Verantwortung gefragt
„Frei und ohne Hilfsmittel zugängliche Vertikalverglasungen sind auf der zugänglichen Seite bis mindestens 0,80 m über Verkehrsfläche mit Glas mit sicherem Bruchverhalten auszuführen.“
Über kaum eine Passage des Entwurfs der überarbeiteten Teile 1 und 2 von DIN 18008 wurde mehr und leidenschaftlicher diskutiert – im Vorfeld, bei der Einspruchssitzung und auch danach. Schließlich wurde als Kompromiss ein zweiter Satz ergänzt: „Von dieser Regelung kann abgewichen werden, wenn eine Risikobeurteilung vorgenommen wurde.“
Doch trotz Ergänzung, die Diskussionen über diese Textstelle verstummen nicht, es stehen mehrere Fragen im Raum: Wer kann eine solche Risikobeurteilung vornehmen? Auf welcher Grundlage? Was für Konsequenzen kann dies haben?
Die erste Frage ist einfach zu beantworten: Jede fachkundige Person, eine spezielle Qualifikation ist nicht nachzuweisen – man muss sich jedoch der Verantwortung bewusst sein! Die Forderung einer „Risikobeurteilung“ findet sich in einigen Vorschriften – durch die Objektabhängigkeit gibt es keine pauschale Lösung, eine umfassende Checkliste mit klaren Schwarz-Weiß-Kriterien wird Wunschtraum bleiben.
Sehr schwer abzuschätzen sind die Konsequenzen in den Fällen, bei denen eine Risikobeurteilung die Verwendung von Gläsern mit sicherem Bruchverhalten als nicht notwendig erachtet und dann Personen zu Schaden kommen.
Juristische Frage bleibt offen
Tatsächlich ist dies eine juristische Frage. Von juristischen Laien können aus der Erfahrung allenfalls einige Aspekte angedacht werden, die vermutlich eine Rolle bei einer Urteilsfindung spielen könnten: War die Beurteilung des Risikos richtig? War die Person geeignet, eine qualifizierte Risikobeurteilung abzugeben? Hätten es die Ausführenden besser wissen können? Wie sind Art und Umfang des Schadens? Durch Mehrkosten in welcher Höhe wäre der Schaden zu vermeiden gewesen? Wären die Kunden bei entsprechender Aufklärung bereit gewesen, diese Kosten zu übernehmen?
Zu erwarten sind Hilfsmittel für eine Risikobewertung, beispielsweise eine Zusammenstellung unkritischer Anwendungen, wünschenswert ist eine intensive Aufklärung von Ausführenden wie auch Kunden.
Es grüßt Sie,
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Geralt Siebert
Obmann des Normungsausschusses für die DIN 18008