemäß dem Wunsch einer originalgetreuen Sanierung „nachzubauen“ bzw. zu imitieren — sodass ein Sonderprofil hierfür entwickelt werden musste.

Ein dritter Aspekt, den die Verarbeiter aus Marienfelde berücksichtigen mussten, betraf die Beschichtung der Elemente. Aufgrund der Nähe zum Pazifik ist der Salzgehalt in der Luft in Los Angeles sehr hoch. Entsprechend wählten die Verarbeiter spezielle Beschichtungsverfahren, um die Gebrauchstauglichkeit und Langlebigkeit der Profile zu gewährleisten. So handelt es sich hier um einen hochwetterfesten Aufbau, basierend auf einer chromfreien Vorbehandlung und einem nanobasierten Korriosionsschutz-Pulverlack im Mehrschichtaufbau. Damit wird die sehr hohe Korrositätsklasse von C5-M nach DIN 55633 erreicht.

Fertigung, Logistik und Montage

„Dadurch, dass das Holständerwerk maßhaltig ist, haben wir ein genaues Aufmaß nehmen können“, so Bastian Timm. Diese Aufgabe oblag seinem Vater Bernd, der auch die Einzelheiten und Details des Instandsetzungskonzepts mit dem Architekten besprochen und persönlich das Objekt betreut hatte. Auf Berliner Boden wurden nach Auftragsvergabe alle Fensterkonstruktionen hergestellt, beschichtet und final feinjustiert. „An allen Elementen, die wir auslieferten, haben wir Tests gemacht“, so der Juniorchef. „Wir wollten beim Einbau wirklich keine Überraschungen erleben. Weil man ja nicht so schnell auf die Baustelle kommt, ist Qualitätssicherung gerade bei Auslandsaufträgen das A und O.“

Unterstützung bekam Timms Team vom Berliner Außendienstler von RP Technik. Da es sich um neue Profile handelte, wies er die Mitarbeiter entsprechend ein und unterstützte sie vor und während der Produktionsphase. Die fertigen Bauteile wurden schließlich verpackt und in einem Schwung in die USA gebracht. Zunächst war angedacht, die Lieferung per Schiff nach Amerika zu bringen. Aufgrund der engen Terminierung habe man sich aber für Luftfracht von Berlin-Tegel nach L.A. entschieden, so Bastian Timm. Dort angekommen, wurden die Elemente mit entsprechenden Lkws an den Einbauort, auf die Hügel von Pacific Palisades, transportiert. Die Montage übernahmen vier von Timms Mitarbeitern; innerhalb von zwei Wochen, zwischen Ende Februar und Anfang März 2018, wurden die Konstruktionen montiert, eingestellt und verglast. Das Glas besorgte der Bauherr bei einer lokalen Firma, die es gemäß europäischen Standards und den vom Fensterbauer gestellten Vorgaben bezüglich Beschichtung und Aufbau hergestellt hatte.

Auslandserfahrung

 „Wir haben ja immer wieder Auslandseinsätze. Für solche Fälle schicken wir unsere Leitmonteure mit Auslandserfahrung. Das Besondere war hier aber, dass es für die Jahreszeit schon sehr heiß war. Außerdem hatten unsere Leute einen sehr straffen Zeitplan. Der Rückflugtermin stand von vorneherein fest. Es hat aber alles problemlos funktioniert“, so Bastian Timm.

Der Fensterbauer aus Marienfelde ist häufig in den Staaten, seine Entwicklungen finden sich in L.A. und in anderen Teilen der USA, wie etwa in Washington D.C. Dorthin lieferten sie beispielsweise 2012 die Fenster der denkmalgeschützten Residenz des deutschen Botschafters. Das Thomas Mann Haus nehme aber doch einen Sonderstatus ein, wie der Juniorchef erklärt: „Wir stellen komplexe, hochwertige Fenster- und Fassadenkonstruktionen her. Viele davon sind im Denkmalschutz angesiedelt. Aufgrund seiner Historie ist das Thomas Mann Haus in Los Angeles aber eine nicht alltägliche Referenz. Darüber hinaus macht es uns stolz, dass wir eine filigrane Profilgeometrie mitentwickelt haben, die auch schon in anderen historischen Gebäuden, etwa in Berlin, eingesetzt wurde.“

www.timm-fensterbau.de

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