Oskar Anders, Hilzinger Metallbau
„WorstCase ist der Stopp der Glasproduktion!“Bei den ift-Fenstertagen in Rosenheim haben wir Oskar Anders zum Interview getroffen. Der Geschäftsführer von Hilzinger Metallbau in Fritzlar ist zugleich Vorstandsvorsitzender vom ift Rosenheim und Vorstand der Gütegemeinschaft Fenster und Haustüren e.V. in Frankfurt. Aufgrund dieser vielfältigen Aufgaben hat er einen umfassenden Einblick in die Branche.
metallbau: Herr Anders, wie beurteilen Sie die Lage? Sind wir nun in einer Rezession oder nicht?
Oskar Anders: Wir sind auf dem Weg in die Rezession, dafür sprechen die extremen Preissteigerungen, die Inflation, Materialknappheit und die hohen Energiekosten. Das sind klare Anzeichen. Ob es nun für die Bauwirtschaft weit nach unten geht, lässt sich derzeit nicht sagen. Hilzinger Metallbau hat aktuell eine gute Auslastung.
metallbau: Einige Betriebe haben enorme Materialschwierigkeiten und Verzögerungen auf der Baustelle von bis zu acht Wochen. Gleichermaßen sagen diese Unternehmen, dank der vollen Auftragsbücher können sie diese Verzögerungen kompensieren, brauchen keine Kurzarbeit. Wie lange geht das noch?
Anders: Geht es auf dem jetzigen Level weiter, funktioniert das noch ein gutes halbes Jahr ohne Kurzarbeit. Wir bei Hilzinger Metallbau haben zwar auch vereinzelt Probleme bei der Materialbeschaffung, aber letztlich war die Lieferung immer eine Frage des Preises. Bei Systemprofilen mussten wir auch mal etwas länger warten.
metallbau: Welche Chancen sehen Sie für rückläufige Preise?
Anders: Bis auf Glas haben sich eigentlich die Materialpreise auf hohem Niveau stabilisiert; Systemhäuser haben teilweise eine Rücknahme der Materialteuerungszuschläge für Anfang 2023 angekündigt. Aber auf das alte Niveau werden die Preise sicher nicht mehr fallen. Im Vergleich zur Pandemie ist Bauen zwischen 25 bis 30% teurer geworden.
metallbau: Weshalb haben Sie ob der Teuerungsrate fürs Bauen keine Befürchtungen, dass sich die Auftragslage verschlechtert?
Anders: Öffentliche Bauten beispielsweise sind fest in den öffentlichen Haushalten eingeplant, und dann beschäftigen uns die Baustellen mit den Verzögerungen länger als gedacht. Hilzinger Metallbau muss auf der Baustelle am Frankfurter Flughafen mit mehr als einem Jahr Bauverzögerung auf Bauherrenseite rechnen; das heißt, wir werden viel länger als geplant mit diesem Projekt beschäftigt sein. Deshalb blicke ich ins erste Halbjahr 2023 positiv.
metallbau: Wird die Nachfrage nach energetischen Sanierungen im Bereich Gebäudehülle den Rücklauf bei Neubauten kompensieren können?
Anders: Wir hoffen natürlich, dass zugunsten von energetischen Sanierungen die Investitionsbereitschaft geweckt wird. Um die Einbußen auszugleichen, bräuchte es meiner Ansicht nach zusätzlich noch steuerliche Anreize für die Investoren. Die enormen Mehrkosten für die Baumaterialien müssten für die Investoren steuerlich z.B. über höhere Abschreibungsquoten etwas auszugleichen sein.
metallbau: Sie halten die aktuellen Fördermöglichkeiten nicht für ausreichend?
Anders: Vor allem kurzfristig bis Mitte 2023 wird das die Rezession in Betrieben des Handwerks nicht abfedern.
metallbau: Aber können Bauherren erwarten, dass trotz der unerwarteten Krisen, die es zu bewältigen gilt, der Staat es für sie richtet? Sie weiter zu Preisen wie im Jahr 2019 bauen können?
Anders: Müssen Investoren die aktuellen Teuerungen selbst tragen, werden sie sich zurückziehen. Das habe ich auf den ift-Fenstertagen aus vielen Quellen gehört. Schon jetzt lassen Bauherren ihre Baustellen teils winterfest machen, um ihre Investitionen einzufrieren; andererseits werden geplante Objekte nicht mehr angefangen.
metallbau: Was ist der WorstCase?
Anders: Der Preis vom Glas geht grade durch die Decke, wenn durch die Energiekrise die Glasproduktion zum Stoppen kommt, dann haben wir den WorstCase. Meine große Frage ist, was wird dann? Gut, jetzt müssen wir zunächst den Winter und seine Temperaturen abwarten.
metallbau: Einige Metallbauer versuchen in den Verträgen durchzusetzen, dass keine Konventionalstrafen mehr wegen Terminverzug möglich sind; mich wundert es, dass sie damit bei Bauherren auf offene Ohren stoßen?!
