Diana Gutjahr
Unternehmerin, Politikerin, PräsidentinDiana Gutjahr von der Firma Ernst Fischer in Romanshorn ist eine Frau in vielfältigen beruflichen Rollen: Unternehmerin der Metallbaubranche, SVP-Nationalrätin und Präsidentin des Verbands metal.suisse. Wir haben mit ihr via Videocall über die Lage der Branche in der Schweiz gesprochen, das Interview profitiert von ihren ganz unterschiedlichen Einblicken in den Metallbau.
metallbau: Frau Gutjahr, wie wirkt sich der Ukraine-Krieg auf die metallverarbeitende Industrie in der Schweiz aus, ist es ein Nachteil, weniger stark in die EU eingebunden zu sein, oder ein Vorteil?
Diana Gutjahr: Die Lieferketten waren bereits vorher unter Druck. Nach dem 24.2. kamen Nachrichten unserer Zulieferer hinzu, dass sie Preiserhöhungen und Lieferschwierigkeiten erwarten. Wir sind stark von ausländischen Produzenten abhängig – unabhängig ob wir in der EU sind oder nicht. Da müssen wir in der Schweiz definitiv noch unsere Hausarbeiten machen.
metallbau: Wie schätzen Sie die Folgen der Gasknappheit ein?
Gutjahr: An den Problemen, die derzeit die Abhängigkeit von Gas verursacht, wird sich zeigen, wie belastbar unsere Partnerschaften in Europa sind. Was für uns als Bauunternehmung in Bezug auf die EU von großer Bedeutung ist, ist die Möglichkeit einer freien Geldpolitik in der Schweiz. Im Bau sind wir stark von der Zinsentwicklung abhängig und ich bin überzeugt, dass für uns die freie Entscheidung der SNB (Schweizerische Nationalbank) von Vorteil ist.
metallbau: Stichwort Energie: Welche Formen nutzen Sie im Unternehmen?
Gutjahr: Wir haben unsere Gebäude um 1990 gebaut. Vor ein paar Jahren haben wir dann von Öl auf Gas umgestellt. Bezüglich PV-Anlage überprüfen wir aktuell die Machbarkeit auf unseren Werksdächern.
metallbau: Und die Fahrzeuge fahren mit Strom?
Gutjahr: Nein, da unsere Fahrzeuge in der ganzen Schweiz unterwegs sind und unregelmäßig nach Romanshorn zurückkehren, setzen wir bisher keine E-Antriebe ein. Stattdessen beobachten wir, wie sich Wasserstoff-Technologien entwickeln.
metallbau: Was haben Sie im Betrieb geändert, um Energie zu sparen?
Gutjahr: Ein Mitarbeiter untersucht täglich den Betrieb auf Stromfresser. Wir haben längst LED-Beleuchtung, damit sinken unsere Energiekosten beachtlich. Zudem investieren wir in energieeffiziente Maschinen und überarbeiten unsere Arbeitsabläufe.
metallbau: Wie haben sich seit Pandemiebeginn die Lieferzeiten verändert?
Gutjahr: Unsere Prozesse sind verzahnt mit dem Stahlhandel, der mit Lager und Anarbeitungskapazitäten als verlängerte Werkbank funktioniert. Stichworte sind Lean-Production und Just- in-time-Fertigung. Dadurch ist die Zusammenarbeit immer enger geworden. Wir hatten keine Lieferausfälle und konnten transparent Mehrkosten kommunizieren.
metallbau: Und wie stellt sich die Situation der Zulieferer dar für Stahl, Alu, Schrauben, ...?
Gutjahr: Unsere Zulieferer ächzten vor Kurzem noch unter den gestiegenen Einstandspreisen, was eine hohe Liquidität von ihnen fordert. Ebenso schwierig war, dass die Preise der Werke erst bei Auslieferung bekannt gegeben wurden. Die Unsicherheit ist Gift für die Märkte. Ein weiteres Problem sind fehlende Transportkapazitäten in Europa. Hinzu gekommen ist das Problem der Lagerabwertungen aufgrund der niedrigen Preise. Die Sanktionen gegenüber Belarus und Russland, vor allem die striktere Umsetzung in der Schweiz, hat uns Mühe gemacht. Schwierig ist es für die Unternehmen mit Standorten in der Ukraine. Hier beschäftigt das Schicksal von Freunden und Bekannten.
metallbau: Spüren Sie beim Transport und in der Logistik Auswirkungen des Kriegs?
Gutjahr: Innerhalb der Schweiz spüren wir das in der Logistik nicht, wir haben einen eigenen Fuhrpark, das macht uns unabhängig. Das gilt ebenso bei den Zulieferern. Schwierig ist, die Ware ins Land zu bekommen. Wir standen in der kritischsten Phase über den Verband mit der SBB Cargo in Kontakt, um Waren in die Schweiz zu bringen.
metallbau: Sie haben in einem Interview angemerkt, dass in der Schweiz Holz staatlich gefördert wird. Was tun Sie, dass Förderungen auch in Ihrer Branche ankommen?
