VFT-Seminar Wiesbaden
Brandschutztüren für Re-use meist geeignetMit der Stabübergabe von Hugo Philipp an Markus Schultz, den neuen Vorstandsvorsitzenden des Verbands für Fassadentechnik, wurde in Wiesbaden-Niedernhausen das VFT-Seminar mit rund 270 Teilnehmern eröffnet. Philipp hatte sich tags zuvor bei der Mitgliederversammlung in den Ruhestand verabschiedet. Auf dem Programm der zweitägigen Tagung standen u.a. Kreislaufwirtschaft, Mitarbeitergewinnung sowie Insolvenzrisiko…. Rund 30 Aussteller boten in den Pausen Support und Produktinfos, zudem nahmen 30 Studenten der DHBW Mosbach teil.
Mit 60% Abfall und 40% CO2-Emissionen gilt die Baubranche als der größte Umweltverschmutzer der Welt. Diesem Fakt stellte sich Luise von Zimmermann, tätig bei Concular, unter der Überschrift „Die Klimakrise wird auf der Baustelle entschieden“. Die Berliner Firma Concular ist führend, was nachhaltige & zirkuläre Gebäude anbelangt. Auf der Website shop.concular.de bietet sie gebrauchte Bauelemente an. Im Oktober hat sie ein „Handbuch für Zirkuläres Bauen in der öffentlichen Vergabe“ veröffentlicht, das als Leitfaden zur Implementierung von ressourcenschonenden Ansätzen genutzt werden kann. Es soll die Bauwirtschaft auf den Weg zum grundsätzlich zirkulären Bauen führen. „Zirkuläre Standards sollen Pilotprojekte ablösen“, betonte von Zimmermann. „Mithilfe von zirkulären Methoden lassen sich CO2-Emissionen erheblich reduzieren.“
CO2-Grenzwerte für Gebäude
CO2-Grenzwerte für neue Gebäude werden in absehbarer Zeit Pflicht: Derzeit ist davon auszugehen, dass in Deutschland für neue Gebäude generell ab 2027 die Berechnungs- und Transparenzpflicht gilt. Für Neubauten mit mehr als 1.000 m² Fläche werden ab 2029 verpflichtende Anforderungswerte gestellt, Neubauten mit weniger als 1.000 m² müssen Pflichten in Bezug auf CO2-Grenzwerte erst 2030 erfüllen. Die Grenzwerte des Kohlendioxidäquivalents (CO2-eq) pro Quadratmeter Wohnfläche und Jahr werden fortlaufend verschärft werden.
Im Rahmen einer statistischen Auswertung von 50 ökobilanzierten Gebäuden aus dem Pool der DGNB werden Benchmarks für Treibhausgasemissionen (kg CO2eq/m²a) abgeleitet. Der Mittelwert aller Gebäude liegt bei 8,7 kg CO2eq/m²a und damit ca. 8% unter dem aktuellen Referenzwert der DGNB von 9,4 kg CO2eq/m²a.
Wissenschaftler gehen davon aus, dass der Grenzwert von 5,8 kg CO2 eq/m²/Jahr mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% einhergeht, dass die 1,5°C-Grenze nicht überschritten wird; bei 2,5 kg-CO2 eq/m²a wird die Wahrscheinlichkeit bei 83% angesetzt.
Von Zimmermann hatte sich insbesondere die Kreislaufwirtschaft zum Thema gemacht, die im Kreislaufwirtschaftsgesetz verankert ist. Für Rückbaumaßnahmen wird demnach das Nachnutzungspotenzial mit dem Ziel, 70% Gewichtsprozent in Re-use/Recycling rückzuführen, nach „technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar“ bewertet.
Für zirkuläre Neu- bzw. Bestandsbauten gibt es unterschiedliche Tools und Software für die Datenerfassung. Gängig bei Neubauten ist die Nutzung von BIM-Modellen sowie eine KI-unterstützte Verknüpfung mit Produktdatenbanken. Hierzulande sind 5 Mio. m² Gebäudefläche digitalisiert, das sind ca. 1,5% aller Bauvorhaben; In New York sollen es 25% der Gebäudeflächen sein (Quelle: McKinsey Impact Assessment von Concular 11/2023).
Standards für zirkuläres Bauen
Mit der DIN SPEC 91484 gibt es Standards für zirkuläres Bauen. Die SPEC Norm beinhaltet Verfahren zur Erfassung von Baumaterialien als Grundlage für Bewertungen des hochwertigen Anschlussnutzungspotenzials von Abbruch- und Renovierungsarbeiten. Die Einführung ist deutschlandweit für 2025 geplant; ebenso soll die Ausweitung auf die EU-Länder im nächsten Jahr stattfinden.
Transparenz über eingebaute Materialien und ihre Zirkularitätswerte für Bestand und Neubau gibt der Digitale Gebäudepass. Nächstes Jahr wird dieser für Objekte mit Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude (QNG) verpflichtend eingeführt.
Als Beispiel für Re-use stellte von Zimmermann Rechnungen gegenüber, die sich bei Abbruch und Entsorgung alter Schieferplatten und dem Kauf neuer für ca. 640 m² Fassadenfläche (54.730 Euro) ergeben im Vergleich zum werterhaltenden Aus- und Wiedereinbau (33.730 Euro).
