Hans Seel, Schüco Vertriebsleiter
„Wir sind der Fels in der Brandung!“Auf der BAU in München haben wir mit Hans Seel über die Lage der Betriebe des konstruktiven Metall-/Fassadenbaus gesprochen. Der Leiter Vertrieb Systemgeschäft Metallbau Deutschland führt ein Team von ca. 260 Mitarbeitern im Innen- und Außendienst, darunter auch ca. 70 Architektenberater.
metallbau: Wie hat sich der Vertrieb in den vergangenen Jahren verändert?
Hans Seel: Wir sind sehr aktiv im Vorverkauf, das heißt, in der Architektenberatung tätig, und bieten Architekturbüros den Service, Leistungsverzeichnisse für das Gewerk Metallbau vollständig zu erstellen. Damit unterstützen wir intensiv die Arbeit der Architekten, die diverse Gewerke zu planen haben. Für unsere Metallbaupartner wird dadurch die Leistungsbeschreibung für eine Angebotslegung optimiert.
metallbau: Die Sachverständige Frau Dr.-Ing. Barbara Sie-bert hat kürzlich in einem Interview (12/2024) moniert, dass manches Gutachten bei ihr angefragt wird, weil Architektenberater das Leistungsverzeichnis fehlerhaft erstellt haben und der verantwortliche Architekt die Fachplanung offensichtlich nicht inhaltlich, sondern nur formaliter prüfen konnte.
Seel: Da unsere Architektenberater unsere Produkte genauer kennen als die Architekten, werden durch unsere Beratungen und Unterstützungen bei der LV-Erstellung mögliche Fehlerquellen reduziert. Üblicherweise hat der Architekt eine Prüfpflicht, was unsere Zuarbeiten anbelangt.
metallbau: Nun zu einem anderen Thema: Wird die digitale, mobile Visualisierung mit AR- und VR-Brillen im Vertrieb genutzt?
Seel: Nein, diese Brillen haben sich bislang nicht durchgesetzt. Die Entscheider und Kunden besuchen nach wie vor gerne einen Showroom. Wir haben deutschlandweit sieben Standorte für Schüco-Showrooms und zudem haben viele Metall-/Fassadenbauer einen eigenen Showroom, um unsere Lösungen zu präsentieren.
metallbau: Wie stellt sich die konjunkturelle Situation der Branche für Sie dar?
Seel: Die Lage im Metallbau wird aktuell vor allem von zwei Faktoren geprägt: Zum einen vom Fachkräftemangel, der sich gerade bei uns im Handwerk massiv niederschlägt, und zum anderen von der politischen Unsicherheit. Wir kennen viele Partnerbetriebe, die aufgrund des Fachkräftemangels deutlich weniger leisten, als mit ihren Kapazitäten und ihrer Auftragslage möglich wäre. Der Bauwirtschaft fehlen Impulse aus der Politik zu den Themen Nachhaltigkeit und Sanierung. Zuletzt wurde eine Sanierungsrate von 0,7 Prozent ermittelt, wir brauchen aber 3 Prozent, um die gesetzten Klimaziele zu erreichen.
metallbau: Wie stemmt sich Schüco mit seinen Systempartnern gegen den Fachkräftemangel?
Seel: Wir haben im vergangenen Jahr die Kampagne Metallbau[t] Zukunft gestartet mit dem klaren Ziel, das Image unserer Branche zu verbessern. Dabei sind wir eng mit der Bundesagentur für Arbeit verzahnt, ebenso mit dem Bundesverband Metall.
metallbau: Um was geht es bei der Kampagne?
Seel: Große Teile der Gesellschaft haben ein veraltetes Bild vom Metall- und Fassadenbau. Mit der Kampagne zeigen wir, wie modern die Branche ist. Ein hoher Digitalisierungsgrad und der Einsatz von CNC-Maschinen machen den Einstieg gerade für junge Leute sehr attraktiv.
metallbau: … und von der rückläufigen Auftragslage merken Sie nicht viel?
Seel: Natürlich bemerken wir einen Rückgang der Projekte, vor allem werden Entscheidungen immer länger hinausgezögert. Abläufe werden immer wieder gestoppt, sodass es zu Bauverzögerungen von über einem halben Jahr kommt. Den Metallbau als Ausbaugewerk trifft diese Entwicklung entscheidend. Im Vergleich zur Auftragslage stellen die Verzögerungen bei der Projektlaufzeit die größere Herausforderung dar. Wir kennen Systempartner mit vollen Auftragsbüchern, die dennoch Kurzarbeit fahren müssen.
metallbau: … dann ist doch Liquidität das nächste Problem.
