Ingenieurpreis Deutscher Stahlbau
05.11.2024 |Den Ingenieurpreis in der Kategorie Hochbau erhielt Dipl.-Ing. (FH) Herwig Bretis von der ArtEngineering GmbH (Schorndorf) für das Projekt „Common Sky“. Im Buffalo AKG Art Museum der Stadt Buffalo (USA) war ein zuvor offener Innenhof neu zu gestalten. Common Sky überspannt den Innenhof des Museums mit einer freitragenden Dachkonstruktion, die durch ihre Form wie durch ihre Funktion besticht.
Ein geschwungenes, schalenförmiges Dach überspannt den Innenhof des Kunstmuseums.
Foto: Jeff Mace
Dr. Jan Schmidt, Vorsitzender des bauforumstahl e.V., übergab den Ingenieurpreis des Deutschen Stahlbaus in der Kategorie Hochbau an Dipl.-Ing. (FH) Herwig Bretis von der ArtEngineering GmbH (Schorndorf) für das Projekt „Common Sky“. Das Buffalo AKG Art Museum im Delaware Park der Stadt Buffalo im Bundesstaat New York zählt zu den herausragenden Ausstellungsorten zeitgenössischer Kunst der USA. Hier war ein zuvor offener Innenhof neu zu gestalten und zu überdachen. Das Studio Other Spaces entwickelte ein dreidimensionales Tragsystem, dessen Struktur von einem einzigen Anker dezentral im Raum gehalten wird. In Absprache mit der Denkmalbehörde wurden horizontale und vertikale Elemente im Entwurf bewusst vermieden.
Dach als Schalenkonstruktion
Das Dach fungiert als Schalenkonstruktion und besteht aus drei tragenden Hauptelementen: einem umlaufenden Ringbalken, einer Gitterkonstruktion aus schlanken Hohlprofilen, die den größten Teil des Daches überspannt, und einem sogenannten Trichter. Der umlaufende Ringbalken ist im Wesentlichen ein Fachwerk, das entlang der Umrisse des Innenhofs verläuft. Er besteht aus Rundrohren und neigt sich stark zur Außenseite hin. Der Fachwerkträger sorgt für die nötige Steifigkeit, um die horizontalen Bogenschubkräfte zu stützen und auszugleichen. Dies war notwendig, weil die vorhandenen Stützen des Galeriegebäudes von 1962 einschließlich ihrer Fundamente den erheblichen Seitenkräften nicht standhalten konnten. Eine Verstärkung der ursprünglichen Konstruktionsteile zur Aufnahme der Schubkräfte aber hätte das Projekt aufgrund des Denkmalschutzes unmöglich gemacht. Vom Außengurt des Fachwerkträgers kragen T-förmig Träger aus, die den Dachumriss um ca. 1 Meter über das vorhandene Flachdach vergrößern.
Die Gitterkonstruktion der Schale besteht aus Stahlhohlprofilen, die in zwei Ebenen (außen und innen) angeordnet und durch vertikale Verbindungen miteinander verbunden sind. Der durchschnittliche Abstand zwischen den beiden Ebenen beträgt 560 mm und bildet das Haupttragwerk des Daches. Die Maschen einer Ebene sind in der Nähe des Fachwerkes und des Trichters dreieckig angeordnet, während die einzelnen Knotenpunkte der Dreiecke dazwischen herausgelöst sind und sechseckige Rahmen bilden. Dadurch wird der Fluss der in der Ebene wirkenden Kräfte unterbrochen, und es entstehen zusätzliche Biege- und Scherkräfte, aber auch ein aufgelöster Knoten mit mehr Möglichkeiten zur Kraftübertragung. Die Verbindung der beiden Schichten durch Glieder erhöht die Integrität und Schlankheit der Struktur erheblich. Die Lastübertragung zwischen den beiden Schalenebenen basiert auf dem Vierendeel-Prinzip, das durch die Steifigkeit der Knoten bestimmt wird.
Dieses Gesamtprinzip der beiden Tragwerksebenen erstreckt sich bis zum Trichter. Dieser ist starr mit dem Fundament verbunden und fungiert als zentrales Aussteifungselement gegen laterale Lasten. Der Fachwerkträger liegt auf 15 Stützen des bestehenden Gebäudes auf und ist in erster Linie für die Übertragung der vertikalen Lasten verantwortlich. Gleitende Kalottenlager stellen sicher, dass nur Horizontalkräfte aus der Lagerreibung in den Bestand eingeleitet werden. Die Dachhaut besteht aus 700 m2 individuellen dreieckigen Isolierglasscheiben, die über Structural Silicone-Verbindung mit den Metallbaueilen verbunden sind. Die sechseckigen Flächen wurden mit gedämmten Sandwichpaneelen mit Edelstahlverkleidung eingedeckt. Die innere Scheibe jedes zweiten Dreiecks ist mit einer Chrombeschichtung bedampft und bildet einen Spiegel, der nach unten reflektiert. In der unteren Tragwerksebene befindet sich in jedem anderen zweiten Dreieck ein Akustikpaneel, dass beidseitig mit einer Spiegelfolie überzogen ist.
Symbol für die Verbindung von Kunst und Technik
Aus der Laudatio von Thorsten Evenkamp, Managing Partner, fronTEK GmbH: Dieses technische Meisterwerk spiegelt nicht nur die Vision einer modernen, integrativen Kunstinstitution wider, sondern setzt auch neue Maßstäbe in der Architektur und Ingenieurkunst. Die technische Umsetzung des Projekts ist ebenso atemberaubend wie die ästhetische Vision dahinter. Common Sky überspannt den Innenhof des Museums mit einer freitragenden Dachkonstruktion, die sowohl durch ihre Form als auch durch ihre Funktion besticht. Die Struktur ist nicht einfach nur ein Schutz vor den Elementen – sie transformiert den Raum und die Art, wie wir ihn erleben. …Die gesamte Stahlstruktur wurde mit größter Präzision entwickelt und gefertigt. In Deutschland gebaut, wurde sie für den Transport nach Buffalo in Segmente zerlegt und vor Ort wieder zusammengesetzt. Dies erforderte höchste Ingenieurskunst und logistische Meisterleistungen, um sicherzustellen, dass jedes Detail perfekt passt. Auch in der Bauphysik wurden innovative Lösungen gefunden, wie etwa die Verwendung von isolierenden Dreiecksglasscheiben und gedämmten Sandwichpaneelen, die sowohl funktional als auch ästhetisch überzeugen. ...Common Sky ist mehr als nur ein Dach – es ist ein Symbol für die Verbindung von Kunst und Technik, das zeigt, wie wir durch kreative Ingenieurskunst die Welt um uns herum verändern können.
Das Stahltragwerk besteht aus Dreiecken und Hexagonen.
Foto: Jeff Mace
Bautafel
Preisträger: Dipl.-Ing. (FH) Herwig Bretis, ArtEngineering GmbH (Schorndorf)
Architektur: Studio Other Spaces GmbH (Berlin)
Stahlbau: Hahner Technik GmbH & Co KG (Petersberg-Böckels)
Bauherr: Buffalo AKG Art Museum (USA)