Ägyptische Kunst in München

Wandvitrinen schützen Schätze

Im Juni dieses Jahres wurde der Neubau des Staatlichen Museums ­Ägyptischer Kunst in München eröffnet. Dort lassen sich über 5.000 Jahre alte Kunst und Kultur bestaunen. Die Exponate werden in aufwändigen Glas­vitrinen ausgestellt. Der Bau der Wandvitrinen mit einem Auftrags­volumen von knapp über einer Million Euro wurde von dem Münchner Metallbau­unternehmen Brüll + Gruber ausgeführt.

Das Ägyptische Museum liegt mit seinen Besucherräumen vollständig unterirdisch. Acht Meter unter der Erde befinden sich vierzehn Räume, in denen etwa 2.000 Exponate der Dauerausstellung zu sehen sind. Während der kunsthistorische Teil des Museums in zwei großen Räumen ägyptische Kunst aus fünf Jahrtausenden vorstellt, behandelt der kulturhistorische Teil in zwölf kleineren Räumen Themen wie die Person des Pharao, Religion, Schrifttum und kulturelle Beziehungen. Ein in die Rasenfläche eingelassenes Atrium sorgt für natürliche Beleuchtung und ermöglicht trotz unterirdischer Lage immer wieder einen Blick ins Freie. Auf diese Weise entsteht ein Wechselspiel aus großzügigen, von Tageslicht durchströmten Pfeilerhallen und dunkleren Bereichen.

„Die größte Besonderheit für uns war, dass es sich um ein Kunstmuseum handelt. Das bedeutet zuallererst, dass das Objekt an sich stärker im Vordergrund steht“, erläutert Innenarchitekt Christian Raißle. In vielen Ausstellungen haben die Exponate ja eher dienenden Charakter, sollen also einen bestimmten Sachverhalt oder ein bestimmtes Thema illustrieren. Im Kunstmuseum steht das Exponat für sich selbst. Und alle anderen Elemente der Inszenierung haben die Aufgabe, dem Besucher das Wesen des Exponats begreiflich zu machen.

Vitrinen mit reduzierten Materialien. Dieser Fokus spiegelt sich im reduzierten Einsatz von Materialien und deren Integration in den Raum wieder. Insbesondere an den Ganzglasvitrinen lässt sich der Grundsatz der Gestalter „von rohen Ursprüngen zum raffinierten Objekt“ deutlich erkennen. Die Innenwände des Museums sind in einer gröberen Betonqualität ausgeführt, zu der sich der Boden aus Muschelkalkplatten schon deutlich ausnimmt. Der Objektsockel besteht wieder aus Sichtbeton, der sich allerdings durch extreme Ebenmäßigkeit in Oberfläche und Struktur auszeichnet. Abgeschlossen werden die Objektsockel von einer Platte aus schwarzem Stahl mit einem genauestens auf das jeweilige Exponat gefertigten Objekthalter. Ein fast unsichtbar erscheinender Schutz aus höchsttransparenten und rahmenlos verklebten Vitrinengläsern sorgt dafür, dass der Blick sich auf die Kunst konzentriert.

Für die Verglasung der über 60 Vitrinen wurde fast ausschließlich Verbundsicherheitsglas aus 2 x 6 mm Anti-Reflexionsglas Eurowhite Luxar von Glas Trösch eingesetzt. Durch eine besonders geringe Restreflexion von unter 0,5 % und nahezu unverfälschte Farbwiedergabe ist es bei direkter Durchsicht fast unsichtbar und eignet sich hervorragend für eine Ausstellungsarchitektur.

Für die Klebeverbindungen wurde ein stark haftendes Structural Glazing Silikon von Dow Corning verwendet. Glas Trösch konnte durch das Institut für Fenstertechnik in Rosenheim bestätigte Verträglichkeitstests vorlegen, die eine Eignung der Verklebung im Zusammenhang mit den verwendeten Glasscheiben nachweisen. „Die Verklebung der Wandvitrinen hat eine zertifizierte Firma übernommen. Es war keine Zustimmung im Einzelfall notwendig“, informiert Harald Gruber, Geschäftsführer von Brüll + Gruber.

