Interview

Christian Fastnacht, Bauingenieur

„Stahl ist ehrlich – man weiß, wo die Kräfte liegen“

Tragwerk und Glashülle der Schaugewächshäuser in Köln berechnete das Büro Assmann Beraten + Planen, genau genommen Christian Fastnacht. Die  Redaktion metallbau traf ihn Anfang Februar per Videokonferenz zum Interview.

metallbau: Herr Fastnacht, die Hallen stehen. Fehlen nur noch die Pflanzen, oder?

Christian Fastnacht: Nicht ganz. Gerade werden die Wartungstreppe und Wartestege angebracht. Zu unserer Überraschung hat der Stahlbauer uns heute gefragt, ob er an die Kuppel einen Seilzug hängen kann, um sie hochzuziehen.

metallbau: War das denn nicht vorgesehen?

Fastnacht: Doch, aber meines Wissens nicht auf diese Weise. Die Treppe war wohl anfangs anders vergeben. Deshalb kommt die Anfrage jetzt recht spontan. Ich habe aber grundsätzlich keine Bedenken: Wir haben ein gutes Sicherheitskonzept, und wenn kein Schnee auf der Hülle liegt, kann der Stahlbauer da ruhig rangehen. Seine erste Frage war deshalb, wie momentan das Wetter in Deutschland ist.

 

metallbau: Wie sind Sie an das Projekt herangegangen?

Fastnacht: Die Architekten wollten in dem Gebäude viel natürliches Licht. Deswegen haben wir uns für Sonderprofile entschieden, IPE-O-Profile aus S235er-Stahl, die relativ schmal und hoch sind und in der Bogenrichtung eine hohe Steifigkeit besitzen. Das Problem war allerdings: Am Anfang der Planungen stand der Stahlbauer noch nicht fest. Wir konnten die Preise also nicht direkt erfragen. Für ein akzeptables Angebot braucht man aber gerade bei Sonderprofilen eine gewisse Tonnage. Am Ende hat alles so geklappt, wie wir uns das vorgestellt haben. Unsere Lösung ist auch deshalb wirtschaftlich, weil die meisten Bögen von der gleichen Profilsorte sind.

 

metallbau: Wie sind die Bögen segmentiert?

Fastnacht: Die Bögen haben eine ellipsoide Form – als Kompromiss aus gegebener, begrenzter Grundfläche und möglichst hoher Höhe bei gleichzeitig schlanken Profilen. Die Segmentierung der Bögen haben wir zeichnerisch gelöst, indem wir den einzelnen Segmenten einzelne Radien zugeordnet haben. Auf Basis dieser Zeichnungen konnte der Stahlbauer weiterarbeiten.

 

metallbau: Was ist mit den Anschlüssen?

Fastnacht: Die Berechnung der Hauptknoten hatten wir im Auftrag, die der Anschlüsse, also die Knotenstatik, dagegen nicht. Für so etwas hat der Stahlbauer sein eigenes Statikbüro. Die wissen ja genau, wo die Montagestöße liegen müssen, mit welchen Längen sie liefern können und welche Bleche vorrätig sind. Da will ich auch gar nicht erst reinpfuschen, das wäre für beide Seiten unbefriedigend. 

metallbau: Sind die Segmente miteinander verschweißt?

Fastnacht: Ja und nein. Ursprünglich hatten wir überall Doppelplatten mit Schrauben vorgesehen. Das fand der Architekt aber nicht so schön. Also sind wir zu verschweißten Anschlüssen übergegangen – jedenfalls dort, wo es möglich ist. Den kleinsten Bogen hat der Stahlbauer tatsächlich in nur zwei Hälften geliefert. Da ist nirgends ein biegesteifer Stoß drin – bis auf den am Scheitelpunkt. Die großen Bögen sind in drei oder vier Stücke unterteilt, sonst würde es mit dem Transport schwierig.

metallbau: Welches Glas wurde verbaut?

Fastnacht: Es gibt eine Überkopf- und eine Vertikalverglasung. Beide haben unterschiedliche Anforderungen, bedingt durch verschiedene Belastungen wie etwa Wind und Schnee. Bei der Überkopfverglasung brauchen wir Zwischenschichten, also zwei Scheiben TVG, ESG und die Luftschicht. Bei der Vertikalverglasung braucht man nur ESG. Überall die gleiche Glasstärke hinzukriegen, war eine große Herausforderung. Dazu kamen noch die energetischen Belange. Die Berechnungen gingen zwischen dem Energieplaner und uns hin und her. Bei der Überkopfverglasung erfolgt die Unterseite in zwei Scheiben TVG-Glas mit Trennschicht. Bei der Vertikalverglasung ist hier nur eine ESG-Scheibe erforderlich.

metallbau: Wie ist die Glashülle am Tragwerk befestigt?

Fastnacht: Über ganz normale Klemmverbindungen bzw. Klemmleisten. Ein bisschen schwierig war, die Verdrehung zu berücksichtigen, die aus dem Aufeinandertreffen von Bogenform bzw. Unterkonstruktion und ebener Glasfläche resultiert. Wenn die Verdrehung aus der Unterkonstruktion nicht aufgenommen wird, bricht die Scheibe, und das soll sie ja schließlich nicht. Außerdem sollten die Profile möglichst offen sein, damit sich dort kein Kondenswasser sammeln kann. Aufgrund der geringen Höhe zwischen den Bodenträger und dem Glas konnte hier jedoch kein stärkeres höheres Profil gewählt werden, sodass es doch ein geschlossenes Rechteckrohr geworden ist.

www.assmann.info

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