Ein Statement zur Zeitenwende
von Thomas Wurst (Teil III)Wurst Stahlbau beschäftigt in Bersenbrück ca. 250 Mitarbeiter, der Betrieb wird von den drei Brüdern Thomas, Christian und Michael Wurst geführt. Diese verbinden mit der Ausrichtung an der ökologisch-sozialen Marktwirtschaft den Abschied von vier traditionellen Glaubenssätzen. Im Teil II (metallbau 10/2022) hat der Unternehmer die inhaltliche Korrektur der Wirtschaftsparameter Gewinnmaximierung und Stückkostendegression erläutert.
3. Glaubenssatz: Um (Lager-)Kosten zu sparen, wurde bisher direkt ans Band geliefert – doch „Just in time“ ist in Zeiten von Strafzinsen und der aktuellen Lieferprobleme keine Option. Das Geld ist momentan besser in volle Lager investiert, da die Lieferketten reißen. Ebenso galt bis zur Pandemie, dass nicht mehr produziert werden sollte, als der Markt fordert. Die Lagerhaltung war auf ein Minimum heruntergefahren. Bei Stahlbau Wurst in Bersenbrück ist man wieder zur „Vorratshaltung“ übergegangen.
4. Glaubenssatz: Die alte Kaufmanns-Regel „Im Einkauf liegt der Gewinn“ hat in Zeiten der Überproduktion ausgedient. Denn viel „billig“ produzieren, verkaufen und einkaufen ist Teil der Niedrigpreis-Spirale und fördert Überkapazitäten – eine endlose Spirale... Nicht „billige“ Produktion, sondern wirtschaftliche und effiziente Wertschöpfungsketten bringen letztendlich den „Gewinn.“ Alle profitieren von fairen Preisen, Produktionsbedingungen, Recycelbarkeit und Schaffung eines gesellschaftlichen Mehrwerts. Denn: Wird Wachstum aus dem Einkauf – sprich (zu) niedrigen Einstandspreisen generiert, wird Verkaufskompetenz durch Einkaufskompetenz kompensiert. Schade, denn die Kunden wären vielleicht bereit, für innovative Features mehr zu bezahlen – zum Beispiel für intelligente Bauten, die sich veränderten Nutzungsgegebenheiten anpassen. Es braucht nachhaltige Konzepte – von der Zweit- zur Drittnutzung bis zur klimaneutralen Entsorgung. Thomas Wurst fragt sich, ob es möglich ist, Baumaterial in Raten zu verleasen und in 50 Jahren wieder zurücknehmen, um hohe Rohstoff/Energie-Preise und CO2 zu kompensieren. Nicht mehr das günstigste Angebot zählt, sondern das nachhaltigste, intelligenteste, bessere ... werthaltiger. Produktions-Unternehmen geht es damit wortwörtlich an die Substanz – weniger ist mehr, heißt heute die Devise.
Alternativen lassen sich aus der aktuellen Nachhaltigkeitsforschung und in der Corporate Social Responsibility (CSR-) Forschung entwickeln. Insbesondere durch die CSR-Forschung erhält die Ethik und insbesondere die Wirtschaftsethik mehr Bedeutung. Ein Ergebnis dieser Forschungen ist, dass die ökonomische Nachhaltigkeit dann hergestellt wird, wenn Unternehmen keinen Gewinn erzielen. Dieses Ergebnis ist für viele Ökonomen nicht nachvollzieh- bzw. nicht durchsetzbar. Es muss daher diskutiert werden und lässt die Frage entstehen, ob es Alternativen zur intensiven Gewinnmaximierung gibt, die die Durchsetzung der Gewinnmaximierung über den „Break-even-point“ hinaus verhindern.
Im Umfeld der unvollkommenen Konkurrenz bzw. dem funktionsfähigen Wettbewerb ist die Gewinnmaximierung keine akzeptable Strategie; alle anderen Werte, auch moralische Rechte anderer werden ungeprüft dem Gewinnziel untergeordnet. Im Falle steigender und konstanter Preise kann die Gewinnmaximierung theoretisch bis ins Unendliche fortgeführt werden. Lediglich bei sinkenden Preisen führt die Gewinnmaximierung analog der vollkommenen Konkurrenz zum „Break-even-point“, in dem ein Unternehmen gerade kostendeckend operiert. Es macht weder Gewinn noch Verlust.
Es wird klar, warum sich Unternehmen in der Praxis vehement für Preiserhöhungen und Lohnsenkungen bzw. unter dem Niveau der Preiserhöhung liegenden Lohnerhöhungen einsetzen. Diese Maßnahmenkombination ist die optimale Möglichkeit der Gewinnmaximierung. Konsequenzen der Gewinnmaximierung sind neben steigenden Preisen und unproportional steigenden (also sinkenden) Löhnen aus dem Markt ausscheidende Unternehmen, Kapitalkonzentration, Arbeitsplatzverlust, steigende private und staatliche Verschuldung, Verarmung etc. Mit anderen Worten: Es entsteht für viele Menschen eine menschenunwürdige Situation. Diese Situation kann auch nicht durch Sparen gelöst werden, wie es die aktuelle Politik vorschlägt und durchsetzen will. Die einzig gangbare Lösung ist die Verwirklichung von ökonomischen Gleichgewichten; diese können als ökonomische Nachhaltigkeit verstanden werden.
In Konsequenz müssen wir uns fragen: Zielen wir auf die Schwarze Null als nachhaltige Geschäftsbilanz? Für Wurst Stahlbau eine Option. Weitermachen wie bisher — ist keine.