„Ich lasse mich gerne inspirieren!“
Hans-Jürgen Taub ist Architekt und Projektsteuerer in München, der Wohnungsbau sein Bereich. Fachautorin Dipl.-Ing. Katja Pfeiffer hat er verraten, wie der Premiumsektor tickt, welche Standards im geförderten Wohnungsbau herrschen und welche Chancen es für Metallbauer in diesem Markt gibt.
metallbau: Herr Taub, Ihr Büro ist vor allem im Wohnungsbau aktiv. Was ist denn gutes Wohnen?
Hans-Jürgen Taub: Das ist hohe Qualität zu einem annehmbaren Preis in einem guten Umfeld. Es ist insbesondere ein Wohnungszuschnitt und eine Ausstattung, die den Ansprüchen des Einzelnen gerecht werden. So, wie es im Grunde der soziale Wohnungsbau umsetzt. Das heißt Wohnungen mit entsprechend großen Kinderzimmern und Balkonen, Kinderwagen-, Gehhilfen- und Fahrradabstellräumen. Das gibt ja bereits der Gesetzgeber vor. Im frei finanzierten Wohnungsbau werden häufig kleinere Kinderzimmer als im sozialen Wohnungsbau hergestellt. Selbst teuerste Wohnungen in Innenstadtlagen haben bisweilen Balkongrößen, die keinen normalen Ansprüchen genügen. Sie sind oft nur da, um größere Wohnflächen zu generieren, aber nicht, um nutzbaren Raum zu schaffen.
metallbau: Worin liegt der wesentliche Unterschied zwischen günstigem und gehobenem Wohnungsbau?
Taub: Der Unterschied ist nicht so groß wie allgemein angenommen, da wesentliche Punkte durch Vorschriften und Baugesetze für den Wohnungsbau bereits geregelt sind. Die nicht sichtbaren konstruktiven Bauteile wie Rohbau, Estrich, Installationen etc. sind weitestgehend baugleich. Lediglich die Sanitär- und Elektroausstattung und die sichtbaren Oberflächen sind im gehobenen Wohnungsbau hochwertiger. Bei den Fenstern kommt statt Kunststoff dann meist Holz-Alu zum Einsatz.
metallbau: Welche Ansprüche stellt der Premiumkunde noch?
Taub: Der Anspruch im Hochpreissegment ist eine große Wohnung sowie der Wunsch nach viel Licht. Für die Fassaden heißt das dann hochwertige Fensterelemente mit Dreifachverglasung, hohem Schallschutz und Einbruchhemmung. Die Widerstandsklassen RC2 und RC3 sind der ganz große Trend. Komischerweise betrifft das häufig selbst Dachgeschosswohnungen. Zunehmend ist auch der Wunsch nach Fenstern mit Durchschusshemmung oder Widerstandsklassen größer RC3.
Auch bei den Fensterflügeln und Balkontüren stehen bei den Käuferwünschen meist großflächige Verglasungen im Vordergrund. Allerdings ist bei 2,75 Metern Flügelhöhe für die Bedienung mit Dreh-Kipp-Beschlägen in der Regel Schluss. Dreh-Beschläge werden aber vom Nutzverhalten abgelehnt. In der Käuferbaubeschreibung weisen wir explizit darauf hin, dass aufgrund der Flügelhöhen nur Drehflügel ausgeführt werden. Dennoch führt dies bei den Abnahmen zu enormen Streitigkeiten.
metallbau: Wie lassen sich diese Konflikte lösen?
Taub: Wir können solch eine Situation eigentlich nur lösen, indem wir uns freistellen lassen und den Käufer darauf hinweisen, dass bei Wind die Fenster von Kindern und älteren Menschen nicht mehr bedient werden können. Die Bedienkräfte sind für das Kippen so hoch, dass sie das Fenster nicht mehr schließen können. Wir lassen uns auch von der Lebensdauer der Dreh-Kipp-Beschläge freistellen und empfehlen den Käufern bzw. der Hausverwaltung, einen Wartungsvertrag abzuschließen, damit einmal im Jahr die Fensterbaufirma die Beschläge kontrolliert, nachstellt und prüft, ob sie noch in Funktion sind.
metallbau: Wie bewerten Sie diese Entwicklung?
Taub: Nun, es muss bei Bauträgern und im Vertrieb ein Umdenken stattfinden. Der werkplanende Architekt und der Fassadenplaner müssen mindestens ein so großes Mitspracherecht haben wie der Entwurfsarchitekt. Das ist aber in der Regel nicht der Fall. Da geht Optik vor Technik. Die Metallbaubetriebe sind dann oft die Leidtragenden.
metallbau: Haben Sie ein Beispiel dafür, dass die Metallbauer die Leidtragenden sind?
