Ernst Fischer AG
Der Stahlbau ist das Herz des BetriebsObwohl die Ernst Fischer AG aus der Schweiz auch den filigraneren Metallbau betreibt, ist der robustere Stahlbau mit bis zu 70 Prozent das wichtigste Standbein des Unternehmens aus dem Thurgau. Es ist das Herzstück. Dabei hat der Familienbetrieb mit den Themen der Zeit zu kämpfen: Der Fachkräftemangel sowie gestiegene Energie- und Materialkosten belasten die Firma mit ihren 80 Beschäftigten.
Wie man als Metallbauer mit aktuellen Widrigkeiten umgeht, zeigen die Gutjahrs, die den Betrieb als Dreigestirn leiten. Mit der jüngsten Vertreterin, der Tochter des langjährigen Chefs, Diana Gutjahr, haben wir uns zu einem Gespräch verabredet. Die 38-jährige Betriebsökonomin (FH) kennt das Unternehmen ihres Vaters Roland Gutjahr (74) seit mehr als 20 Jahren. Nach der Lehre im elterlichen Betrieb im Jahr 2000 kehrt Diana Gutjahr 2008 ins Unternehmen zurück. Zwischenzeitlich studierte sie in St. Gallen. Im Gepäck hat sie ihren späteren Ehemann Severin Preisig (40). Der damals noch als Unternehmensberater tätig ist und ursprünglich im Bankfach gelernt hat.
Weil Vater, Tochter und Schwiegersohn in spe immer wieder über das Unternehmen diskutieren, kommt Severin schließlich mit an Bord. Nimmt sogar den Familiennamen an und leitet heute als operativer Chef den Betrieb. „In anderen Firmen wäre er der CEO“, sagt seine Frau Diana. Nicht so bei der Ernst Fischer AG, die vollständig im Familienbesitz ist und bleiben soll. Alle drei Gutjahrs bezeichnen sich stattdessen als „Mitinhaber“, weil wohl intern nach wie vor vieles gemeinsam diskutiert und entschieden wird, so die junge Chefin, die sich vor allem um Personal, Finanzen und Controlling kümmert.
Dabei wollte der Vater die Firma schon einmal verkaufen. „Das muss gewesen sein, als ich in der Ausbildung war“, erinnert sich Gutjahr. Sie habe ihm wohl gesagt, dass sie später den Betrieb übernehmen wolle. Zwar nahm Roland Gutjahr, der auch als Arbeitgeber-Präsident der Region fungierte, die Worte der jungen Tochter damals nicht für bare Münze – doch die Verkaufsgespräche stellte er ein. Eine Perspektive war nun gegeben.
Ist die 111 Jahre alte Firma also im 21. Jahrhundert angekommen? Branchenkenner sagen: Mehr als das. Die Ernst Fischer AG spielt schon wegen ihrer Betriebsgröße im vorderen Drittel der Schweizer Stahl- und Metallbauszene mit. Großprojekte wie das Fußballstadion in St. Gallen, eröffnet 2008, oder die neue Eishalle der Zürcher Löwen gehören zu den Referenzen des Unternehmens. Das „St. Galler Tagblatt“ berichtet aufgeregt von den Montagearbeiten, für die ein 1.000-Tonnen-Kran anrollen musste. Der größte Kran der Schweiz misst ausgefahren 222 Meter. Als „roter Riese“ liftete er die neun 30 Meter langen Fischer-Doppel-Stahlträger, die zusammen 1.200 Tonnen wiegen, einzeln an ihren Bestimmungsort. Ein Schauspiel der besonderen Art.
Doch wer Diana Gutjahr auf vermeintliche Prestigeprojekte anspricht, erntet Kopfschütteln. Sie sind es nicht, was den Stahl- und Metallbauer ausmacht, sagt Gutjahr, die im Nebenberuf als Miliz-Politikerin für die nationalkonservative Schweizer Volkspartei (SVP) im Nationalrat sitzt, als Präsidentin dem Verband metal.suisse vorsteht und im Vorstand des Schweizerischen Gewerbeverbandes mitwirkt. Vielmehr sorgt der Betrieb seit Jahren dafür, dass das Netz an Tankstellen und Autowaschstraßen in der Schweiz dicht ist. Auch im benachbarten Ausland finden sich diese Bauten.
