Aus der Not eine Tugend
Sandra Schreier war schnell entschiedenAls ihr Vater einen Betriebsunfall hatte, musste Sandra Schreier sich entscheiden: Traut sie sich zu, die Firma Zaun- und Metallbau Schreier im sächsischen Raschau zu führen, obwohl sie gar nicht vom Fach war? Anderthalb Jahrzehnte später ist die junge Frau rundum im Metallbau angekommen. Bereuen tut sie ihre Entscheidung nicht, sagt sie.
Manche wissen von Kindesbeinen an, dass sie mal in die Fußstapfen der Eltern treten wollen. „Das war bei mir nicht so“, erinnert sich Sandra Schreier. Allerdings hatte sie auch keinen Plan B. „Ich war unentschlossen.“ Nach der Schule bewarb sie sich darum bei der regionalen Bank. Sie hatte eine Stellenanzeige gesehen – auf einem ihrer Kontoauszüge. Die Bank suchte Nachwuchs und der Job schien ihr damals immerhin sicher. 2007 fing Sandra Schreier ihre Banklehre an. Doch schon ein Jahr später passierte etwas, dass ihre Pläne durchkreuzen sollte.
2008 hatte ihr Vater Rolf Schreier einen schweren Betriebsunfall. Schon bald war klar, dass er an der Firmenspitze Unterstützung braucht. Die Zukunft der kleinen Firma aus dem sächsischen Erzgebirge stand auf der Kippe. Rolf Schreier hatte die Firma unmittelbar nach der Wende gegründet und zusammen mit seiner Frau Gabriele mehr als 25 Jahre lang geführt. Der Unfall zwang das Ehepaar, sich spontan auf die Suche nach einem Nachfolger zu machen. Doch Sandras Bruder Thomas sagte ab. Warum also nicht eine Nachfolgerin und die Tochter fragen? Die sagte schließlich: Ja!
Sandra Schreier stieg 2010 in den Betrieb ein, machte direkt eine Weiterbildung. An der Schweißfachschule in Schwarzenberg war sie die einzige Frau unter knapp 20 Männern. 2012 schloss sie die Schweißausbildung ab, unmittelbar danach absolvierte sie ihren Metallbau-Meister. Nach der Geburt ihres Kindes im Jahr 2015 folgte eine kleine Pause. Doch nach ihrer Rückkehr übernahm sie im Jahr 2018 die Verantwortung für das Unternehmen.
Zaun- und Metallbau Schreier ist im sächsischen Raschau zu Hause. Die tschechische Grenze im Süden ist näher als die Großstadt Chemnitz im Norden. Die Arbeitslosigkeit im Erzgebirgskreis, zu dem Raschau gehört, ist moderat. Sie liegt auch nach gut einem Jahr Corona nur knapp über fünf Prozent. Das liegt aber auch daran, dass es vor Ort immer weniger Menschen gibt. In den 1960er-Jahren hatte Raschau mal mehr als 6.000 Einwohner, heute sind es noch 3.500.
Der Ort ist von seiner familiären Unternehmensstruktur geprägt. Zaun- und Metallbau Schreier ist ein solches Familienunternehmen. Sandra Schreier steht jetzt an der Spitze, ihr Bruder und sogar ihr Freund arbeiten im Unternehmen mit. Die Eltern sind mittlerweile komplett in den Hintergrund getreten.
Schon zu Zeiten von Rolf Schreier war die Firma auf Zäune und Tore spezialisiert. Seine Tochter fährt diesen Kurs weiter. Mit allem was dazu gehört. Ein Mitarbeiter ist Elektromechaniker, arbeitet als Experte für die Installation der Torantriebe. Sandra Schreier ist unternehmerisch verantwortlich und für den Metallbau zuständig. Ihr Meisterstück schmückt die Zufahrt zum Elternhaus, wo auch die Werkstatt untergebracht ist. Dort stehen Maschinen und Anlagen zum Sägen, Schleifen, Bohren und Biegen. „Wir können eigentlich alles“, sagt Schreier. Sogar für künstlerische Metallarbeiten gibt es einen Raum und mit Christian Salzer einen sehr kreativen Mitarbeiter. Er schnitzt zum Beispiel kleine Holzfiguren.
Das kleine Handwerksunternehmen findet seine Aufträge in der Region. „Das meiste machen wir in Sachsen“, sagt die 33-Jährige. Einzelne Aufträge aus einem größeren Radius als 50 Kilometer sind eher Zufall. Ein Kunde wollte mal ein Projekt an der Ostseeküste realisieren und sprach direkt Sandra Schreier an. Privatkunden hat der Betrieb seine stabile Auftragslage zu verdanken. Zaun- und Metallbau Schreier zählt heute fünf Mitarbeiter – drei Angestellte und zwei Aushilfen. Nach einem guten Jahrzehnt im Beruf und drei Jahren als Inhaberin steht die junge Frau zu ihrer Entscheidung von damals. Ihren Wechsel von der Bank in die Metallbaubranche bereut sie nicht.