Metallbau Wüst
„Wer schaffen will, muss fröhlich sein.“Wilhelm, Friedrich, nochmal Wilhelm, Ronald und Robert – das Familienunternehmen Metallbau Wüst aus Pritzwalk besteht seit 110 Jahren. Die Namen der Inhaber spiegeln die Epoche des vorigen und aktuellen Jahrhunderts. 1910, zu Kaiser Wilhelms Zeiten, gründete Wilhelm Wüst die Schmiede, die heute sein Ur-Urenkel Robert mit fünf Mitarbeitern betreibt.
Robert Wüst ist jüngster Handwerkskammer-Präsident Deutschlands. In dieser Funktion setzt er sich für die Digitalisierung im Handwerk ein und treibt das Ausbildungswesen seiner Zunft voran. Dazu ringt der 36-Jährige mit der Politik, diskutiert mit Berufskollegen, Eltern, Lehrern und anderen politischen Entscheidern. Der Brandenburger stellt ehrenamtlich Weichen, damit das Handwerk „auch in Zukunft goldenen Boden hat“, wie er sagt.
„Nebenbei“ führt der Metallbaumeister den Familienbetrieb mit fünf Mitarbeitern. „Wir sind ein ganz normaler Metallbauer“, antwortet Wüst auf die Frage, was seinen Betrieb ausmache. Das war nicht immer so. Denn nach den Weltkriegen mussten Großvater und Urgroßvater in der volkseigenen „PGH“ arbeiten. „Produktionsgesellschaft des Handwerks“ lautete in der DDR der sperrige Begriff für Orte, an denen Maurer, Gipser, Schreiner und eben Metallbauer ausgebildet und beschäftigt wurden. Das ist lange her. „Ich bin 1985 geboren und habe von der DDR wenig erlebt“, sagt Wüst. Allerdings weiß er aus Erzählungen, wie vehement Wilhelm und Friedrich vor 45 Jahren um die Gewerbeerlaubnis kämpfen mussten, ehe sie 1977 den Betrieb wieder aufnehmen durften, um die Familientradition fortzusetzen. Metallbau Wüst übersteht diese Zeit. Die Mauer fällt zwölf Jahre später und 1993 übernimmt Vater Ronald den Betrieb.
2005 besteht der Sohn seinen Gesellenabschluss zum Metallbauer, Fachrichtung Konstruktionstechnik. In den väterlichen Betrieb will der Jungspund erst einmal nicht einsteigen. Robert sammelt lieber Lebens- und Berufserfahrung. Unterstützt mit seinem Handwerk Betriebe in der Landwirtschaft oder der Industrie. 2007 kehrt der Junior ins Familiennest zurück und macht eine Ansage: „Wenn ich einsteige, dann richtig!“ Der Ehrgeiz des Sohnes freut den Vater. Gemeinsam gründen sie die „Ronald Wüst & Sohn GbR“. Parallel geht Robert auf die Meisterschule, fünf Jahre später übernimmt er den Betrieb als alleiniger Inhaber und richtet den Fokus neu aus.
Gut 70 Prozent aller Gartentore, Treppen und Balkonbrüstungen in Pritzwalk, das ziemlich genau in der Mitte zwischen Berlin und Hamburg liegt, stammen aus dem Metallbaubetrieb Wüst. Zum klassischen Schmiede-Geschäft kommen dank Initiative des jungen Chefs Dienstleistungen für Industriekunden hinzu. Wüst erweitert das Spektrum um Installation und Wartung von Industrietoren. Außerdem kümmern sich die Monteure um Maschinen der umliegenden Landwirtschaft. Ein Zellstofffabrikant sowie ein Betonmischwerk mausern sich zu Stammkunden. Die Wüst-Leute reparieren Trog-Ketten-Förderer, setzen Hammerschmieden instand und warten Mischschütten. Sie erwirtschaften dadurch mehr als die Hälfte (55 Prozent) des Jahresumsatzes. „Der Rest (45 Prozent) sind reine Metallbauarbeiten“, sagt Wüst. Im Umkreis von 20 Kilometern findet der Betrieb etliche Privat- und Gewerbekunden. Was dem Unternehmen hingegen fehlt, sind Fachkräfte.
Als Kammerpräsident liegt ihm deshalb die Ausbildung am Herzen: Der regional verwurzelte Metallbauer kooperiert mit dem örtlichen Bildungsträger, der Jugendliche auffängt, die keine Lehrstelle finden. „Oft sind prekäre Familienverhältnisse der Grund dafür“, verdeutlicht Wüst, der es den jungen Erwachsenen ermöglicht, den praktischen Teil ihrer Ausbildung in seiner Werkstatt und auf Montagen zu erbringen und zu erleben. Ausbildungsbetrieb bleibt indessen der soziale Träger. Für den Metallbauer bedeutet das Engagement allerdings mehr Aufwand. Die Azubis wollen betreut werden. Neben fachlichem Wissen geht es oft darum, Lebenshilfe zu leisten. Meistens gelingt das. Von bislang drei Auszubildenden schaffen alle den Abschluss zum Fachpraktiker.
Wer bei Metallbau Wüst anheuert, sucht mehr als einen Arbeitsplatz. Das Familienmotto lautet: „Wer schaffen will, muss fröhlich sein“. Eine Wandmalerei im Betrieb in altdeutscher Schrift erinnert daran. Was einst nach strengem Appell klang, ist heute relativ. Fröhlichkeit ist nicht Pflicht, sondern Schaffens-, und wenn man so will, Lebensphilosophie der Wüsts.
Metallbau Wüst steht seit mehr als einem Jahrhundert für vielfältiges Gestalten. „Viele Kunden wissen oft nicht, was sie wollen“, sagt Wüst. Deshalb plant und berät der Inhaber gerne. Erstellt CAD-Entwürfe und sucht mit Bauherren und Architekten nach modernen Lösungen, die Trends überdauern. Überhaupt ist Nachhaltigkeit für den Betrieb wichtig. Davon zeugt eine Photovoltaikanlage auf dem Firmengebäude, sie liefert schon seit Jahren 60 MW ins öffentliche Netz.
www.metallbau-wuest.de