Concular hat bislang 450 Projekte kreislaufgerecht optimiert. Re-use von Natursteinplatten in der Anwendung Fassadenverkleidung ist ein typisches Beispiel. Problem sei häufig die Lagerfläche für die Platten, die nach dem Ausbau zunächst gereinigt werden müssen. In diesem Fall wurden die Fassadenplatten zu Bodenplatten umgenutzt, die ebenfalls wieder rückbaubar sind. Kunden wird die CO2-Einsparung berechnet und ausgewiesen. „Nach dem Rückbau werden die Teile untersucht, wie diese rechtssicher weiterverwendet werden können“, so von Zimmermann. Bei Brandschutztüren beispielsweise, die sich nach dem Rückbau häufig weiterverwenden lassen, ergebe sich nach der Prüfung meist eine niedrigere Feuerschutzklasse. EI90-Türen werden unter Umständen als EI30-Türen wieder montiert.
Lineare & zirkuläre Geschäftsmodelle
Henri Beranek, Nachhaltigkeitsmanager beim Fassadenbauer Josef Gartner in Gundelfingen, wies darauf hin, dass lineare und zirkuläre Geschäftsmodelle unterschiedliche Erfolgsfaktoren haben und Kreislaufwirtschaft eine „tiefgreifende Transformation“ in den Organisationsstrukturen eines Fassadenbauers brauche. Er versuche schrittweise, nachhaltige Themen, die von ihm zentral aufbereitet werden, dezentral im Unternehmen zu implementieren. „Nachhaltigkeit lässt sich im Fassadenbau nicht im Verständnis einer Projektarbeit erfolgreich umsetzen.“
Als Beispiel für Re-use berichtete Annalena Stetter, bei Gartner seit acht Jahren als Structural Engineer tätig, von der Umnutzung des Commerzbank-Towers in Düsseldorf zum Hotel.
Im Zuge der Sanierung sollte die denkmalgeschützte Bestandsfassade von ca. 4.400 m², die entlang der Fensterbänder mit 652 tiefgezogenen Blechelementen verkleidet war, gereinigt und ertüchtigt werden. Die Wirtschaftlichkeit von Nachhaltigkeit erwies sich als wichtiger Aspekt, vor allem beim Transfer der von Hand gezeichneten Planungsunterlagen in digitale, ebenso wie beim Check, was die alten Materialien noch leisten können. Immerhin beträgt die Gewährleistung auch beim zirkulären Bauen fünf Jahre, wie Beranek unterstrich.
„Die Reinigung der Bleche zielt maximal auf eine ansehnliche Optik; nach 50 Jahren können diese, wenngleich gereinigt, nicht neuwertig aussehen – damit muss der Bauherr leben“, hebt Stetter hervor. Der Wechsel der Öffnungsart von Wendeflügeln zu Parallelausstellfenstern machte den Einsatz neuer Komponenten nötig. Auch um den aktuellen Windlasten gerecht zu werden, die heute andere sind als zur Bauzeit vor 50 Jahren. „Allerdings trägt die Kombination von gebrauchten und neuen Komponenten zu einer Aufwertung bei und ist ratsam“, so Stetter. Die Befestigungstechnik wurde zum Großteil ausgetauscht, 20% der Teile sind wieder verwendet worden.
Glasrecycling
Enormes Potenzial für Recycling bieten die 9 -10 Mio. Altfenster, die jährlich in Deutschland ausgebaut werden; von den ca. 251.000 t Glas sind weniger als 20.000 t für Re-use in Produkten mit Flachglas geeignet. Darüber informierte Prof.-Dr.-Ing. Mascha Baitinger. Die Verwendung von Scherben spart CO2 und senkt den Energieverbrauch bei der Herstellung von Glas um 2 - 3%. Die Mitarbeiterin von Contura Ingenieure in Mainz empfahl für Sanierungen den Einsatz von Vakuumglas, das zunehmend auch in hybriden Kombinationen in den Markt eingeführt wird. Dreifachisolierglas (MIG) ist im Vergleich zu Vakuumglas (VIG) bei ähnlichem Ug-Wert und Lichtdurchlässigkeit ca. vierfach so dick. Daher ist Vakuumglas im hybriden Einsatz eine Möglichkeit, mit den alten Metallrahmen und einem Scheibentausch sehr gute Ug-Werte zu erreichen und auf diese Weise die Fenster energieeffizient zu sanieren. Parallel werden nötige technische Regelwerke für VIG veröffentlicht.
Versicherungsmakler Linus Heitmann aus Olfen riet im Kontext Nachhaltigkeit in Ausschreibungen zu Vorsicht, gesetzliche und vertragliche Haftung zu unterscheiden. § 31 VgV/VOB gesteht öffentlichen Auftraggebern zu, umweltbezogene Aspekte wie die Einhaltung bestimmter Emissionsgrenzwerte zu fordern; nach § 7 VOB/A können über den Preis hinaus umweltbezogene (z.B. Umweltmanagementsysteme) und soziale Aspekte für den Zuschlag berücksichtigt werden. In unserer nächsten Ausgabe wird er ausführen, worauf es versicherungstechnisch bei Mehrparteienverträgen und Planungsleistungen durch Metallbauer ankommt.