Taub: Wir hatten bei einem Bauvorhaben ca. 15 Quadratmeter große Einzelscheiben bei einer Innenhofverglasung. Eine dieser Scheiben war geplatzt. Der Innenhof war durch Schwerlastverkehr und Kräne nicht befahrbar. Wir mussten damals einen 500-Tonnen-Spezialkran aufbauen, der über das Gebäude hinweg diese eine Scheibe austauschen konnte. Völlig absurd. Oder noch ein Fall betrifft die Beschädigungen der Scheiben durch Glaskratzer, die meistens nicht im Zuge der Bauarbeiten, sondern häufig erst bei der Feinreinigung der Gläser entstehen. Die Käufer erwarten eine mangelfreie Herstellung und sind nicht bereit, kleinste Kratzer als hinnehmbare Mängel zu akzeptieren. Es gibt mittlerweile Rechtsanwälte, und da gehören auch die des Bauträgers dazu, die sagen: Sobald in der Käufer-Baubeschreibung ‚Luxus‘ oder ‚gehobener Standard‘ steht, gilt nicht nur, was die Herstellervorschriften sagen, sondern ein noch höherer Qualitätsanspruch.
metallbau: Welche Trends gibt es für Aluminium und Stahl?
Taub: Generell kann man sagen, dass Stahl bei Fassaden im Wohnungsbau eine untergeordnete Rolle spielt. Er eignet sich eher für den Villenbau oder ein individuelles Produkt. Aluminium hingegen ist im Wohnungsbau bei den Fassaden weit verbreitet. Holz-Aluminium-Fenster werden im gehobenen Wohnungsbau von uns standardmäßig eingebaut. Als Fassadenbekleidung spielt Aluminium vor allem mit eloxierten Oberflächen eine zunehmende Rolle. Ich persönlich bin kein Freund von eloxierten Blechen, da es bei unterschiedlichen Chargen häufig zu starken Farbunterschieden kommt und Beschädigungen nur sehr schwer oder überhaupt nicht mehr ausgebessert werden können. Für die Bauleitung stellen daher eloxierte Bleche eine enorme Herausforderung dar.
metallbau: Was ist mit Glas?
Taub: Unsere Bauherrn und Investoren äußern wieder vermehrt den Wunsch nach Glasgeländern. Zudem werden im Innenausbau vermehrt Raumteiler aus Glas und Wandverkleidungen aus farbigen oder beschichteten Gläsern verbaut. Wir setzen hier vermehrt sehr individuelle und ausgefallene Wünsche um. Aber auch Metallgeländer liegen im Trend, insbesondere perforierte, gestanzte oder gelaserte Bleche. Man kann sagen, dass großflächige Bleche, für innen wie für außen, stark im Kommen sind.
metallbau: Gibt es aus Ihrer Sicht gelungene Beispiele für Metallfassaden im Wohnungsbau?
Taub: Es gibt, was Metallfassaden im Wohnungsbau angeht, vereinzelt sehr gelungene Beispiele. In der Münchner Ismaninger Straße steht ein Wohnhaus der Bayerischen Hausbau von Laux Architekten mit einer mehrgeschossigen Metallfassade, die einen räumlichen Abschluss zum Innenhof darstellt. Sehr schön! Oder der Umbau des ehemaligen Jesuitenklosters in der Zuccalistraße von Franke, Rössel, Rieger. Für das Projekt habe ich die Ausschreibungen sowie das Termin- und Kostencontrolling gemacht. Die Neubauteile sind mit einer Außenhaut aus Streckmetall in einer goldenen Kupferlegierung überzogen und schweben scheinbar über dem denkmalgeschützten Sichtbeton- altbau. Momentan entsteht eine sehr aufwändige Metallfassade aus eloxierten Aluminiumblechen an einem Wohnungsbau in der Trogerstraße von Landau+Kindelbacher mit motorisch betriebenen, geschosshohen Faltladenanlagen.
metallbau: Welche Chancen geben Sie der Modulbauweise?
Taub: Allein die schnelle Fertigung und die kurzen Bauzeiten sind ein enormer Vorteil. Im Wohnungsbau scheiterte der Modulbau in Süddeutschland, zumindest in der Vergangenheit, aber an der Akzeptanz der Käufer. Bedingt durch die Flüchtlingsdebatte kommt das Ganze aber wieder ins Gespräch. Ich sehe da eine große Chance, allerdings nicht im Bereich Wohnungseigentum. Für den Mietwohnungsbau durchaus, insbesondere im Bereich von extremen Nachverdichtungen. In anderen Ländern wie z.B. Holland ist das alles kein Thema mehr. In Deutschland tut man sich damit noch immer schwer.
metallbau: Welche Tipps würden Sie einem Metallbauer geben, um im Premiumsektor erfolgreich zu sein?
Taub: Die Qualität von Verarbeitung und Montage sind das A und O. Bei den Abnahmen achten Käufer und Sachverständige immer intensiver darauf, dass die Qualität stimmt. Voraussetzung hierzu ist sicherlich, dass der Metallbaubetrieb über hochqualifizierte Monteure verfügt, aber auch über gut ausgebildete Ingenieure, die in der Lage sind, die Wünsche der Architekten in der Werkstatt- und Montageplanung letztendlich mängelfrei umzusetzen.
Man sollte als Metallbauer in jedem Fall auf dem neuesten Stand der Technik sein. Was die Industrie, sei es Metall, Elektro oder Glas, an Neuem bringt, ist enorm und immer wieder faszinierend. Im Blechsektor sehe ich vorrangig das Optische. Da lasse ich mich gerne inspirieren!