Seel: Ja, wir müssen davon ausgehen, dass die Insolvenzen unter den Metall-/Fassadenbauern in diesem Jahr zunehmen, nicht unbedingt wegen der Auftragslage, sondern wegen der Bauverzögerungen.
metallbau: Im September 2024 haben Sie den Rückgang des Absatzes für das Marktsegment Alusystemprofile innerhalb eines Jahres auf ca. sechs Prozent geschätzt, wie beurteilen Sie die Lage drei Monate später?
Seel: Was den Absatz betrifft, ist es Schüco gelungen, das Jahr auskömmlich abzuschließen. Wir sind besser als der Markt. Für den Markt 2025 gehen wir von einem weiteren Rückgang aus. Ich glaube nicht, dass es nochmal 6 Prozent weniger sein werden – vielleicht 4 Prozent oder weniger; es bleibt abzuwarten, inwiefern sich nach der Bundestagswahl eine neue Richtung für die Bauwirtschaft abzeichnet.
metallbau: Was sagen Sie zu den Verkäufen von Hueck an Wicona, Gutmann an Corialis, Orgadata an Forterro oder Picos an heroal?
Seel: Wir beobachten die Unruhe, die durch Fusionen bei Marktteilnehmern entsteht. Schüco ist der Fels in der Brandung! Als deutsches Familienunternehmen sind wir ein Anker für die Branche. Unsere Partner wissen dies zu schätzen. Wir bleiben ein verlässlicher Partner, mit dem es möglich ist, planbare Entscheidungen zu treffen.
metallbau: Branchenkenner schätzen, dass Schüco einen Marktanteil zwischen 60 und 70 Prozent hat; würden Sie das bestätigen?
Seel: Ich denke, es ist verständlich, dass ich keine Zahlen nenne. Aber hier auf der BAU lässt sich an unserem Messestand erkennen, dass wir uns als Innovationsführer und Markttreiber verstehen. Wir präsentieren unseren Gästen mit „Schüco Value Up“ nachhaltige Lösungen in Produkten und Services für das Megathema Bauen im Bestand.
metallbau: Der Sanierungsmarkt kommt nicht wirklich in Fahrt, wie bewerten Sie die Stagnation des Marktsegments?
Seel: Es gibt den European Green Deal und Deutschland möchte 2045 klimaneutral sein. Das Ziel lässt sich nur erreichen, wenn die energetische Sanierung von Gebäudehüllen eine gewisse Quote erreicht. Konkret wird eine Sanierungsquote von mindestens 2 Prozent benötigt, besser 3 Prozent. Zum Halbjahr 2024 betrug diese jedoch 0,7 Prozent – eine aktuellere Zahl gibt es noch nicht. Das reicht bei Weitem nicht.
metallbau: Was tut Schüco für eine höhere Sanierungsquote?
Seel: Mit unserem Messemotto „Value Up“ haben wir hier auf der BAU die Sanierung der Gebäudehülle, aber auch die Werterhaltung und Wertoptimierung von Bestandsgebäuden in den Mittelpunkt gerückt. Es fehlen leider nach wie vor die Impulse der Politik. Unsere überbordende Bürokratie verhindert schnelle Entscheidungen. Es fehlen Anreizsysteme für Investoren. Die angestrebte Sanierungsquote kann nur erreicht werden, wenn wir schneller bauen und die Abläufe vereinfacht werden.
metallbau: Bietet Schüco Metallbauern Unterstützung, die sich auf den Neubau spezialisiert haben und sich nun auf Sanierungsabläufe einstellen müssen?
