Folgen der Corona-Krise
Licht & Schatten für die BrancheAuftragsrückgänge, unterbrochene Lieferketten, Montageverbote oder die Unsicherheit bei der Personaldisposition: Die Corona-Pandemie stellt die Wirtschaft vor unerwartete Herausforderungen. Unternehmer und Beschäftigte von Metall- und Stahlbaufirmen berichten über die Folgen.
Dirk Veltes Metallmanufaktur beschäftigt 21 Mitarbeiter und wird zu mehr als 90 Prozent von Privatkunden beauftragt: mit Außengeländern, Briefkästen oder Pergolen bis hin zu Zäunen. „Ein Auftrag kann bei uns einen Wert zwischen 50 und 50.000 Euro haben“, sagt der Chef von 21 Mitarbeitern. Einzelne Ausbrecher in den sechsstelligen Bereich seien nicht ausgeschlossen.
In weiser Voraussicht hatte Velte bereits zu Beginn der Pandemie mehr Material geordert. „80 Prozent des bei uns verwendeten Stahls kommt aus Spanien oder Italien.“ Doch seine „Hamsterkäufe“ hätten sich im Nachhinein als nicht notwendig herausgestellt. Lediglich beim Glas, das der Betriebswirt des Handwerks unter anderem von großen Glashütten bezieht, gibt es seit Ende Oktober erste Verzögerungen und Lieferanten melden, die Bestellungen erst im Februar erfüllen zu können.
Als Velte im März erstmals aus den Medien von den Maßnahmen im Kampf gegen das Corona-Virus erfährt, herrscht in seinem Team „helle Aufregung“. „Im normalen Ablauf gibt es täglich ein bis drei Kundentermine, die haben wir im ersten Lockdown alle abgesagt“, so der Schmiedemeister. Bereits nach 14 Tagen hatte sich die Lage in der Metallmanufaktur wieder beruhigt. Velte gab fast 10.000 Euro für Hygienemaßnahmen aus, besorgte mehr als 1.000 FFP2-Masken und stattete alle Arbeitsbereiche sowie Dienstfahrzeuge mit Desinfektionsmittel aus. „Es stellte sich dann überraschend schnell so etwas wie eine neue Normalität ein“, erinnert sich der Firmeninhaber.
Anders als erwartet stiegen in Veltes Manufaktur die Anfragen im weiteren Verlauf der Pandemie. Da viele Menschen aufgrund der geltenden Reise- und Ausgangsbeschränkungen wesentlich mehr Freizeit auf dem Balkon, der Terrasse oder im Garten verbrachten, seien vor allem die Aufträge für Sonnenschutzsysteme oder Überdachungen gestiegen: „So kam etwa ein Auftrag einer Kundin, die ihr Homeoffice im Souterrain hat. Der Raum wurde durch einen darüberliegenden Balkon sehr verdunkelt. Hier haben wir das Holz durch begehbares Glas ausgetauscht.“ Die Frau will nun auch nach der Corona-Zeit das heimische Büro öfter nutzen. Der stellvertretende Kreis-Handwerksmeister und Obermeister der Metall-Innung Hochtaunus beobachtet außerdem: „Im Gegensatz zu Betrieben, die an die Industrie angegliedert sind, hatten klassische Metall-Handwerksbetriebe trotz Corona keine Umsatzeinbrüche. Viele berichten gar von 10 bis 20 Prozent mehr Umsatz im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.“
Großprojekt unter Corona-Bedingungen
„Wenn unser wichtigster Systemlieferant nicht liefern könnte, würde unser Werk stillstehen“, sagt Markus Fischer, Einkaufsleiter bei Haga Metallbau. Doch die Systemteile von Schüco seien trotz des Lockdowns stets wie bestellt in den Werken angekommen. Haga ist auf die Planung, Herstellung und Montage von Fenstern, Türen und Fassaden aus Aluminium, Stahl und Glas spezialisiert. Während der Hauptsitz sich im unterfränkischen Hofheim befindet, ist der Zentraleinkauf im oberpfälzischen Wackersdorf angesiedelt.
Fischer bestellt unter anderem bei regionalen Betrieben Schweißkonsolen. „Aufgrund unserer grenznahen Lage beschäftigen die Zuliefer-Firmen auch Arbeiter aus Tschechien. Hier entstanden teils Verzögerungen und längere Lieferzeiten, weil Schweißer nicht einreisen konnten oder in Quarantäne gehen mussten.“ Verzögerungen gab es außerdem bei der Lieferung von Sonderprofilen, die Haga regelmäßig für bestimmte Bauvorhaben benötigt und beispielsweise in Italien bestellt. Für ein Projekt etwa waren die Werkzeuge zur Profilpressung bereits hergestellt, die Profile konnten dann aber vom italienischen Lieferanten aufgrund des dortigen Lockdowns erst einmal nicht produziert und geliefert werden.
