Interview

Prof. Dr. Ove Jensen, WHU

„Vom Beziehungsvertrieb zum systematischen Ansatz“

Ove Jensen hat an der Otto Beisheim School of Management (WHU) in Vallendar den Lehrstuhl für Vertriebsmanagement und Business-to-Business Marketing inne. Wir haben den Experten gefragt, wie sich Vertrieb in den vergangenen Jahren verändert hat.

metallbau: Wie haben sich die Vertriebsmethoden und -strategien in den letzten Jahren verändert? Welche Trends beobachten Sie da?

Prof. Ove Jensen: In den vergangenen Jahren hat sich im Vertrieb einiges getan. Der klassische „Beziehungsvertrieb“ wird zunehmend durch einen systematischeren, prozessorientierten Ansatz ersetzt. Viele Unternehmen setzen dabei auf CRM-Systeme (Kundenmanagementsysteme), um den Vertrieb zu strukturieren und zu unterstützen. Ein weiterer wichtiger Trend ist der Einsatz von Datenanalyse und künstlicher Intelligenz. Damit lassen sich Prognosen über Kaufwahrscheinlichkeiten, Zahlungsbereitschaft und vieles mehr generieren.

 

metallbau: Welche Vertriebskanäle und -ansätze erweisen sich aktuell als besonders erfolgreich? Wo sehen Sie den größten Handlungsbedarf?

Prof. Jensen: Ein sehr vielversprechender Bereich ist die „Conversational AI“ – also KI-gestützte virtuelle Assistenten, die menschenähnlich kommunizieren können. Diese könnten beispielsweise im Kundenservice eingesetzt werden und so den Vertriebsprozess unterstützen. Der Unterschied zu klassischen Chatbots ist, dass die Interaktion hier wirklich im Gespräch und auch emotional abläuft  –  nicht nur schriftlich wie bisher. Grundsätzlich sehe ich den größten Handlungsbedarf darin, den Vertrieb stärker zu digitalisieren und neue Technologien sinnvoll einzusetzen. Viele Unternehmen tun sich damit noch schwer und haben Nachholbedarf.

 

metallbau: Wie können Unternehmen ihre Vertriebsaktivitäten anpassen, um auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten erfolgreich zu bleiben? Welche Prioritäten sollten sie setzen?

Prof. Jensen:  Unternehmen müssen sich darauf einstellen, dass sich der Vertrieb vom reinen Produktverkauf hin zu technologiegestützter Beratung und Lösungsangeboten entwickelt. Das erfordert von den Vertriebsmitarbeitern neue Kompetenzen –weniger klassische Vertriebsfähigkeiten, dafür mehr technisches Verständnis und die Kompetenz, softwarebasierte Lösungen zu erklären. Die Mitarbeiter müssen in der Lage sein, dem Kunden eine Vision für die Nutzung von neuen Technologien in seinem Geschäft zu vermitteln. Dadurch werden die Unternehmen unabhängiger von einzelnen Verkäufern. Das kann den Bedarf an traditionellen Vertriebskräften reduzieren, erfordert aber auch, dass man Mitarbeiter mit digitalen Kompetenzen findet und bindet.

metallbau: Entlastet die Digitalisierung dann von Vertriebshausaufgaben wie etwa dem konsequenten Nachhaken von offenen Angeboten?

Prof. Jensen:  Nein, es bleibt nach wie vor wichtig, dass Angebote systematisch nachverfolgt werden. Viele Unternehmen vernachlässigen diesen Prozess – mit Folgen für die Effizienz. Wichtig für die Verkaufer ist aber auch zu erkennen, dass und wie sich die Kunden verändert haben. Gerade für die jüngere Generation ist die virtuelle Präsenz eines Unternehmens entscheidend. Diese Käufer gehen nicht mehr persönlich auf Verkäufer zu, sondern wollen alles selbstständig online erledigen. Statt Outbound-Vertrieb ist also Inbound-Vertrieb gefragt, bei dem die Kunden das Unternehmen via Netz und über Werbung finden können. Zudem haben sich die Suchmechanismen gewandelt: Früher lag der Fokus auf Google, heute suchen Kunden auch direkt auf YouTube, Amazon oder in sozialen Medien. Unternehmen müssen also deutlich mehr Kanäle für den Verkauf im Blick haben.

 

metallbau: Welche Kompetenzen und Fähigkeiten sollten Vertriebsmitarbeiter in diesem Bereich mitbringen, um Kunden effektiv zu beraten und zu betreuen?

Prof. Jensen:  Verkäufer müssen sich von reinen Produktverkäufern zu strategischen Beratern wandeln, die ganzheitliche Lösungen anbieten. Technisches Verständnis und die Kompetenz, softwarebasierte Angebote zu erklären, sind wichtiger als klassische Vertriebsfähigkeiten. Es geht weniger um den Verkauf eines konkreten Produkts, sondern um das Anbieten von Prozess-optimierungen und integrierten Hardware-Software-Lösungen.

metallbau: Wie können Unternehmen ihren Vertrieb stärker digitalisieren und neue Technologien sinnvoll einsetzen? Welche Möglichkeiten sehen Sie da?

Prof. Jensen: Hier sehe ich großes Potenzial. Traditionelle Vertriebsprozesse können stark automatisiert werden, sodass Verkäufer weniger von manueller Dateneingabe abhängig sind. KI-basierte Systeme können zudem Kundendaten und Kommunikation analysieren, um Erkenntnisse über Kundenwünsche und -verhalten zu gewinnen. Dabei können auch Daten von LinkedIn oder Facebook genutzt werden, um Kundenkartei automatisch up-to-date zu halten. Insgesamt lässt sich sagen: Eine leistungsfähige Dateninfrastruktur ist entscheidend. Das ermöglicht es den Verkäufern, sich stärker auf Beratung und Lösungsentwicklung zu konzentrieren. Insgesamt zeichnet sich also ein fundamentaler Wandel in der Vertriebsarbeit ab, weg vom reinen Produktverkauf hin zu technologiegestützter Beratung. Das stellt neue Anforderungen an Verkäufer, erfordert aber auch strategische Überlegungen auf Unternehmensseite.

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