Kommentar zum Beitrag: Seminarbesuch zur DIN 18008

Dr.-Ing. Barbara Siebert kommentiert den Beitrag "Seminarbesuch zur DIN 18008"

Erfahrungswerte, alte Statik-Tabellen oder schnelle Überschlagsrechungen gelten schon seit vielen Jahren nicht mehr. Mit Einführung der TRLV (1998), TRAV (2003) und TRPV (2006) waren statische Nachweise für Glaskonstruktionen in einer bauaufsichtlich eingeführten Vorschrift geregelt. D.h. auch bislang war eine statische Berechnung für Glaskonstruktionen erforderlich.

Tatsächlich ändert sich mit Einführung der DIN 18008 relativ wenig. Das Bemessungskonzept ist wie beschrieben ein anderes (Konzept der Teilsicherheitsbeiwerte), die Nachweise für Isolierverglasungen mit Floatglas werden – aufgrund der neu eingeführten kmod Faktoren aufwändiger. Aber auch bislang war es für 3-fach Isolierverglasungen nicht möglich die Nachweise mit einem vernünftigen Aufwand ohne Software durchzuführen.

Für thermisch vorgespanntes Glas, also ESG oder TVG, ändert sich hingegen der Aufwand nicht.

Auch bislang mussten statische Nachweise vorgelegt werden, auch hier gibt es mit Einführung der Norm keine Änderung. Die alten – nun nicht mehr gültigen – technischen Regeln und die DIN 18008 sind aus baurechtlicher Sicht gleichwertig da jeweils bauaufsichtlich in der Liste der technischen Baubestimmungen eingeführt.

Die Verwendung von Glasbemessungssoftware, die von den meisten Softwareherstellern in diesem Bereich bereits auf die DIN 18008 umgestellt wurde, erleichtert Handwerksbetrieben insbesondere das Tagesgeschäft für die Angebotsphase. Ich warne aber dringlich davor dass statische Berechnungen von Handwerksbetrieben erstellt werden. Dies ist Aufgabe eines Fachmannes, z.B. eines Statikers. Hier stellt sich auch die Frage des Versicherungsschutzes der wohl nicht gegeben ist wenn ein Handwerksbetrieb bei einer Ingenieurleistung einen Fehler macht. Auch Glasdickenempfehlungen von Glasherstellern waren in der Vergangenheit und werden auch in der Zukunft genau aus diesem Grund unverbindlich sein.

Einen Bestandsschutz gibt es tatsächlich, wobei dies von den einzelnen Bauaufsichten etwas unterschiedlich gesehen wird. Eine Auslegung ist, dass der Bestandsschutz gilt wenn die Konstruktion zum Zeitpunkt der Errichtung nach einer aktuellen Regel ausgeführt wurde. Im Zweifelfall sollte hier immer die Bauaufsicht gefragt werden.

Die genaueren Berechnungen waren auch früher möglich, die beschriebenen Parameter wie z.B. Gebäudehöhe, -breite,  -tiefe haben nichts mit der DIN 18008 zu tun sondern mit der Norm für Lasten bzw. Einwirkungen DIN 1055 bzw. ab 2006 Eurocode 1. D.h. die Lastermittlung ist schon seit vielen Jahren von diversen Parametern abhängig.

Zum Beispiel der Terrassenüberdachung ist noch Folgendes zu sagen: Wichtig war und ist bei derartigen Verglasungen auch immer der Eingangswert der Höhe der Wand über der Horizontalverglasung. Dieser Wert ist erforderlich um die sogenannte Schneeanhäufung zu ermitteln. D.h. die Schneelast ist abhängig von der Gebäudegeometrie.

Das Konzept der Teilsicherheitsfaktoren kann man am einfachsten mit einer anderen Schreibweise erklären. Statt einem globalen Sicherheitsfaktor gibt es nun Teilsicherheitsfaktoren sowohl auf der Eingangsseite als auch auf der Materialseite.

D.h. bei dem Beispiel ist nicht die Last größer sondern tatsächlich die Widerstandsseite, d.h. die Beanspruchbarkeit des Floatglases, kleiner. Aus eigenen Erfahrungen ist dies einer der wenigen Beispiele bei denen das Glas dicker wird. Aufgrund der Schneeanhäufung ist hier oft eine Ausführung nur in VSG aus TVG möglich.

Fazit

Um die neue DIN 18008 wird derzeit eine große Panik gemacht, obwohl sich relativ wenig ändert und viele bislang ungeregelte Anwendungen (d.h. bislang Zustimmung im Einzelfall ZiE) nun geregelt sein werden. Diese Panik ist unbegründet, der Aufwand erhöht sich nur bei einigen Wenigen Anwendungen in Verbindung mit Floatglas. Ein Vorteil hierbei ist vielleicht dass einige in der Glasbranche, die noch tatsächlich nach den schon seit vielen Jahren nicht mehr geltenden Erfahrungswerten gearbeitet haben „aufwachen“ und es in Zukunft richtig machen werden. Die Verwendung von Glasbemessungssoftware für den Handwerksbetrieb kann für die Angebotsphase sinnvoll sein, eine richtige statische Berechnung sollte immer von einem Fachmann, also Statiker, erstellt werden. Wer bislang alles richtig gemacht hat und keine Software gebraucht hat, wird auch in Zukunft keine Software benötigen. Wer bereits ein Programm verwendet muss dieses natürlich entsprechend updaten. Glas wird immer mehr als tragendes Bauteil verwendet, d.h. wir sprechen in der Regel nicht mehr von einfachen kleinen Fensterverglasungen. Hier ist ein Umdenken bei den Architekten wünschenswert dahingehend dass bereits – wie bei anderen Bauteilen und Materialein auch – bereits im Vorfeld einer Ausschreibung Vorstatik und Machbarkeitsuntersuchungen durchgeführt werden. Dies würde deutlich mehr Planungssicherheit geben als dies bislang der Fall ist.

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