Sicherheits- und Klimatechnik. 21 Wandeinbauvitrinen stammen aus dem Münchner Betrieb. In diesen Glasvitrinen werden beispielsweise Holzsärge, Sarkophage, Bronzen und ägyptische Kleidungsstücke ausgestellt. Aspekte für die Planung aller Vitrinenarten waren eine möglichst unauffällige Konstruktion sowie eine gut handhabbare Reinigung und Neubestückung. Diese wird über Dreh- und Schiebetürelemente ermöglicht.

Es wurden ausschließlich Klebeverbindungen eingesetzt, deren statische Eignung in der jeweiligen Einbausituation für die teilweise bis zu 250 kg schweren und über drei Meter hohen Gläser nachgewiesen werden musste. „Die Lasten der Scheiben werden ausschließlich über die Klebeflächen der Bandplatten abgetragen“, erläutert Gruber. Auch die Verklebung der Scheiben auf dem als Haltekonstruktion für die Wandvitrinen dienenden Flachstahl wurde untersucht. Auf diesen optisch kaum wahrnehmbaren Rahmen brachten die Metallbauer die Vitrinengläser flächenbündig mit den angrenzenden Wänden auf. „Beim Einbau in die Wand kam es auf eine genaue Anpassung der Gläser an die Betonkante an“, sagt Gruber. Für jedes Glas wurde eine Holzschablone gefertigt und vom Architekten mit einem Fugenmaß von 15 mm abgenommen. Ob die Wandschränke staubdicht sind, wurde mit einem Co2-Messgerät überprüft. „Bei dem Test wurden die Vitrinen komplett abgedichtet, es durfte nur ein Luftwechsel von 0,2/h stattfinden“, erklärt Gruber.

Für die Wandvitrinen, die hauptsächlich mit Aluminium ausgekleidet wurden, hatte Brüll + Gruber folgende Aufgabenstellung: Die Ganzglastüren in den Wandschränken sollten ohne sichtbare Bänder sein. Angesichts der kostbaren Exponate war es klar, dass höchste Sicherheitstechnik installiert wurde – u.a. das elektronische Schließsystem Dialock von Häfele. Die Vitrine des meroitischen Goldschatzes der Königin Amani-shakheto unterlag beispielsweise strengsten Sicherheitsforderungen und musste mit einer zusätzlichen Alarmspinne ausgestattet werden. Glas Trösch entwarf hierfür eine Speziallösung, bei der die Sicherheitstechnik ohne zusätzlichen Scheibenzwischenraum in die Vitrinenverglasung eingebracht werden konnte.

Eine bauliche Herausforderung waren auch der Sicherungskasten und die elek-tronischen Komponenten, die über seitlich verschiebbare Revisionstüren zugänglich sind. Der Zugang zu den Klimakästen wurde teilweise über die Wandhohlräume in die seitlichen Bereiche der Schränke gelegt. Klimatechnisch war gefordert, dass die Abluft und Umluft der Wandvitrinen kontrollierbar ist. „Um für die Bronzen eine stabile Luftfeuchtigkeit von ca. 35 % zu gewährleisten, wurden entsprechende Prosorb-Kassetten eingesetzt“, berichtet Gruber. Damit diese sowohl vorgeregelt als auch nachgeregelt werden können, haben die Metallbauer eine spezielle Klimakammer konstruiert.

Für Licht sorgt eine LED-Beleuchtung von ERGO. Diese befindet sich außerhalb der Vitrine und ist über Schiebepaneele zugänglich. Gruber erklärt: „Damit die Schiebepaneele von der Innendeckenseite zu erreichen sind und der Abschluss luftdicht ist, wurden die Elemente schräg eingebaut.“

Trotz aufwändigen technischen Ausbaus müssen sich die Wandvitrinen wieder vollständig demontieren lassen. Zudem wurde jedes verwendete Material im Innenbereich der Vitrine einem Oddy-Test unterzogen. Der Test misst, ob die Ausgasungen der Materialien zulässig sind und eine weitestmögliche Schadstoffarmut in der Vitrine gewährleistet ist – für die Inneneinrichtung von Museen eine gängige Maßnahme. ⇥ma ◊

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