Aufregend verlief ein Großprojekt in Frankfurt am Main mit einem Auftragsvolumen von mehr als fünf Millionen Euro: An einem 66 Meter hohen Wohnturm waren eine Pfosten-Riegel-Fassade sowie Fenster und Türen zu montieren. „Die Metallbauleistung belief sich auf eine Fläche von 7.200 Quadratmetern“, erläutert Guido Laubender, Montageleiter bei Haga. Ein Subunternehmer-Team aus Ungarn hatte zugesagt, diese zu übernehmen. „Aufgrund der Größenordnung hatte ich geplant, noch ein weiteres Team aus Südtirol zu bestellen“, erzählt der Prokurist, der neben 80 eigenen Monteuren auch 72 Subunternehmer-Mitarbeiter steuert. Doch Italien war eines der ersten Länder, die Aus- und Einreisen beschränkten, und so war diese Beauftragung schnell hinfällig. Als dann im April einige ungarische Arbeiter aus ihrem Heimaturlaub nicht mehr auf die Baustelle zurückkehren konnten, da sie sich in Quarantäne befanden, war rasches Handeln gefragt, um die vertraglich zugesicherten Termine einhalten zu können. Vorsorglich meldete Laubender an den Auftraggeber, dass sich das Projekt wegen höherer Gewalt zeitlich verzögern könnte. Doch dank eines internen, erfahrenen Montageteams, das für den Einsatz in Frankfurt abgezogen werden konnte, war es dann doch möglich, weiter im Plan zu arbeiten. „Zwar mussten dafür kleinere, lokale Baustellen ruhen, weil alle Ressourcen für das Großprojekt eingesetzt wurden, doch unser Ziel, eine mehr als termingerechte Übergabe des Wohnturms, haben wir erreicht“, freut sich Laubender über dieses positive Ergebnis.
Über positive Ergebnisse weniger erfreut ist Haga-Personalleiterin Carmen Klopf – zumindest, wenn es um Covid19 geht: „Vier positiv getestete Beschäftigte hatten wir bis Ende Dezember, sieben Kollegen mussten sich in Quarantäne begeben“, berichtet sie. Ihr Arbeitsalltag habe sich seit März komplett verändert: „Einen großen Teil meiner Arbeitszeit bin ich damit beschäftig, behördliche Anordnungen, die laufend aktualisiert werden, zu kommunizieren und umzusetzen“, sagt Klopf, die aktuell immer wieder an Wochenenden arbeitet. Etwa um Passierscheine für Mitarbeiter auszustellen, wenn es in Bayern neue Ausgangsbeschränkungen gibt, oder Corona-Meetings vorzubereiten, die wöchentlich mit Geschäftsführung und Führungskräften stattfinden. Wegen schleppender Auftragsvergaben musste das Unternehmen außerdem für den Monat Juni Kurzarbeit beantragen. An den drei Firmenstandorten waren von insgesamt 94 Festangestellten 34 Mitarbeiter aus der Fertigung betroffen. „Doch bereits im Juli hatten wir wieder ausreichend Arbeit und konnten alle Mitarbeiter voll beschäftigen“, so Klopf.
Corona-Krise trifft Feinwerkmechanik
„Im Vergleich zum Vorjahr sind unsere Aufträge im Automobilbereich um rund 70 Prozent zurückgegangen, im Maschinenbau betragen die Einbußen fast 30 Prozent“, sagt Thomas Gernhard, Geschäftsführer von Hein und Gernhard in Oberursel bei Frankfurt. Vorsorglich habe er bis Februar 2021 Kurzarbeit angemeldet. „In den Monaten Mai bis Juli war der Betrieb am stärksten betroffen, zum Jahresende gab es dann für alle 27 Mitarbeiter wieder Arbeit“, so der Inhaber. Gegründet 1927, hat sich der ehemalige Schlossereibetrieb zu einem Maschinenbauer und Industriezulieferer entwickelt. Aus dem Maschinenbau stammt fast die Hälfte der Kunden, ein gutes Drittel aus der Automobilbranche. Weitere gut zehn Prozent der Auftraggeber kommen aus dem medizinischen Bereich, der Rest teilt sich auf in Kunden aus der Luft- und Raumfahrt sowie einem kleinen Teil Privatkunden. Vorwiegend stellt das Unternehmen Halbzeuge aus Stahl, Edelstahl, Aluminium oder Kupfer her.
Neben dem Anmelden von Kurzarbeit war der Diplom-Ingenieur gezwungen, sämtliche Kosten des Familienbetriebs zu analysieren. „Wir konnten unseren Fuhrpark verkleinern und die laufenden Kosten für unser externes Callcenter reduzieren“, berichtet der Firmeninhaber von Sparmaßnahmen, die wegen der Corona-Krise umgesetzt wurden. Um die Liquidität zu erhalten, habe er außerdem weniger Waren eingekauft und geplante Investitionen zurückgestellt, wie zum Beispiel die Weiterentwicklung eines eigenen Warenwirtschaftssystems.
Parallel dazu prüfte Gernhard, wie sich weitere Umsätze generieren ließen. Einer seiner Kunden nutzte etwa die weniger arbeitsintensive Corona-Zeit, um eine Fertigungslinie umzubauen. „Hier konnten einige unserer Mitarbeiter bei den Arbeiten unterstützen.“ Wo es sich anbot, stellte der Hesse weitere Teammitglieder für Fremd-Montagen außerhalb seiner Firma zur Verfügung. Und immerhin: In der Medizin-Sparte gab es eine zehnprozentige Steigerung. „Wir stellen Transportsysteme für Frühgeborene her, diese Plattformen werden jetzt auch als Transportsystem für Covid19-Erkrankte genutzt“, erklärt Gernhard. Seit vergangenen November laufen die Aufträge im Maschinenbau- und der Automobilindustrie langsam wieder an. „Der Ausblick auf das Jahr 2021 ist bis jetzt gut, viele zunächst gestoppte Projekt sollen weitergeführt werden.“
Fazit
Bei einer im Dezember durchgeführten Umfrage des Bundesverbandes Metall in Essen gaben mehr als 80 Prozent der baunahen Metallbauer an, Kurzarbeit sei für sie kein Thema, knapp 70 Prozent beurteilten ihre momentane Geschäftslage gar als gut bis sehr gut. Die Kurzarbeit in den Feinwerkmechanik-Betrieben befand sich zum Jahresende auf einem Höchststand: Fast 60 Prozent gaben an, davon betroffen zu sein. Bei der Umsatzentwicklung liegen rund zwei Drittel der stark im Zulieferbereich tätigen Unternehmen unter Vorjahresniveau.