Dauerbrenner Fachkräfte

Mitarbeiter finden und binden

Fachkräfte im Handwerk sind rar. Laut ZGH fehlen den Betrieben knapp 65.000 qualifizierte Mitarbeiter. Einige Unternehmer resignieren, doch immer mehr Inhaber auch kleinerer Betriebe gelingt es, Mitarbeiter zu finden und zu binden.

Hans Maier (Name geändert) findet nicht, wonach er sucht. Der 58-Jährige ist Inhaber eines Metallbau-Betriebes mit neun Mitarbeitern. Weil dieses Jahr gleich zwei langjährige Angestellte in Rente gehen, sucht Maier aktuell Ersatz für die beiden Fachkräfte. Doch qualifiziertes Personal zu bekommen, sei sehr schwierig: „Handwerkliches Arbeiten ist heutzutage unattraktiv. Die jungen Leute arbeiten lieber für eines der Industrieunternehmen in der Region. Mit dem Gehaltsniveau dieser Konzerne kann ich nicht mithalten“, sagt der Unternehmer. Selbst ausbilden wolle er nicht, der Aufwand sei zu groß für seinen kleinen Betrieb.

Er hat der Agentur für Arbeit seine offenen Stellen gemeldet, doch diese könne ihm keine geeigneten Bewerber vermitteln. Eine Nachfrage beim zuständigen Arbeitsagenturbezirk scheint Maiers Aussage zu bestätigen: Fast 70 Prozent der offenen Stellen im handwerklichen Bereich konnten im vergangenen Jahr nicht besetzt werden. Damit ist die Region Unterfranken, in der sich Maiers Betrieb befindet, besonders stark vom Fachkräftemangel im Handwerk betroffen.

Dass Metallhandwerker lieber für Industrieunternehmen arbeiten, hat auch Josef Reichhart schon erlebt. „Es ist schon vorgekommen, dass ehemalige Auszubildende nach bestandener Prüfung zu einem der großen Konzerne in der Region abgewandert sind, doch die Regel ist das nicht.“  Reichhart führt in dritter Generation im oberpfälzischen Falkenstein einen Metallbaubetrieb mit Spenglerei und Schlosserei. Zum Team gehören 13 Mitarbeiter – darunter vier tschechische Pendler – und ein Auszubildender. Im Herbst beginnen zwei weitere Azubis ihre Lehre, denn Reichhart hat erkannt: Ein Weg aus dem Fachkräftemangel ist selbst auszubilden. Weil das Betriebsergebnis in den vergangenen Jahren gestiegen ist, hat der Metallbauer die Gehälter angepasst. „Mit den Industrie-Löhnen können wir nicht mithalten, doch das Gefälle ist jetzt nicht mehr ganz so groß.“

Seit kurzem nimmt Reichhart außerdem eine leichte Trendwende wahr: Bewerber geben an, sie wollen lieber körperlich arbeiten und selbst gestalten, als einen Bürojob oder die immer gleiche Arbeit in einer Produktionshalle auszuüben. „Vor allem junge Menschen schauen nicht mehr nur aufs Geld, sondern wünschen sich eine abwechslungsreiche Arbeit mit Sinn. Das Interesse, mit den Händen zu arbeiten und nach getaner Arbeit ein Ergebnis zu sehen, ist gestiegen.“  Dazu komme, dass die fertigende Industrie immer häufiger ins Ausland abwandert oder durch Umstrukturierungen Stellen streichen muss. Reichhart: „Das alles spielt uns in die Karten, denn ein Arbeitsplatz bei uns im Handwerk ist vielfältig und krisensicher.“

Ausbildung gegen Fachkräftemangel

Bei Metallbau Spiegel gehen die Bewerbungen zwar zurück, bislang ist es Inhaber Lucas Spiegel jedoch noch jedes Jahr gelungen, einen oder zwei Auszubildende zu finden. In seinem 32-Mitarbeiter-Betrieb in Frankenthal in der Pfalz befinden sich aktuell vier Lehrlinge in der Ausbildung. Dass kleine und mittelständische Betriebe nicht ausbilden wollen, kann der Unternehmer nicht verstehen: „Gute Mitarbeiter von morgen müssen heute ausgebildet werden.“ Bei Spiegel Metallbau ist es Tradition, Fachkräfte selbst auszubilden und im Unternehmen zu halten. „Unser ältester Kollege ist seit seiner Ausbildung vor 38 Jahren im Unternehmen.“ Potenzielle Bewerber macht Spiegel auf unterschiedlichen Wegen auf seinen Betrieb aufmerksam: Vom Sportvereins-Sponsoring über die Teilnahme an Berufsbildungsmessen bis hin zur Zusammenarbeit mit verschiedenen Schulen, für deren Schüler er Praktika anbietet. „Ob die Leute bei einem arbeiten wollen, ist auch eine Frage des Gesamteindrucks, den ein Betrieb hinterlässt“, ist sich der Geschäftsführer sicher. Er achtet auf regelmäßige Teambesprechungen und -events, weil dies für das Betriebsklima gut ist.