Seel: Wir haben ein Konzept entwickelt, das die Bauherren und die Baubeteiligten rund um das Gewerk Metallbau/Fassade unterstützt. Die Sanierungsprodukte für Fenster und Fassade, die wir auf der Messe vorstellen, lassen sich sehr verarbeiterfreundlich, das heißt wirtschaftlich, umsetzen. Das Portfolio reicht von Ertüchtigung bis zur Kernsanierung. Weiter bieten wir Services wie Vermessungen via Drohnenflüge oder eine erste energetische Bewertung der Gebäudehülle im Bestand.
metallbau: Sanierungsarbeiten bescheren ab und an Überraschungen – beispielsweise weiß man nicht so genau, was sich hinter den Wänden verbirgt …
Seel: Wir begleiten Sanierungsprojekte von der Analyse über die Planung bis hin zur Umsetzung und Wartung. Wir haben die Voraussetzungen für Bauherren wie Metallbauer geschaffen, damit Sanierungsobjekte wirtschaftlich und mit Qualität umgesetzt werden können. Für unsere Partnerbetriebe im Metallbau bieten wir auch gesonderte Rechtsseminare über unsere Schüco Academy an. Um die Baubeteiligten bestmöglich zu unterstützen, haben wir zusätzliche Kapazitäten in der Beratung aufgebaut.
metallbau: Welche der peripheren Produktsparten wie Lüftungstechnik oder Sonnenschutz erzeugen aktuell am meisten Synergien?
Seel: In erster Linie profitieren wir im Bereich Lüftung, auch weil sich mit diesen Produkten Chancen für eine Förderung der Baumaßnahme verknüpfen. Beim Sonnenschutz sind wir auf hochwertige Produkte spezialisiert, die höheren Windstärken standhalten. Die Preise dafür liegen höher, rechnen sich aber, wenn diese auf den gesamten Lebenszyklus der Fassade und den damit verbundenen Unterhaltskosten bezogen werden. Im Zusammenhang mit Photovoltaik ergeben sich derzeit große Synergien. Wir haben hier auf dem Messestand sehr viele Exponate mit Photovoltaikmodulen in unterschiedlichen Anwendungen ausgestattet. Energiegewinnung ist ja bekanntlich ein wesentlicher Beitrag zur Optimierung der Gesamtenergiebilanz.
metallbau: Gibt es spezielle Märkte, für die das umfassende Portfolio zur Gebäudehülle starke Synergien erzeugt?
Seel: Im Segment der Premium-Einfamilienhäuser wachsen wir seit einigen Jahren sehr stark. Mit unseren Lösungen können wir die individuellen Wünsche der Bauherren bezogen auf Design, Funktion, vor allem aber auch auf Sicherheit bestmöglich bedienen. Von privaten Investoren wird unser Angebot für Smart-Home-Lösungen gerne angenommen.
metallbau: Bei der BAU 2023 hat Schüco als Leitthema „Carbon Control“ ausgerollt, wie ist das Angebot von den Systempartnern inzwischen angenommen worden?
Seel: Wir stellen fest, dass Systemprofile aus Sekundäraluminium im europäischen und außereuropäischen Ausland eine größere Bedeutung als bei uns in Deutschland haben. Obwohl wir für unsere Aluprofilsysteme alle Voraussetzungen, wie etwa EPDs, geschaffen haben, erkennen wir noch auf Seiten der Planer eine Zurückhaltung, unsere nachhaltigen Systeme in den Ausschreibungen zu berücksichtigen. Wir hoffen, dass sich dies in den nächsten Monaten ändert und die verschiedenen Angebote rund um Carbon Control stärker von den Entscheidern genutzt werden.
metallbau: Carbon Control richtet sich doch auch an das Betriebsmanagement der Metallbauer und unterstützt eine nachhaltige Transformation der Betriebe?
Seel: Viele unserer Partner haben unser Angebot zur generellen Umstellung auf Low-Carbon-Aluminiumprofile genutzt.
Damit verbessert sich der CO2-Fußabdruck eines Metallbaubetriebs deutlich. Mithilfe unserer digitalen Tools können wir sowohl auf der Ebene des Verarbeiters als auch auf der des Planers die GWP-Werte (Global Warming Potential) darstellen und damit die CO2-Äquivalenzwerte berechnen. Mit unseren Daten erleichtern wir den Bauherren die Beantragung von Fördermitteln.
metallbau: Bei all der Internationalisierung von Schüco in den vergangenen Jahren, wie wichtig ist der deutsche Markt für den Bielefelder Systempartner?
Seel: Deutschland ist unser Heimatmarkt und wir sind ein ostwestfälisches Unternehmen — und dabei inhabergeführt. Der deutsche Markt ist und bleibt unser Kernmarkt.