Krisenfestes Betriebsmanagement
Im aktuellen Geschäftsjahr dominieren Industriebauten das Geschehen in der Werkshalle in Romanshorn, dem Firmensitz der Ernst Fischer AG. Denn mit der Ansiedlung der Forster-Gruppe am Ort sucht der Profil-Hersteller einen Stahlbauer, der ihm eine neue Fertigungshalle errichtet. Den Zuschlag erhält die Ernst Fischer AG. Romanshorn liegt direkt am Bodenseeufer, und wer mit der Fähre ankommt, passiert die Hafenanlage – auch die hat Ernst Fischer gebaut. Wie auch das Stahlkorsett eines Freefall Towers im 40 Kilometer entfernten Freizeitpark Connyland. Das Spektrum des Stahl- und Metallbauers ist also breit. Gutjahr betont, dass genau diese Auffächerung des Angebots der Grund sei, wieso das Unternehmen nie in ernsthafte, wirtschaftliche Schwierigkeiten geschliddert ist. In den vergangenen 50 Jahren war nie Kurzarbeit angesagt. Doch der Ukrainekrieg und die damit einhergehenden Preissteigerungen für Energie und Material treibt den Inhabern der Ernst Fischer AG Sorgenfalten vor den Lobus frontalis.
Und weil dieser Frontallappen des Gehirns unsere Bewegungen steuert und kontrolliert, passt das Bild vom Gegensteuern. Bei den Energiekosten hat das Unternehmen Glück – oder hat zur richtigen Zeit die richtigen Verträge unterschrieben. Sie bezieht Gas und Strom über die Grundversorgung, die aktuell zwar auch teurer, aber längst nicht so teuer ist, wie andere Energietarife. Bei den Materialkosten sieht die Situation anders aus. „Auch wir kannten derartige Preissprünge nicht“, so Gutjahr. Weshalb die Unternehmerin mit Kunden jüngst nachverhandeln musste. Teils waren diese bereit, Aufpreise zu akzeptieren, die auf gestiegenen Materialkosten beruhen. Doch eben nicht alle. „Mancher verwies auf das begrenzte Budget und den vereinbarten Preis“, so Gutjahr. Heute seien Offerten daher deutlich kurzfristiger angelegt. Oder mit Preisgleitklauseln versehen, etwa, wenn es um Angebote geht, die erst im kommenden Jahr zur Ausführung kommen sollen.
12,5 % Azubiquote
Auch die Lagerwirtschaft hat die Unternehmerfamilie verändert. Um Preise stabil zu halten, werden Stahl-Chargen frühzeitig bestellt und teilweise in offener Abrechnung mit dem Kunden vereinbart – auch und gerade, wenn diese erst im kommenden Jahr bauen wollen. „Die Ware liegt beim Großhändler, unsere Kunden können sie sich jederzeit anschauen“, verdeutlicht Gutjahr die aktuelle Maßnahme.
Überhaupt spornt die Unternehmerin die Ungewissheit der Zukunft an. Stichwort Fachkräftemangel. Gegenwärtig bildet die Ernst Fischer AG rund zehn Metallbaukonstrukteure EFZ, Metallbauer EZF und Metallbaupraktiker EBA aus. Darunter zwei junge Frauen. Zwar will Gutjahr von einer Frauenquote nichts wissen, doch liegt der Nationalrätin am Herzen, dass Betriebe nicht nur fordern, sondern selbst aktiv werden. Mit einer Azubiquote von rund 12,5 Prozent dürfte das Unternehmen über dem Branchendurchschnitt liegen. Aus gutem Grund. „Wir brauchen in Zukunft Fachkräfte, deshalb bilden wir über Bedarf aus“, betont Gutjahr. Zumal alle Azubis im gewerblichen Bereich eingesetzt sind und somit eine glänzende Zukunft vor sich haben dürften. Es wird deutlich: Gutjahrs denken ganzheitlich.
Das sieht auch, wer die Fertigung des Unternehmens betritt. Die Produktion ist zweigeschossig aufgeteilt. Im EG findet der schwere Stahlbau statt, im UG ist der Metallbau angesiedelt. Alle Maschinen sind vernetzt. Dabei sind alle Projekte im Vorfeld als zwei- und dreidimensionale Ansichten modelliert. Die Zeiterfassung läuft per ERP-System. Somit besteht täglich Klarheit über jedes Projekt, dessen Stand laufend den verantwortlichen Mitarbeitern übermittelt wird. Transparenz steht an erster Stelle.
Zu diesem Verständnis passt, dass die Ernst Fischer AG am liebsten umfassende Projekte gewinnt. „Für uns ist es ideal, wenn wir neben dem Stahlbau auch die Fenster, Türen, das Dach und die Fassade liefern können“, sagt Gutjahr. Zumal der Bereich Service als Wartungsangebot von immer mehr Kunden nachgefragt werde und das Unternehmen so den kompletten Lebenszyklus eines Gebäudes betreuen kann. Einschließlich Rückbau und Recycling. Ein Branchenmix, der sich seit 50 Jahren bewährt. Damals trat Seniorchef Roland Gutjahr ins Unternehmen ein, das er seit 1984 als Geschäftsführer leitet. Gegründet wurde der ehemalige Schlosserbetrieb übrigens 1911, die Aktiengesellschaft besteht seit 1961. Und seit zwölf Jahren gehört der Familienbetrieb in Gänze der Familie Gutjahr.
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