Lucas Spiegel gibt auch Bewerbern eine Chance, die so mancher Mitbewerber – trotz Personalmangel – ablehnen würde: „Schlechte schulische Leistungen, Sprach- oder sonstige Schwierigkeiten sagen nichts darüber aus, wie gut jemand in der Praxis ist. Wer motiviert ist, bekommt eine Chance sich zu beweisen.“ Schlechte Erfahrungen blieben zwar nicht aus, doch die positiven überwiegen: „Wenn jemand mit einer ungünstigen Sozialprognose bei uns in die Ausbildung gestartet ist und heute mitten im Leben steht, Familie und Eigenheim hat und sich zu einem verlässlichen Mitarbeiter entwickelt hat, dann zeigt das doch, wie sehr sich so ein Vertrauensvorschuss lohnen kann.“

Der Betriebsinhaber hat sich noch einiges mehr für seine Belegschaft einfallen lassen: So durften die Kolleginnen und Kollegen etwa den Sozialraum nach ihren Wünschen mitgestalten. Mineralwasser steht für alle kostenfrei bereit. Die Arbeitskleidung wird gestellt und regelmäßig gereinigt. Junge Eltern erhalten ein Jahr lang Gutscheine für Windeln. Sportbegeisterte können zu ermäßigten Beiträgen ein nahes Fitnessstudio nutzen. Auszubildende mit guten schulischen Leistungen werden mit Gutscheinen fürs Kino oder den Elektromarkt belohnt. Mitarbeiter können sich nebenberuflich zum Meister oder Schweißfachmann weiterbilden. Und wenn ein Angestellter sich bei der Arbeit verhoben hat und über Rückenschmerzen klagt, greift der Chef auch einmal selbst zum Hörer, um für den Mitarbeiter einen Termin beim Physiotherapeuten zu vereinbaren.

Als „Paradebeispiel gelungener Integration“ bezeichnet Spiegel die Anstellung eines minderjährigen Gambiers, der ohne Begleitung auf einem Schlauchboot aus seiner Heimat geflüchtet ist und zunächst in einer Unterkunft in Frankenthal lebte. Weil der junge Mann im Praktikum überzeugte, erhielt er nicht nur einen Ausbildungsvertrag. Lucas Spiegel organisierte auch eine Wohnung für den 17-Jährigen, bürgte für ihn beim Vermieter und hinterlegte die Kaution. Die Belegschaft kümmerte sich um Möbel und integrierte den neuen Kollegen ins Team. „In jeder Mittagspause lernt Mammadou deutsch, inzwischen spricht er fast besser Hochdeutsch als wir“, erzählt der Pfälzer augenzwinkernd.

Gute Mitarbeiter suchen gute Arbeitgeber

„Lucas Spiegel macht vieles richtig“, sagt Simone Stargardt. Die Fachfrau für modernes Personalmanagement und Inhaberin einer privaten Weiterbildungsakademie beobachtet bei Unternehmern aus dem Handwerk immer wieder, dass sie hohe Anforderungen an Bewerber stellen. Dabei aber vergessen zu vermitteln, warum sich qualifizierte Schulabgänger und Fachkräfte gerade für ihren Betrieb interessieren sollten. Bei der Zielgruppe müsse der Wunsch ausgelöst werden, sich bei genau diesem Unternehmen zu bewerben. „Für viele Arbeitssuchende oder Jobwechselwillige aus dem Handwerk ist das Image einer Firma wesentlicher, als die Branche, das Betriebsklima relevanter, als die Bezahlung und die Größe eines Unternehmens spielt selten eine Rolle“, beobachtet die Diplom-Betriebswirtin.