Gutjahr: Als Stahlbauerin und Nationalrätin ist es mir am wichtigsten, die Vorzüge unserer Materialien zu betonen. Wenn wir über Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit diskutieren, haben wir viele Vorteile. Die Schweiz ist aber ein Holzland mit einer starken Lobby. Es gibt zahlreiche Töpfe, aus denen diese Branche alimentiert wird. Über das Waldgesetz erhält der Holzbau nicht nur Förderungen. Das Gesetz führt zur Bevorzugung des Holzbaus gegenüber anderen Bauarten. In der Schweiz geht es nicht um nachhaltiges Bauen, sondern um nachhaltigen Holzbau. Dabei kommen rund 70% der verwendeten Hölzer aus dem Ausland. Das grün gefärbte Bild in der Öffentlichkeit wollen wir korrigieren.
metallbau: Waren Stahlwerke während der Corona-Krise geschlossen so wie einige Werke bei uns in Deutschland?
Gutjahr: Wir haben in der Schweiz zwei Stahlwerke. Stahl Gerlafingen, das vor allem für die Bauindustrie produziert, war kurz für wenige Tage geschlossen, aber nicht so lange wie die im Ausland. Die Zusammenarbeit ist eng und gut. Entsprechend hat Stahl Gerlafingen einen Teil des Lieferausfalls durch eine Reduktion der Exporte aufgefangen.
metallbau: Es ist zu hören, dass aller Stahl in der Schweiz grün ist, da er recycelt wird. Stimmt diese 100%-Quote?
Gutjahr: Ja, das ist mir ein großes Anliegen: Wir bauen mit sekundären Baumaterialien und wollen unsere Kreisläufe vor Ort schließen. Da haben wir in der Schweiz große Vorteile. Wir haben zwei Stahlwerke, die ausschließlich Recyclingstahl produzieren. Dazu nutzen wir erneuerbare Energien aus der Wasserkraft. Beim Abbruch erreichen wir nahezu die 100% abzüglich eines kleinen Verlustes. Das System funktioniert ausgezeichnet. Leider weiß das in der Schweizer Politik kaum jemand.
metallbau: Sind die Schweizer Hochöfen zertifiziert, nach welchen Standards und ist das vergleichbar mit der Zertifizierung etwa in Eisenhüttenstadt?
Gutjahr: Die Stahlproduktion in der Schweiz im Elektrolichtbogenofen unterscheidet sich nicht von der in Deutschland. Die Ökologie wird beispielsweise genauso über die EPD nachgewiesen. Die Qualitäten des Stahls sind nach den gleichen Methoden bestimmt. Die Normierung ist bei unseren Materialien identisch zur EU.
metallbau: Sie sagen, die Schweiz soll Metalle zurück in die Schweiz holen, wie hoch ist denn die Importquote?
Gutjahr: Die Importquote unterscheidet sich stark, je nach Material und Produkt. Im Bewehrungsstahl ist sie am niedrigsten, bei Quartoblechen am höchsten. Aluminium kommt fast alles aus dem Ausland. Beim Kupfer sind es 100% Importe. Das müssen wir im Blick behalten. Seit die Lieferketten durcheinandergekommen sind, fragen wir uns, wie wir die Wertstoffkreisläufe resilienter gestalten können. Das haben wir nur bei einer inländischen Produktion im Griff. Und wenn wir über Dekarbonisierung reden, dann geht es darum, möglichst vor Ort zu produzieren.
metallbau: Sie äußern sich weiter, dass Netzzuschläge und Mehrfachbesteuerungen dann fallen müssten, um was geht es da genau?
Gutjahr: Die Unternehmen müssen beim Strombezug einen Netzzuschlag zahlen. Bereits heute sind die Energiekosten in der Schweiz für Recyclingbetriebe als energieintensive Unternehmen immens. Die Kosten sind deutlich höher als im Ausland. Nun sollen diese noch einmal steigen, um die Energiewende zu finanzieren. Diese Entwicklung sehe ich kritisch, denn sie verschlechtert den Standort für ein Produkt, das international gehandelt wird. Einen Zollschutz gibt es für Stahl in der Schweiz nicht. Zum Schluss erhöhen solche Kosten den Materialpreis, der bis zum Endverbraucher durchgereicht wird. Im schlimmsten Fall wird das auf längere Frist zum Abwandern unserer Produzenten führen und der Endverbraucher zahlt dann über die Materialkosten nur noch auf die Energiewende im Ausland ein. Das stelle ich mir anders vor. Erlauben Sie mir noch den Hinweis: Wir kennen in der Schweiz auch keine Entschädigungen, etwa für den Fall, dass der Strom aufgrund von Mangelsituationen abgestellt werden muss. Das Ausland entschädigt hier sehr wohl.
metallbau: In Deutschland hat der VFF ausgerechnet, dass Zinsen und Baupreise derart gestiegen sind, dass für ein Einfamilienhaus heute doppelt so lange getilgt werden muss wie vor der Pandemie – wie ist diese Situation in der Schweiz?
