Gelungene Umgestaltung

Kunstgebäude Stuttgart: homogene Dachsanierung

Die Umgestaltung des Kunstgebäudes Stuttgart in ein modernes Ausstellungs- und Veranstaltungshaus darf nach Ansicht von Fachleuten als gelungen bezeichnet werden.

Das Kunstgebäude – in prominenter Lage Stuttgarts, am nördlichen Rand des Schlossplatzes und in unmittelbarer Nähe zum Neuen Schloss gelegen – wurde zwischen 1910 und 1913 vom Architekten Theodor Fischer errichtet und mit Plastiken von Jakob Brüllmann (Reliefs) und Ludwig Habich (Hirsch) ausgestattet. Den zweiten Weltkrieg überstand lediglich die zentrale Kuppel mit dem goldenen Hirsch. Der historische Teil des Kunstgebäudes wurde von 1956 bis 1961 vom Fischer-Schüler Paul Bonatz in Zusammenarbeit mit Günther Wilhelm in ver­ein­fachter Form wieder aufgebaut und im Norden mit einem Anbau – dem Vierecksaal – erweitert.
Das Gebäude steht als Kulturdenkmal unter Denkmalschutz. Seine Weiterentwicklung in ein zeitgemäßes, zukunftsfähiges Ausstellungs- und Veranstaltungshaus erforderte intensive Abstimmungen im Spannungsfeld zwischen Bauherrn, Nutzern, Genehmigungsbehörden und dem Denkmalschutz.
 
Bestandsaufnahme. Der historische Bestand umfasst drei Stockwerke: Im Untergeschoss befinden sich Lager- und Werkstatträume, im Erdgeschoss sind Büro- und Ausstellungsräume mit dem großen Kuppelsaal untergebracht, dessen Raumhöhe auch das Obergeschoss überragt. Im Obergeschoss liegen weitere Ausstellungsräume und ein Künstlercafé. Jahrzehntelang dienten die um die Kuppel angeordneten Räume als Dauerausstellung für die Städtische Galerie. Deren Gemälde und Plasti­ken werden seit geraumer Zeit im gegenüber dem Schlossplatz liegenden, neu erbauten Kunst­museum präsentiert. Nach wie vor wird das Kunstgebäude für Projekte des Württembergischen Kunstvereines genutzt; der große Kuppelsaal wird auch für Sonderausstellungen und andere Veranstaltungen hergenommen.
 
Vielfältige Dachlandschaft. Zur künftigen Nutzung mit großen Landesausstellungen wurde das Kunstgebäude energetisch und gebäudetechnisch auf den neuesten Stand gebracht. Die Sanierung umfasste u. a. die Dämmung und Dichtung der Dachfläche, die denkmalgerechte Sanierung der Dachlaternen und den (ebenfalls denkmalgerechten) Neubau der vier langgestreckten, verglasten Satteldächer. Zum Teil wurden auch die unterhalb der Satteldächer liegenden, Raum abschließenden Tageslichtdecken erneuert. Welche besondere Bedeutung dieser differenzierten Dachlandschaft im städtebaulichen Kontext zukommt, wird erst verständlich, wenn man sich die besondere geografische Lage der baden-württembergischen Landeshauptstadt vergegenwärtigt: vom historischen Zentrum in einem engen, nach Nordosten zum Neckar geöffneten Talkessel aus entwickelt sich die Bebauung in zum Teil extreme Hanglagen – stets mit Blick auf die tiefer liegenden Dächer. Bei der Dachsanierung des Kunstgebäudes galt es, den Neubau der verglasten Satteldächer mit der Sanierung der Dachlaternen optisch so aufeinander abzustimmen, dass sich ein homogenes Erscheinungsbild ergibt und auch kein merklicher Unterschied zur der bereits vor zehn Jahren sanierten, großen Dachkuppel entsteht.
 