Anders: Ich wüsste derzeit keine Baustelle, wo der Bauherr keine Terminverzögerungen verursacht, sodass wir über Behinderungsanzeigen und Ähnliches Konventionalstrafen aushebeln können. Aber die Bauherren sind aktuell verhältnismäßig einsichtig.
metallbau: Sie würden nicht sagen, dass die rechtlichen Auseinandersetzungen mit den Bauherren seit Corona zunehmen?
Anders: Nein, bis jetzt nicht. Aber es kann schon sein, dass es wegen der Materialpreiserhöhungen und der Bauzeitverzögerungen verstärkt zu rechtlichen Streitigkeiten kommt.
metallbau: Können Sie die höheren Preise auf die Kunden umlegen? Haben Sie Preisgleitklauseln genutzt?
Anders: Nein, bislang nicht. Wir haben unsere Einkaufspreise aufgrund langfristiger Kontrakte stabil halten können, weil wir schon im Vorfeld der Krisen gut eingekauft haben; erst jetzt kalkulieren wir für Aufträge mit neuen Preisen und schlagen einen Risikoaufschlag drauf. Aber die Preise können nicht noch weiter in die Höhe gehen – die Spitze ist erreicht.
metallbau: Gibt es für die Verarbeiter von Aluminium und Stahl eigentlich besondere Vorteile, auf dass diese nicht so weit in die Rezession abrutschen?
Anders: Ja, bei besonders hochwertigen Objekten, die vornehmlich mit Aluelementen umgesetzt werden, hat man den Eindruck, dass Geld keine so große Rolle spielt.
metallbau: Inwiefern trifft Nachhaltigkeit Ihre Branche?
Anders: Insofern wir hochwärmedämmende Elemente herstellen, fertigen wir nachhaltige Produkte. Was den Werkstoff betrifft, ist bei Alu, Stahl und Glas die Wiederverwertung seit vielen Jahren nachhaltig geregelt. Bei vielen Betrieben gehen keine demontierten Rahmen mehr auf die Deponie. Und wir werden von den Systemhäusern auf Nachhaltigkeit getrimmt. Bedenkt man mal, wie lange wir unsere Fassadenelemente bei regelmäßiger Wartung instand halten können, dann wird klar, wie nachhaltig unsere Produkte sind.
metallbau: Welche Themen wurden denn in den Betrieben wegen der Krisen zurückgestellt?
Anders: Vor drei Jahren habe ich mir viel mehr Gedanken über BIM gemacht als heute Dass BIM für Metall-/Fassadenbauer kommt, ist im Moment nicht sichtbar. Wir haben kein Objekt mit BIM in der Mache. Dass es für einen Kollegen mal ernst wurde und er mit BIM einen Auftrag hat umsetzen müssen, auch das kann ich nicht bestätigen.
metallbau: Ihre Prognose für das zweite Halbjahr 2023?
Anders: Wenn die Investoren uns nicht einbremsen, geht es gut für uns weiter. Durch Betriebsaufgaben und Insolvenzen können Betriebe, bei denen es gut läuft, zusätzlich Fachkräfte akquirieren. Ich würde jeden Qualifizierten einstellen und nicht abwarten, was im Juni 2023 ist. Lieber würde ich die Leiharbeit reduzieren, die der Mindestlohn fast so teuer gemacht hat wie festangestellte Fachkräfte.
ift-Fenstertage
Am zweitägigen Programm der Fenstertage nahmen mehr als 522 Zuhörer in Präsenz teil (2018: ca. 250). Den Eröffnungsvortrag von Prof. Jörn P. Lass, ift-Institutsleiter, lesen Sie auf Seite 44. Bei der Pressekonferenz tags zuvor informierte die Geschäftsführung über aktuelle Betriebszahlen:
Am Institut für Fenstertechnik sind 220 Mitarbeiter beschäftigt, davon 146 Ingenieure bzw. Physiker. 30 ift-Mitarbeiter vertreten die Branche in über 100 Normungsausschüssen. Der telefonische Support hat fast 1.200 technische Auskünfte gegeben; zu etwa 60,4 % an Fensterbauer/Schreiner/Metallbauer, zu 14,5 % an Privatpersonen, zu 7,4 % an Architekten/Ingenieurbüros; Sachverständige waren es ebenso 7,4%. Der Corona-Krise geschuldet fanden 2021 rund
60 % der Veranstaltungen der ift-Akademie digital statt.
Der Jahresumsatz von 2021 von ca. 22 Mio. Euro soll trotz merklicher Konjunkturabkühlung seit Mitte des Jahres auch 2022 erreicht werden.Weil Termine für Zertifizierungen häufig turnusgemäß stattfinden, gibt es in diesem Bereich keine Rückläufe. Anders bei den Prüfkörpern. „Weil Hersteller vielfach Probleme haben, die Materialien für Prüfkörper zu beschaffen, hat sich dieser Bereich reduziert“, so Prof. Lass. „In Konsequenz werden auf der BAU weniger zertifizierte Neuheiten zu sehen sein als sonst üblich“, ergänzte Oskar Anders, Vorstandvorsitzender. Derzeit hat das ift 540 Mitglieder (36 % Systemhäuser/Zulieferer; 51 % Hersteller...).