Gutjahr: Die genauen Zahlen liegen mir für die Schweiz nicht vor. Wir haben aktuell zwei Entwicklungen, die auf das Problem einzahlen: Die Zinsen werden noch weitersteigen. Grundsätzlich ist das richtig und wichtig. Die Situation mit den Negativzinsen in der Schweiz war für Unternehmen und Sparer sehr schwierig. Im Bausektor verteuert das aber die Kredite und könnte die Baukonjunktur abwürgen. Das bereitet Sorge. Wir haben zudem eine Verteuerung der Baukosten in den zurückliegenden Monaten und wir rechnen mit deutlich höheren Materialpreisen für alle Güter. Die Transporte werden sich massiv verteuern, Energie wird sich weiter verteuern und alle Materialhersteller werden Investitionen stemmen müssen, um die Dekarbonisierung ihrer Produkte zu erreichen. Beim Stahl kommt noch hinzu, dass Schrott weltweit wichtiger wird, was in Europa die Preise des für uns wichtigen Vormaterials steigen lassen wird.
metallbau: Für Deutschland wird prognostiziert, dass Ende 2023 die Neubau-Quote zurückgehen wird. Stattdessen werden Sanierungen Fahrt aufnehmen, auch dank staatlicher Förderungen. Wie ist diese Situation in der Schweiz, wie sehen die Preissteigerungen am Bau aus und wie werden sich da Neubau und Altbausanierungen entwickeln?
Gutjahr: Momentan werden Projekte zurückgestellt. Diese kommen aber noch auf die Märkte. Die Auftragseingänge verharren auf hohem Niveau. Wir sehen ein Anziehen der Sanierungsquoten auf Kosten des Neubaus. Unser neues Umweltgesetz begünstigt diese Entwicklung. Das Geld wird in Dämmungen und Heizungsanlagen fließen. Die Preise in der Schweiz bewegen sich im Einklang zu Deutschland. Wichtiger als das Preisniveau ist aber die Frage, wer die Preissteigerungen übernimmt. Nur die Unternehmen, die die Mehrkosten weitergeben können, können sich positive Margen sichern.
metallbau: Ein Facharbeiter im Metallbereich verdient in der Schweiz ca. 60.000 Euro pro Jahr. Hat diese Lohnhöhe Auswirkungen auf den Fachkräftemangel oder federt das im Vergleich zu Deutschland hohe Niveau den Mangel sogar ab?
Gutjahr: Die Lohnhöhe richtet sich nach dem Schweizer Arbeitsmarkt. Aus deutscher Sicht mag das viel klingen, bei uns in der Schweiz ist das aber kein hoher Lohn. Die Löhne werden in unserer Branche zum Großteil durch einen Gesamtarbeitsvertrag vorgegeben, den die Arbeitgeberseite mit der Arbeitnehmerseite ausgehandelt hat. Also knapp gesagt: Leider nein. Das federt den Fachkräftemangel in keiner Weise ab und wir leiden ebenfalls darunter.
metallbau: In der Schweiz arbeiten zehn Prozent Schweizer auf Baustellen, sind Berufe, die laut und schmutzig sind, eher Berufe für Menschen mit Migration?
Gutjahr: Der Anteil von Mitarbeitern mit Migrationshintergrund ist relativ hoch. Aber man darf nicht vergessen, dass die Schweiz ein ausgesprochenes Einwanderungsland ist und war. So ist unter Krankenhausärzten oder in der Pharmaforschung diese Quote extrem hoch. Ich glaube, dass es um den Stellenwert der handwerklichen Arbeit geht. In unserem Umfeld gibt es viele spannende Berufe. Leider beeinflussen die Eltern ihre Kinder eher, auf eine akademische Ausbildung zu setzen. Wir adressieren das und versuchen den jungen Menschen unser Material, unsere Art zu bauen und zu arbeiten näher zu bringen.
metallbau: Wie wird der Metallbau 4.0. in der Schweiz gefördert, gibt es Hilfen, wenn ja, wie sehen diese aus?
Gutjahr: Es gibt diese Förderungen. Zum einen hat der Bund 10 Mio CHF im Rahmen der Digitalstrategie als Forschungs- und Fördergelder versprochen. Die Kantone haben zum Teil auch Programme. Daneben gibt es die Instrumente der Technologieförderung, die auch für BIM-Projekte zur Verfügung stehen. Es braucht aber dabei immer unternehmerisches Engagement. Und ich habe leider das Gefühl, dass hier häufig eine andere Bauweise zum Zuge kommt als der Stahl- oder Metallbau.
metallbau: Wer sind nach Ihrer Meinung die Gewinner und wer die Verlierer der beiden Krisen?
Gutjahr: Aus meiner Sicht gibt es keine wirklichen Gewinner dieser beiden Krisen, vielleicht mit Ausnahme der Pharmaindustrie und der Ausstatter von Heimarbeitsplätzen. Wir haben viel Tempo bei wichtigen Themen verloren. Wir haben aber einiges über die Art, wie wir arbeiten, gelernt. Flexiblere Arbeitsmöglichkeiten sind gut möglich. Wir haben auch krisensichere Ausbildungen wieder mehr schätzen gelernt. Außerdem haben wir gemerkt, dass wir uns in der Beschaffung mehr anstrengen müssen, resiliente Lösungen aufzubauen, und zwar über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg.
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