Vorfertigung und Montage. Während die Dachlaternen abgebaut und in der Werkstatt restauriert wurden (siehe Infokasten), sollten die verglasten Satteldächer – der Form nach ähneln sie Gewächshäusern und wie solche waren sie bislang lediglich einfach verglast – durch eine zeitgemäße Kons­truktion mit wärmegedämmten Stahlsystemen ersetzt werden. Insgesamt stand eine Fläche von rund 1300 m2 zur Erneuerung an. Zum Einsatz kam das voll isolierte Fassaden- und Lichtdach-Profilsystem Schüco Stahlsysteme Jansen VISS TVS in 50 mm Ansichtsbreite, eine geprüfte Systemlösung, die mit Sicherheit die wärmeschutztechnischen Anforderungen erfüllt.
Das mit der Durchführung der Arbeiten beauftragte Unternehmen, die Firma Neusser Metallbau, Dettenhausen bei Tübingen, fertigte in der Werkstatt komplett verglaste Elemente von jeweils drei Feldern à 780 mm Breite x zwei Feldern à 1825 mm Höhe. Nur über dem so genannten Marmorsaal sind die Elemente, bedingt durch die größere Deckenöffnung des Saals, drei Felder hoch, wobei das dritte Feld etwas länger ist, nämlich 1906 mm. Durch die gesteckten Riegelverbindungen mit den neuen VISS-Universal-T-Verbindern konnte eine kostengünstige Vorfertigung in der Werkstatt erfolgen.
Die Größe der vorgefertigten Elemente war durch den LKW-Transport vom Firmensitz in Dettenhausen bei Tübingen ins Zentrum von Stuttgart begrenzt. Vor Ort wurden die einzelnen Elemente auf einem eigens angefertigten Montagegestell mit einem Kran eingeschwenkt und montiert.
 
Denkmalgerechte Konstruktion. Die Erneuerung der Dachoberlichter nahm insgesamt drei Monate in Anspruch: Abgebaut und ersetzt werden durfte immer nur so viel, wie am gleichen Tag auch montiert werden konnte – die Dachfläche musste abends vollständig geschlossen sein. Aufgrund des hohen Vorfer­tigungsgrades konnten an einem Montagetag fünf kleine (zwei Felder hoch) oder vier große (drei Felder hoch) Elemente ersetzt werden.
Zum Elementweisen Einbau kam die Schwierigkeit, dass Schwertransporter die Fußgängerzone nur bis neun Uhr vormittags befahren durften. „Terminmanagement“, so Geschäftsführer Wolfgang Neusser, „wurde bei diesem Projekt groß geschrieben. Ganz zu schweigen davon, dass wir für die Glasdachaufbauten alle möglichen (und bisher nicht für möglich gehaltenen) Innen- und Außenecken sowie schräge Anschlüsse fertigen mussten. Eine insgesamt anspruchsvolle Aufgabe, die wir mit dem verwendeten Schüco-Stahlsystem Jansen VISS TVS konstruktiv sicher lösen konnten“.
Die hochpräzisen, auf modernsten Fertigungsstraßen hergestellten Stahlprofile von Jansen zeichnen sich durch sehr kleine Kantenradien aus, was sich vorteilhaft auf die Verarbeitung auswirkt. So konnten auch die komplizierten Anschlüsse in der Werkstatt unter kontrollierbaren Bedingungen exakt hergestellt werden. Die Tragkonstruktion aus VISS-Stahlprofilen wurde in einem Tonnebad feuerverzinkt, um eine ebenmäßige Oberfläche zu erreichen. Die Deckprofile sind im Farbton RAL 7005 (mausgrau) sowie RAL 9006 (Weißaluminium) pulverbeschichtet. Das eingesetzte Lichtstreuende Glas gewährleistet eine gleichmäßige Belichtung der Ausstellungsräume ohne störenden Schattenwurf.
 
Geschickte Gebäudetechnik. Bis zur Eröffnung des Kunstgebäudes im September 2009 mit der vom Archäologischen Landesmuseum konzipierten Ausstellung „Eiszeit – Kunst und Kultur“ hatte sich auch innen einiges getan. Die restaurierte Mittelachse empfängt den Besucher im großen Marmorsaal, von wo aus er über die Kabinette in den 500 m2 großen, zentralen Kuppelsaal gelangt. Von hier aus geht es über den verglasten Verbindungsbau weiter in den so genannten Vierecksaal, der mit einer Fläche von 1250 m2 die größte zusammenhängende Ausstellungsfläche bereithält.
Alle Räume werden natürlich belichtet und vollautomatisch klimatisiert. Nur dem geschulten Auge fallen die schmalen Luftauslässe auf, die die Raumabschließenden Tageslichtdecken säumen. Um die Ausstellungsräume möglichst frei von Technik zu halten, wurde die gesamte Klimatechnik im verglasten VISS-TVS-Satteldach untergebracht.
 Die Technikräume (im Eckbereich über dem Rosensaal und über dem Vierecksaal) sind mit eigens angefertigten Glaspaneelen geschlossen, die optisch der lichtstreuenden Verglasung ähneln. Einzelne Felder wurden zur Ansaugung der Frischluft nur partiell mit schmalen, lichtreflek­tierenden Glaspaneelen luftdurchlässig bedeckt. Dieser »optische Trick« sorgt dafür, dass die Dachaufsicht von den Hanglagen aus wie eine einheitlich durchgehende Fläche erscheint, die sich mit den schmalen VISS-Stahlprofilen harmonisch in den denkmalgeschützten Bestand einfügt.

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