Stargardt befürwortet es, wenn Unternehmer – wie Lucas Spiegel – auch Menschen eine Chance in der dualen Ausbildung geben, die bei anderen Arbeitgebern vielleicht durchs Raster fallen. „Gerade handwerklich interessierten jungen Menschen fällt Lernen für die Schule oft schwer, was sich dann in schlechten Noten widerspiegelt“, so die Personal-Expertin. Wenn diese Schüler dann körperlich arbeiten und dafür positives Feedback bekommen, verbessern sich oft auch die Berufsschul-Noten, zeigt Stargardts Erfahrung. Auch extra Unterstützung könne sich lohnen, etwa Schulungen für Azubis, um sie auf die IHK-Prüfungen vorzubereiten. Bei der Suche nach Fachkräften empfiehlt die Trainerin außerdem, die Wirkung der sozialen Medien nicht zu unterschätzen. Schließlich sind die meisten Mitarbeiter privat auf Instagram oder Facebook aktiv. „Es macht Sinn, sich auch als Betrieb auf unterschiedlichen Social-Media-Kanälen zu registrieren und darüber allgemeine Infos zum Unternehmen, Arbeitsbeispiele und auch Stellenanzeigen zu veröffentlichen.“ Wenn Angestellte diese Beiträge dann teilen, lässt sich so oft mehr Reichweite und Aufmerksamkeit erzielen als mit einem teuren Inserat in einer Zeitung. Inhaber von Metallbaubetrieben sollten auch prüfen, wie sie gute Azubis oder Mitarbeiter fördern können. Stargardt: „Wer vom Chef eine Weiterbildung bezahlt bekommt und nach erfolgreichem Abschluss dann vielleicht eine Stelle mit mehr Verantwortung oder ein eigenes Projekt erhält, belohnt das oft mit besonderer Loyalität.“

Niederschwelliges Kontaktangebot

Volker Gawron, Geschäftsführer von Gawron & Co., hat die Sozialen Medien für sich entdeckt. Der Betrieb für Zaun-, Metall und Stahlbau in Rellingen an der Landesgrenze zu Hamburg hat knapp 100 Mitarbeiter und 20 Auszubildende. Auf Instagram erhalten Fans und Follower des Familienunternehmens mit flachen Hierarchien Infos über Ausbildungsmöglichkeiten oder sehen Arbeitsstücke aus der Lehrwerkstatt. „Wenn die Hürden für eine Bewerbung zu hoch sind, bewirbt sich keiner; je niederschwelliger die Kontaktaufnahme möglich ist, desto besser“, findet der Inhaber. Deshalb hat er auf seiner Homepage ein Kontaktformular hinterlegt: Eine Kurzbewerbung lässt sich mit nur fünf Klicks absenden. Der Unternehmer hatte noch weitere kreative Ideen, mögliche Hindernisse für potenzielle Bewerber aus dem Weg zu schaffen: Weil es keine zeitlich passende Busverbindung zu seinem Betrieb gab, Auszubildende aber oft auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen sind, sprach der Obermeister der Metallinnung Pinneberg immer wieder bei seiner Gemeinde vor. Schließlich konnte der Busfahrplan so geändert werden, dass seine Azubis nun pünktlich zum Arbeitsbeginn eintreffen.

Seit vielen Jahren arbeitet Gawron mit zwei Schulen zusammen, bietet Betriebsbesichtigungen für Klassen an, ermöglicht Praktika und hält Vorträge über Ausbildungsmöglichkeiten. „Bei den Terminen in den Schulen ist meistens eine Auszubildende oder ein Auszubildender von uns mit dabei. Denn dass eine Lehre im Metallbau Spaß machen kann, nehmen die Schülerinnen und Schüler eher jemanden ab, der etwa in ihrem Alter ist.“ Für seinen Betrieb hat der Geschäftsmann außerdem mit externer Unterstützung ein Leitbild entwickelt, das alle Beschäftigten kennen. „Vor allem, wenn es im Arbeitsalltag mal schwierig wird, orientieren wir uns an den Verhaltensregeln“, so Gawron, der in seinem Betrieb Wert auf eine persönliche, lockere Arbeitsatmosphäre legt. Ob es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht, nebenberufliche Weiterbildung oder Altersteilzeit: Der Chef hat für seine Mitarbeitenden stets ein offenes Ohr: „Mir ist wichtig, dass jeder an der Stelle im Unternehmen arbeitet, die für ihn oder sie passt.“

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